Bremen (epd). Der Autor und Philosoph Alexander Grau sieht in der "Fridays-for-Future-Bewegung" einen "brachialen Ausdruck intellektuellen Kitsches". Im Bremer "Weser-Kurier" (Dienstag) warf er der Bewegung naive Radikalität, eine vereinfachte Weltsicht und die Weigerung vor, Komplexität wahrzunehmen. "Die pathetischen, überzogenen und hoch emotionalen Äußerungen Greta Thunbergs während der Klimakonferenz werden der Situation nicht gerecht, und darin liegt eine Gefahr", sagte Grau dem Blatt. Das sei "politischer Kitsch".
Grau hat sich mit dem Thema in einem Buch mit dem Titel "Politischer Kitsch - eine deutsche Spezialität" beschäftigt. Politischer Kitsch sei eine überzogene, penetrante und gefühlige Art, politische Inhalte zu kommunizieren, führte der Publizist aus. "Dazu gehören sentimentale Worthülsen, süßliche Metaphern, betroffenheitsschwangere Rhetorik, aber auch Inszenierungen im öffentlichen Raum: Mahnwachen, Lichterketten, Schweigemärsche und Ähnliches", sagte er der Zeitung. Allerdings sei politischer Kitsch kein neues Phänomen, sondern ein typisches Zeichen der Moderne.
Das kitschige Weltbild werde von Emotionen getragen, nicht von Fakten, erklärte Grau. Wer nicht dafür sei, sei dagegen, wer nicht Freund, sei Feind. "Das ist für jeden Diskurs tödlich und steht der Lösung komplexer Probleme im Wege", betonte er. Kitschiges Denken führe zu einer dysfunktionalen Gesellschaft und gefährde die Demokratie: "Kitsch ist im Kern autoritär."
Im Gegensatz dazu sei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die unkitschige Person schlechthin. "Sie ist weitgehend emotionslos und extrem diszipliniert", sagte Grau. Das sei auch bundesrepublikanische Tradition. In Deutschland habe sich die kitschige Politik-Kommunikation vor allem aus dem nicht-professionellen Bereich entwickelt, von Kirchentagen, Demonstrationen und aus Nichtregierungsorganisationen: "Das ändert sich aber langsam, der Kitsch dringt in die Politik vor."