Butzbach, Berlin (epd). Der Prozess gegen den Berliner Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner in der Türkei geht am 27. November mit den Abschlussplädoyers weiter. Wann es zu einem Urteil kommt, sei unklar, sagte Steudtner am Sonntagabend in Butzbach dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es könne Freispruch oder fünf bis 15 Jahre Haft lauten. Der Aktivist und Dokumentarfilmer berichtete in der Butzbacher Markuskirche über seine Haft in der Türkei zwischen Juli und Oktober 2017.
Steudtner, der als Trainer für Menschenrechtsorganisationen arbeitet, war am 5. Juli 2017 während eines Seminars zusammen mit anderen Teilnehmern verhaftet worden. Die zehnköpfige Gruppe wurde als "Istanbul 10" bekannt. Die Anklage der türkischen Justiz laute auf Unterstützung und Finanzierung von drei bewaffneten terroristischen Organisationen, sagte Steudtner dem epd. Es gebe keine Beweise, Zeugen seien unglaubwürdig und hätten sich widersprochen, berichtete er in der Markuskirche. "Es muss einen Freispruch für uns geben." Der Prozess findet in seiner Abwesenheit statt.
Zu seiner Freilassung im Oktober 2017 habe ein "Mosaik" beigetragen, sagte Steudtner. Unter anderen hätten sich der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und der damalige Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) für ihn eingesetzt. Auch die türkische Zivilgesellschaft habe ihn sehr unterstützt.
Die Bundesregierung habe gesagt, dass sie ihn nicht ausliefern werde. "Aber meine Mitgefangenen der Istanbul 10 kann es treffen, sollte es zu Haftstrafen kommen." Sie seien türkische Menschenrechtsaktivisten.
Durch das Gerichtsverfahren sei seine Arbeit als internationaler Trainer für Nichtregierungsorganisationen "erheblich" eingeschränkt, sagte Steudtner. In einigen Ländern drohe ihm die Festnahme, wenn die türkische Justiz überraschend einen Auslieferungsantrag stellte. Da ein Terrorverdacht gegen ihn bestehe, könnte er in bestimmten Ländern auch zu einer Gefahr für die dortigen Menschenrechtsorganisationen werden.
Steudtner wurde in der Türkei an vier verschiedenen Orten festgehalten. Unter anderem war er zeitgleich mit dem Korrespondenten der "Welt", Deniz Yücel, inhaftiert, der im Oktober das Buch "Agentterrorist" über seine Haft veröffentlichte. Steudtner erzählte, dass ihn im Gefängnis eine Welle der Solidarität getragen habe, etwa seiner Kirchengemeinde in Berlin, der Gethsemane-Gemeinde, die tägliche Fürbitten organisierte.