Die ZDF-Krimireihe "Ein starkes Team" leidet ohnehin seit einiger Zeit darunter, dass Linett Wachow (Stefanie Stappenbeck) und Otto Garber (Florian Martens) viel Zeit im Revier verbringen, um ihren Chef Reddemann (Arnfried Lerche) über die Ermittlungsergebnisse zu informieren. Beruflich ist das verständlich, für den Spannungsverlauf eines TV-Krimis jedoch kontraproduktiv, weil die Handlung quasi auf der Stelle tritt. Bei "Seilschaften", der 79. Episode der Reihe, gibt es besonders viel Erklärungsbedarf. Einerseits ist die personelle Komplexität des Drehbuchs von Timo Berndt durchaus eindrucksvoll, andererseits hat er die Beziehungen zwischen den handelnden Personen reichlich kompliziert gestaltet. Auf diese Weise ist ein Ensemble entstanden, das immer wieder neue Querverbindungen offenbart, weshalb das Geflecht zunehmend verwirrender wird. "Ich hab’s auch nicht gleich begriffen", gesteht Garber, womit er nicht alleine ist. Umso seltsamer, dass Berndt nicht auf den naheliegenden Gedanken gekommen ist, die Ermittler eine entsprechende Grafik zeichnen zu lassen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die Handlung beginnt klassisch, ist aber originell eingefädelt: Das getrennt lebende Ehepaar Maischen (Max Simonischek, Chiara Schoras) hat Krach. Hannes arbeitet als Subunternehmer für einen Baulöwen, Maike steht mit ihrem selbstorganisierten Bürgertreff einem lukrativen Auftrag im Weg. Also fährt der Gatte mit seinem Radlader alles kurz und klein und kippt zur Krönung eine Ladung Kies auf Maikes Auto. Auf diese Weise kommt eine Leiche zum Vorschein, die eine Entwicklung in Gang setzt, in deren Verlauf zwei weitere Menschen sterben. Der Tote ist der Stiefsohn von Dietmar Vierach (Rolf Kanies), einem Mitglied des Bausenats. Dem Mann wird schon geraume Zeit nachgesagt, eine enge Kooperation mit dem Baulöwen Carstens (Sebastian Bezzel) zu betreiben. Der Fall scheint klar, als sich rausstellt, dass der junge Mann auf Betreiben seiner Mutter (Johanna Gastdorf) belastendes Material gegen den Stiefvater gesammelt hat. Dann sorgt Berndt jedoch dafür, dass Wachow, Garber und Klöckner (Matthi Faust) den Überblick verlieren, zumal er die Querverbindungen erst später preisgibt: Eine Prostituierte hat gleichzeitig Beziehungen zu Vater und Sohn. Der wiederum ist angeblich in eine Frau verliebt, die sich um ihren schwerstbehinderten Bruder kümmert; später entpuppt sich der Mann allerdings als ihr Gatte. Die Prostituierte fällt schließlich Carstens’ Mann fürs Grobe zum Opfer, weil Vierachs Stiefsohn ihr sein Material überlassen hat. Und Chiara Schoras und Max Simonischek wirken selbstredend nicht nur mit, um die Leiche zu finden: Der Fall hat eine Vorgeschichte, in die das Ehepaar Maischen auf besonders tragische Weise involviert ist.
Angesichts der Unübersichtlichkeit ist die Comedy-Ebene, sonst oft ein Fremdkörper in den Filmen der Reihe, fast schon eine Wohltat. Ex-Kollege und Revier-Faktotum Sputnik (Jaecki Schwarz) hat sich eines pensionierten Polizeihunds angenommen: Juri darf den Einstieg in den Lebensabend in den Diensträumen verbringen, bis sich ein neues Zuhause findet. Garber und Klöckner fremdeln erst mal ein bisschen, aber dann ist der Hund durchaus willkommen. Auf den Film wirkt sich das ebenfalls wohltuend aus, weil der Vierbeiner direkt oder indirekt für kleine Gags sorgt; zur Not auch mal unsubtil und anrüchig. Mit Hilfe von Juris Leckerlis erklärt Klöckner schließlich die raffinierte Methode, mit der Baulöwe und Bausenatsmitglied ihre Korruptionsgeschäfte gedeichselt haben.
Der Rest ist unauffällig, aber solide inszeniert. Dass allzu routinierte Spiel gerade von Rolf Kanies und Johanna Gastdorf wirkt allerdings, als hätte sich Regisseur Johannes Grieser zu sehr auf ihre Erfahrung verlassen. Auch Sebastian Bezzel gewinnt dem zynischen Bauunternehmer keine überraschenden Seiten ab; wer im Fernsehfilm einen Behinderten "Krüppel" nennt, ist ohnehin als Schurke stigmatisiert. Angesichts der vielen und gelegentlich auch etwas ermüdenden Dialoge sorgt eine Verfolgungsjagd, als Carstens’ Scherge (Christian Koerner) die Prostituierte (Johanna Ingelfinger) durch ein verlassenes Gebäude hetzt, für willkommene Abwechslung; endlich darf auch die Musik (Jens Langbein, Robert Schulte Hemmig) Akzente setzen. Ansonsten ist es allein Florian Martens, der mit Garbers trockenen Kommentaren für ein bisschen Auflockerung sorgt.
Die Dialoge sind ohnehin immer wieder witzig, wenn sie nicht gerade – was allerdings meistens der Fall ist – der Informationsvermittlung dienen. Und endlich stellt eine Rechtsmedizinerin (Eva Sixt) mal richtig, dass ihr Arbeitsbereich keineswegs die Pathologie ist. Davon abgesehen ist die Dame dank ihres eigenwilligen Humors ähnlich schräg wie die meisten anderen (TV-)Mitglieder ihrer Zunft. Um ein besserer Krimi zu sein, besteht "Seilschaften" ohnehin aus zu vielen Versatzstücken. Und dass Garber ohne weiteres zur Tagesordnung übergeht, nachdem er einen Menschen erschossen hat, passt auch nicht zur bemühten Realitätsnähe des Films.