Zwischen Eintreten für Gerechtigkeit und "Gesinnungsethik"

"Kirche und Migration" ist das Hauptthema der bevorstehenden westfälischen Landessynode.
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Kritik gibt es am Papier "Kirche und Migration" der westfälischen Kirche, da darin Grundfragen ignoriert würden, was es etwa bedeute, wenn zwar ein Recht auf Asyl, nicht aber auf Migration bestehe.
Zwischen Eintreten für Gerechtigkeit und "Gesinnungsethik"
Kontroverse Debatte über Migrationspapier der westfälischen Kirche
"Kirche und Migration" ist das Hauptthema der bevorstehenden westfälischen Landessynode. Die Vorlage wird schon vorab kontrovers diskutiert, die Reaktionen reichen von Zustimmung bis zu heftiger Kritik. Das verspricht eine lebhafte Debatte.

Ein Jahr lang hat die westfälische Kirche auf allen Ebenen über das Thema "Kirche und Migration" diskutiert, auf der am Sonntag startenden Landessynode soll nun Bilanz gezogen werden. Die Reaktionen auf das im Internet veröffentlichte Diskussionspapier sind höchst unterschiedlich. Ein Schreiber äußert sich auf der eigens zu dem Thema eingerichteten Webseite der westfälischen Kirche dankbar, "dass sich die Kirche sich dieses wichtigen Themas annimmt und es so in der Öffentlichkeit hält".  Ein anderer ist dagegen der Meinung, Einwanderung politisch oder religiös motiviert zu fördern, sei "ein Unsinn und gegen die göttliche Ordnung".

Der Vergleich der heutigen Migration mit Bibelgeschichten erscheine ein wenig blauäugig, wendet eine weitere Userin ein. Laut der Diskussionsvorlage erzähle die Bibel von Menschen, die ihr Migrationsgeschick nicht nur tragen würden, sondern es gestalteten und für andere fruchtbar machten. Wie könne aber ein Mensch, der in einem Lager in Libyen festsitze oder in Italien auf der Straße lebe, sein Migrationsgeschick fruchtbar machen?

In der Vorlage "Ich bin fremd gewesen, und ihr habt mich aufgenommen" werden biblische Positionen zu Flucht und Migration beschrieben und Herausforderungen einer Migrationsgesellschaft benannt, außerdem wird deutlich Position gegen Fremdenhass bezogen. Die Themen der Diskussion reichen von theologischen Bewertungen bis zu politischen Forderungen. 

Kritik am Papier

Der Industrie- und Sozialpfarrer im Kirchenkreis Recklinghausen, Hans Hubbertz, kritisiert, es gebe kein theologisch ausformuliertes Paroli gegenüber der Demagogie der Neuen Rechten. Das Papier sei eine "nahezu rundgefeilte, gesinnungsethische Positionierung". Außerdem vermisse er die Darstellung gegnerischer Positionen. Ignoriert würden zudem Grundfragen, was es etwa bedeute, wenn zwar ein Recht auf Asyl, nicht aber auf Migration bestehe. Oder wie der Anspruch eines kulturellen Pluralismus mit den gemeinsamen Überzeugungen in einer Einwanderungsgesellschaft in ein Gleichgewicht gebracht werden könne. 

Besonders hart geht der Bochumer Theologieprofessor Günter Thomas mit der Vorlage ins Gericht. Sie sei ein "Ausdruck geistlicher Mutlosigkeit und Verweigerung von Orientierung". Wer einen Sozialstaat wolle, müsse auch hinter einem funktionierenden Nationalstaat stehen, der Grenzen ziehe, schreibt der Theologe in einer Stellungnahme, die er an alle westfälischen Kirchenkreise gemailt hat und die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt.

Wenn in jedem Fremden die Gegenwart Christi gesehen werde, werde jeder Zurückweisung an irgendeiner Grenze der Welt die theologische, moralische und politische Berechtigung entzogen, kritisiert Thomas. Er fordert eine Unterscheidung zwischen in ihrer Heimat verfolgten Flüchtlingen und Migranten, die ein besseres Leben suchen. 

Der landeskirchliche Migrationsbeauftragte Helge Hohmann verteidigt hingegen den Ansatz des Diskussionspapiers. Es sei nicht Aufgabe der Kirche, Grenzen der Aufnahme von Flüchtlingen zu benennen, sagte Hohmann dem epd. Ihre Aufgabe sei es vielmehr, für legale und sichere Wege für Flüchtlinge nach Deutschland und Europa einzutreten. Die Vorlage teile bewusst nicht in "echte" Flüchtlinge und "Wirtschaftsflüchtlinge" auf. Auch Armut als Fluchtgrund habe zudem in der Regel ihre Ursachen in Kriegen, Bürgerkriegen oder dem Klimawandel.

Der Leiter des landeskirchlichen Instituts für Kirche und Gesellschaft, Klaus Breyer, sieht die Aufgabe der Kirche darin, zum friedlichen Zusammenhalt der multikulturellen Migrationsgesellschaft beizutragen. Das tue sie, indem sie für soziale Gerechtigkeit eintrete, die auch Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte einbeziehe, sagte der Theologe dem epd. "Dabei formuliert sie auch klar Grenzen der Toleranz, wo menschenfeindliche, rassistische und antisemitische Agitation betrieben wird."