Drei Gewinner, ein Verlierer - so sieht das Ergebnis der Wahl zur Synode der Evangelischen Landeskirche in Württemberg aus. Der theologisch konservative Gesprächskreis "Lebendige Gemeinde" (LG) hat im Vergleich zur Wahl 2013 acht Sitze weniger erreicht, nämlich 31, wie Wahlleiter Christian Schuler am Montag in Stuttgart bekanntgab. Wahlgewinner ist die Reforminitiative "Kirche für morgen" (KfM), die die Zahl ihrer Sitze von fünf auf zwölf mehr als verdoppelte. Insgesamt waren 90 Mandate durch die Wähler zu bestimmen.
Die theologisch liberale "Offene Kirche" (OK) konnte ihr Ergebnis von 2013 von 30 auf 31 Sitze verbessern. Damit sind die beiden größten Gruppen in der Landessynode künftig gleichstark. Die sogenannte Mitte-Gruppierung "Evangelium und Kirche" (EuK) vergrößert sich von 15 auf 16 Mandate.
Das Kirchenparlament für die knapp zwei Millionen württembergischen Protestanten entscheidet über die Verwendung der Kirchensteuer und verabschiedet kirchliche Gesetze. Außerdem werden die Synodalen eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für Bischof Frank Otfried July wählen, der spätestens im Juli 2022 in den Ruhestand geht. Die württembergische evangelische Kirche ist die einzige Landeskirche in Deutschland, in der die Synode unmittelbar vom Kirchenvolk gewählt wird.
Erika Schlatter-Ernst (OK) kündigte vor Journalisten in Stuttgart an, nun ein Klimaschutzgesetz vorantreiben zu wollen, das Kirche und Gemeinden zur Klimaneutralität bis 2035 verpflichte. Außerdem sollten Kürzungen bei Krankenhaus- und Gefängnisseelsorge zurückgenommen sowie die kirchliche Trauung für gleichgeschlechtliche Paare ermöglicht werden. Dekan Ralf Albrecht (LG) äußerte sich enttäuscht über das Abschneiden seines Gesprächskreises. Künftig seien die Gruppierungen in der Synode "noch mehr aufeinander angewiesen". Die LG setze sich weiterhin für Mission und starke Ortsgemeinden ein.
Der Stuttgarter Stadtdekan Søren Schwesig (EuK) hält seinen Gesprächskreis angesichts von Polarisierungen in der Kirche als "Mitte-Partei" für noch wichtiger als bisher. Es sollten weiter Brücken zwischen unterschiedlichen Positionen gebaut werden. Jens Schnabel (KfM) sieht im Erfolg seiner Gruppierung ein "deutliches Signal für einen Aufbruch". Künftig sollten zehn Prozent aller Ressourcen in Innovationen investiert werden. "Es braucht dringend ganz neue Formen von Kirche", sagte Schnabel.
Gerade die Landessynode könne keine Kopie eines weltlichen Parlaments sein, in denen Parteien ihre Interessen durchsetzten, sagte Landesbischof Frank Otfried July und fügte hinzu: "Es sind Einzelpersonen gewählt, mit ihren jeweiligen kirchenpolitischen Akzentsetzungen und geistlich gesellschaftlichen Anliegen." July dankte allen Kandidaten und Wahlhelfern und sprach trotz einer veränderten Zusammensetzung der Synode von Kontinuität: "Wir werden eine betende und eine gesellschaftlich engagierte Kirche sein und bleiben." Seiner Sicht nach könne gerade eine Synode in den Umbruchszeiten dieser Tage und in dieser Gesellschaft deutlich machen: Unterschiede und Gemeinsamkeiten gelte es auszusprechen und Konzeptionen gemeinsam im Respekt vor den je anderen Vorstellungen und mit einer gemeinsamen Orientierung zu erarbeiten. "Wir wollen nicht die Fliehkräfte und das Nicht-verstehen Wollen bedienen, sondern den Zusammenhalt", sagte July. So könne eine Synode auch ein gutes Beispiel evangelischer Kirchenleitung geben. Wahlleiter Schuler wies darauf hin, dass 60 der 90 gewählten Synodalen neu im Kirchenparlament sind. Der Altersdurchschnitt aller Synodalen liege bei 51 Jahren.
Unter den prominenten künftigen Synodalen ist der CDU-Landtagsabgeordnete Karl-Wilhelm Röhm ("Lebendige Gemeinde"). Der Antisemitismusbeauftragte der Landesregierung, Michael Blume ("Evangelium und Kirche"), der erstmals kandidierte, verpasste im Wahlkreis Stuttgart den Einzug in die Synode. Zu wenige Stimmen für einen Wiedereinzug ins Kirchenparlament erhielten unter anderem der bisherige Vorsitzende des synodalen Finanzausschusses, Michael Fritz, und Fernsehpfarrer Heiko Bräuning (beide "Lebendige Gemeinde").
Die Wahlbeteiligung betrug knapp 23 Prozent und lag damit 1,4 Prozentpunkte niedriger als bei der vorangegangenen Wahl. Den höchsten Wähleranteil mobilisierte mit 29,7 Prozent der Wahlkreis Crailsheim/Blaufelden/Weikersheim, den geringsten mit 15,8 Prozent der Wahlkreis Tuttlingen/Balingen.