"Der Minister" (2013) zum Beispiel war eine ausgezeichnete Parabel über Aufstieg und Fall des Polit-Popstars zu Guttenberg. "Die Schlikkerfrauen" (2014) über den Zusammenbruch des Schlecker-Imperiums ist dagegen nicht die ganz große Sozialkomödie geworden, und auch "Die Udo Honig Story" (2015) hatte trotz der verblüffend authentisch wirkenden Verkörperung von Bayern-Boss Uli Hoeneß durch Uwe Ochsenknecht deutliche Schwächen. "Der König von Köln" ist zwar im Auftrag des WDR entstanden, aber die Satire über Karneval, Kölsch und Korruption hat ganz ähnliche Schwächen wie die Sat.1-Filme, zumal die Namen der beiden Grimme-preisgekrönten kreativen Köpfe große Erwartungen wecken: Das Drehbuch ist von Ralf Husmann ("Stromberg", "Dr. Psycho"), Regie führte Richard Huber ("Dr. Psycho"); die Besetzung ist ebenfalls vorzüglich.
Husmann erzählt die Geschichte eines jungen Mitarbeiters aus dem Baudezernat, der unversehens zum Leiter der Behörde aufsteigt, als sein jovialer Chef (Joachim Król) im Bordell einen Herzinfarkt erleidet. Andrea di Carlo (Serkan Kaya) gerät mehr oder weniger unfreiwillig in eine Spirale, aus der es kein Entrinnen gibt: In der Stadt läuft praktisch nichts ohne Josef Asch (Rainer Bock), dessen Geschäftsgebaren an die Praxis eines Mafiapaten erinnert. Wenn jemand ein Problem hat, wendet er sich an den "Polier"; der wiederum fordert bei Gelegenheit eine Gegenleistung für die vielen kleinen Gefälligkeiten. Auch Di Carlo steht schließlich in seinem kleinen schwarzen Notizbuch, und als die Stadt Köln ein neues Gebäude für die Stadtverwaltung braucht, soll er dafür sorgen, dass der viele hundert Millionen Euro schwere Auftrag ohne Ausschreibung bei Asch landet. Den Rahmen der Realsatire bilden die Vernehmungen durch eine junge Staatsanwältin (Eva Meckbach), die als einzige der handelnden Personen über einen klaren moralischen Kompass verfügt, was vielleicht daran liegt, dass keine Kölnerin ist.
Die Geschichte hätte eine wunderbare Satire auf den auch überregional berüchtigten "Kölschen Klüngel" werden können, aber Ideengeber Michael Souvignier, Chef der für viele Filme über zeitgeschichtliche Ereignisse verantwortlichen Produktionsfirma Zeitsprung Pictures ("Das Wunder von Lengede", "Contergan", "Der Fall Barschel") wollte mehr; und deshalb musste Husmann, der eine zumindest verwandte Geschichte bereits mit der charmanten Hochstaplerkomödie "Vorsicht vor Leuten" erzählt hat, auch noch den Arcandor-Niedergang (Karstadt, Quelle) einbauen. Auf diese Weise kann sich immerhin Jörg Hartmann als vermeintlicher Magier profilieren, der den Konzern quasi durch Handauflegen vor der Pleite retten soll. Weil aber auch der Manager nach der Pfeife des "Poliers" tanzt, kommt es, wie es kommen muss: Der von Rainer Bock mit dem nötigen Ernst als neureicher Kaschmir-Prolet verkörperte Asch bringt seine Schäfchen ins Trockene, das Unternehmen fährt vor die Wand.
Etwas kindisch wirken allerdings die Verballhornungen der authentischen Beteiligten: Aus der Unternehmerfamilie Schickedanz wird Dickeschanz, die Kölner Privatbank Oppenheim, die schließlich zum Hauptaktionär von Arcandor wurde, heißt hier Hoppenheim, und aus dem Überflieger Middelhoff wird Middeldorf. Diese Ebene des Films leidet zudem erheblich darunter, dass die Beteiligten nicht satirisch überspitzt, sondern karikiert werden, weshalb einige zur Witzfigur geraten sind. Während es Hartmann gelingt, seinen Middeldorf geschickt in der Schwebe zu halten, ist Valerie Dickeschanz (Judith Engel) ein ätherisches Wesen ohne Bezug zur Realität, das in seiner eigenen Puppenwelt lebt. Ebenfalls zu dick aufgetragen ist das Spiel von Ulrich Brandhoff als schöngeistiger Sohn des Bankhauschefs (Ernst Stötzner). Dass so etwas trotzdem funktionieren kann, beweist Joachim Król, der den Bauamts-Chef als Klischee der rheinischen Frohnatur verkörpert. Außerhalb des Rheinlands wird man seinen Dialekt vermutlich auch als authentisch empfinden. Trotzdem ist es seltsam, dass die einzige Figur des Films, die Kölsch nicht nur trinkt, sondern auch spricht, von einem Westfalen verkörpert wird. Der Schauspieler lebt zwar schon lange in Köln, aber zumindest für rheinische Ohren klingt sein Dialekt wie ein Imitat.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Ganz und gar einheimisch ist dagegen das Liedgut, das über weite Strecken eine Filmmusik ersetzt, zumal die Lieder von Kölner Idolen wie Willy Millowitsch, Tommy Engel (mal solo, mal mit LSE) oder Brings gern auch als Kommentar zur Handlung eingesetzt werden. Gleich zu Beginn erklingt quasi leitmotivisch "Wer soll das bezahlen" von Jupp Schmitz. Husmann ist übrigens ebenfalls Westfale. Nur so ist zu erklären, dass der Saustall schließlich von der Kavallerie aus Düsseldorf aufgeräumt wird; zu einer derartigen Selbstverleugnung wäre ein Kölner nie fähig.