TV-Tipp: "Käthe und ich: Dornröschen" (ARD)

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TV-Tipp: "Käthe und ich: Dornröschen" (ARD)
1.11., ARD, 20.15 Uhr
Wenn Hunde in Filmen oder Serien eine wichtige Rolle spielen, dann meist als vierbeinige Kollegen eines Polizisten. In der neuen Freitagsreihe "Käthe und ich" ist das ganz anders: Die Titelheldin ist ein Therapiehund und sorgt gemeinsam mit dem Psychologen Paul (Christoph Schechinger) dafür, dass Patienten in schwierigen Situationen wieder ins Leben zurückfinden.

Im Auftaktfilm, "Dornröschen", sollen die beiden einer Frau beistehen, die die letzten fünf Jahre im Wachkoma verbracht hat. Nach der Rückkehr ihres Bewusstseins ist Maria Thalbach (Muriel Baumeister) in eine Rehaklinik verlegt worden. Sie macht zwar erstaunlich flotte Fortschritte, aber es gibt auch ein erhebliches Problem, und deshalb bitte Pflegedienstleiterin Möller (Mariele Millowitsch) Paul um Hilfe: Marias Motivation ist die schnellstmögliche Rückkehr in ihr altes Leben zu Ehemann Johannes (Stephan Szász) und Tochter Johanna (Amely Trinks). Das Mädchen ist acht und hat praktisch keine Erinnerungen an seine Mutter. Damit ließe sich sicher leben, aber ins einstmals gemeinsame Heim ist längst eine neue Frau eingezogen, die umgehend auch die Mutterrolle für Johanna übernommen hat. Paul soll Mutter und Tochter helfen, wieder zueinander zu finden.

Drehbuchautorin und Produzentin Brigitte Müller hat schon bei der ARD-Reihe "Die Eifelpraxis" gezeigt, wie gut sie es versteht, interessante medizinische Phänomene mit der privaten Ebene der Hauptfigur zu kombinieren. Dieser Erzählstrang ist in "Dornröschen" sehr geschickt integriert, weil Paul immer wieder mal in Gedanken an seine große Liebe versinkt. Die entsprechende Romanze hätte das Zeug zu einem eigenen Film: Obwohl er sich überhaupt nicht für Ballett interessiert, hat der Psychologe seine (platonische) Freundin Jule (Mona Pirzad) zu einer Aufführung begleitet und sich Herz über Kopf in die international bekannte Solotänzerin verliebt. Ein erster Annäherungsversuch scheitert komplett, aber unter einem Vorwand gelingt es ihm, sich mit Erina (Nadja Bobyleva) zu verabreden. Die Primaballerina lässt ihn jedoch erst mal ziemlich kühl abblitzen, denn ihr ist nicht entgangen, dass er zu Beginn der Vorstellung mehr auf sein Tablet als auf die Bühne geschaut hat.

In der Gegenwart spielt Erina jedoch gar keine Rolle, weshalb man sich schließlich fragt, ob ihr etwas zugestoßen sein muss. Die Antwort sorgt für eine überraschende Verknüpfung mit dem in sich abgeschlossenen Erzählstrang. Beide sind in eine dritte Erzählebene gebettet: Paul lebt gemeinsam mit Jule, ihrem Mann Aaron (Ben Braun) und deren beiden Kindern auf einem renovierten Gutshof. Aaron und Jule haben eine gemeinsame Tierarztpraxis und sind seit 16 Jahren verheiratet. Die körperlichen gegenseitigen Anziehungskräfte funktionieren schon seit einiger Zeit nicht mehr, aber auch in dieser Hinsicht weiß Paul Rat. Es sind ohnehin in erster Linie das Drehbuch und die Darsteller, die "Dornröschen" zu einem besonderen Film machen; die Inszenierung orientiert sich dagegen an den üblichen Maßstäben des Freitagsfilms. Drehort war die Gegend rund um die Müritz, und Philipp Osthus hat dafür gesorgt, dass die Landschaft angemessen zur Geltung kommt; Nebel und Sonnenuntergang über dem See liefern wunderschöne Bilder (Kamera: Joachim Hasse).

Der Regisseur hat in den letzten Jahren ausschließlich Episoden für Serien wie "Hubert und Staller" oder "Großstadtrevier" gedreht. "Dornröschen" ist jedoch nicht sein erster Fernsehfilm: Sein Debüt war der gar nicht so schlechte Fortsetzungs-Thriller "Gonger 2 – Das Böse kehrt zurück" (2010, ProSieben). Serien sind erfahrungsgemäß eine gute Schule, wenn auch nicht hinsichtlich einer eigenen Regiehandschrift, aber die ist bei Reihen ebenso wenig gefragt. Umso mehr lernt man über die Arbeit mit Schauspielern, und die sind in "Dornröschen" ausnahmslos sehenswert. Das gilt vor allem für Christoph Schechinger, und es spricht für den Mut der zuständigen ARD-Tochter Degeto, die Hauptrolle einem vergleichsweise unbekannten Darsteller anzuvertrauen; selbst wenn Schechinger sein großes Talent unter anderem bereits in den Freitagskomödien "Kleine Schiffe" (2013) und "Zwei Bauern und kein Land"  (2017) bewiesen hat. Hündin Hoonah ist ihm eine ebenbürtige Partnerin. Australian Shepherds sind bekannt für ihre Intelligenz und ihre Lernwilligkeit, Tiertrainerin Carolin Zeidler hat ganz offensichtlich ausgezeichnete Arbeit geleistet.

Schade nur, dass auch diesmal nicht auf eine übliche Unart verzichtet worden ist: Ständig gibt der Hund irgendwelche Geräusche von sich, die ihm allerdings erst im Nachhinein mit Hilfe des Sounddesigns ins Maul gelegt worden sind; Zwischenschnitte suggerieren außerdem, Käthe würde die Handlung mimisch kommentieren. Beides hat der Film ebenso wenig nötig wie die gefühligen Popsongs, die an bestimmten Schlüsselstellen für zusätzliche Emotionalisierung sorgen sollen; eine weitere Unart der Freitagsfilme im "Ersten", zumal die eigentliche Filmmusik (Maurus Ronner) sehr hörenswert ist.

Ein angenehmer Kontrast zum vermeintlichen Überagieren des Hundes ist das sparsame Spiel von Nadja Bobyleva, die den Ballettstar zunächst sehr distanziert und mit kerzengerader Haltung verkörpert. Christoph Schechinger braucht ebenfalls nicht viel sichtbaren Aufwand, um Pauls Empathie zu vermitteln. Sehr sympathisch ist auch die Rolle für Mariele Millowitsch: Weil die selbstbewusste Pflegedienstleiterin ständig ihrem ignorantem Klinikleiter (Stephan Schad) die Meinung sagt, wird sie schließlich gefeuert; im nächsten Film (8. November) ist sie zum Glück trotzdem wieder mit dabei.