Bücher und Begegnungen

 Die evangelische Bücherei in Thalmässing wir 50 Jahre alt
© epd-bild/Timo Lechner
Die Leiterin Waltraud Vogel (r,) und Pfarrer Rudolf Hackner in der evangelischen Bücherei in Thalmässing, die im kommenden Jahr 50 Jahre alt wird.
Bücher und Begegnungen
Ein Streifzug durch die Welt der evangelischen Büchereien
Evangelische Büchereien besetzen eine Nische, die von kommunalen Büchereien nicht in derselben Weise ausgefüllt werden kann. Die Häuser bieten viele Begegnungsmöglichkeiten. Ein Rundgang in Bayern zeigt: Sie sind aus ihrer Region kaum wegzudenken.
05.01.2020
epd
Timo Lechner

Nicht nur einmal wurde dem Buch durch neue Medien ein langsames Sterben vorausgesagt - oder zumindest drastische Veränderungen, weg vom Buch hin zu digitalen Produkten. Die Medienlandschaft habe sich zwar verändert, sagt Jörg Hammerbacher, lange Zeit Beauftragter für Büchereiarbeit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und seit wenigen Monaten Dekan in Weilheim: "Aber Bücher faszinieren nach wie vor." Zwar bräuchten nicht alle Kirchengemeinden eine evangelische öffentliche Bücherei. Es sei aber so, dass dort, wo eine Bücherei existiert, diese fast immer die Identität der Gemeinde geprägt hat.

Die Schwerpunkte evangelischer Büchereiarbeit liegen laut Hammerbacher im Raum Nürnberg, aber auch im evangelisch geprägten Oberfranken, im Raum Bayreuth oder Kulmbach. In Bad Reichenhall (Dekanat Traunstein), Partenkirchen (Dekanat Weilheim), Markt Erlbach (Dekanat Neustadt/Aisch), Bad Rodach (Dekanat Coburg) und Leipheim (Dekanat Neu-Ulm) seien die evangelischen Büchereien sogar die wichtigsten öffentlichen Büchereien am Ort. Sie hätten eine Funktion im Sozialraum.

Mit 20 Büchlein fing es an

Hammerbacher kennt einige herausragende Beispiele: "Der Gemeindepfarrer in Bad Reichenhall sagte mir, die dortige Bücherei sei das Schaufenster der Kirchengemeinde für die lokale Öffentlichkeit. In Partenkirchen nimmt die evangelische Bücherei im Verbund mit katholischen Büchereien auch diese wichtige Funktion in der Kommune wahr." Auch die evangelische Bücherei in Himmelkron (Kreis Kulmbach) sei so etwas wie der Mittelpunkt im Gemeindeleben. Eine andere Funktion als Gemeinschaftsstifter habe die öffentliche Bücherei in der Vaterunser-Kirche in München-Oberföhring: Sie ist seit über 50 Jahren als ökumenische Bücherei im Stadtteil tätig.

Fast so alt ist die evangelische Bücherei in Thalmässing - sie besteht im kommenden Jahr seit einem halben Jahrhundert. Optisch wirkt sie aber ziemlich modern - was daran liegen könnte, dass die mehr als 10.000 Bände im Bestand erst im Dezember vergangenen Jahres in ein neues Domizil umgezogen sind, an dem in dicken Lettern "Haus des Buches" steht. Was heute die zweitgrößte evangelische Bücherei Bayerns ist, hat mal mit 20 Büchlein begonnen. Leiterin Waltraud Vogel ist nur eine von 18 Ehrenamtlichen, die regelmäßig den Schlüssel in der Tür zur Bücherei herumdrehen und die Gäste einlassen.

Auf die Konfession schaut niemand

"Ich bin katholisch, darf ich hier auch rein?", sei noch bis vor wenigen Jahren eine der häufigsten Fragen von "Gotteslob"-Besitzern gewesen, erinnert sich Waltraud Vogel. Doch auf die Konfession habe hier noch nie jemand geschaut. Und Pfarrer Rudolf Hackner bekräftigt: "Die meisten Religionen bauen auf einem Buch auf. Vielleicht ist dies der Grund, weshalb eine Bücherei so gut Gemeinschaft schaffen kann."

Bereits 2018 den 50. Geburtstag feiern konnte die evangelische öffentliche Bücherei im sogenannten Grampp-Haus in Himmelkron, wo man seit 2011 sitzt. Mit rund 250 Büchern ging es 1968 im Pfarrhaus los, zwischen 1999 und 2010 war die Bücherei in einem ehemaligen Gemischtwarenladen in der Ortsmitte zu finden. Heute haben die neun Mitarbeiter rund um Leiterin Silvia Henke einen Bestand von rund 8600 Medien. "Die Unterscheidung 'weltlich' - 'christlich' - 'kirchlich' oder gar 'evangelisch' ist nicht mehr üblich", erläutert Henke.

Es geht persönlich zu

Eine halb kirchliche, halb weltliche Einrichtung ist die Stadtbücherei im Kantorhaus Leipheim, die wahrscheinlich bereits Ende der 1940er-Jahre im Pfarrhaus gegründet wurde. "Bei uns geht es noch persönlich zu, und wir haben Zeit für unsere Leserschaft", sagt Uwe Geiger, der die Büchereileitung seit 2009 zusammen mit Petra Marczinzik-Geiger innehat. Manche Leser kämen aus den großen kommunalen Büchereien ins Kantorhaus, da dort die aktuellen Bücher nicht über Monate vergriffen seien.

Übrigens scheint die Mitarbeit in einer evangelischen Bücherei auch sehr attraktiv für Menschen zu sein, die sich in ihrer Freizeit engagieren möchten: In der Ehrenamtsevaluation der bayerischen Landeskirche im Jahr 2012 wurde deutlich, dass Mitarbeiter in den evangelischen öffentlichen Büchereien nach den Chorleitern wöchentlich die meiste Zeit für ihr Ehrenamt aufbringen: durchschnittlich acht Stunden.