Brüssel, Berlin (epd). Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will am Dienstag dafür werben, dass sich auch andere EU-Länder zur Aufnahme von auf dem Mittelmeer geretteten Flüchtlingen bereiterklären. Beim Innenministerrat in Luxemburg steht der auf Malta zwischen Deutschland, Frankreich, Italien und Malta vereinbarte Notfallmechanismus auf dem Programm. Seehofer sieht diesen als wichtiges Signal für die EU-Flüchtlingspolitik insgesamt.
Eine "Riesenzahl" werde sich wohl noch nicht anschließen, hieß es allerdings aus Brüsseler Diplomatenkreisen vor dem Treffen. Nicht einmal Länder wie Luxemburg oder Irland, die sich in der Vergangenheit an fallweise organisierten Umverteilungen angelandeter Flüchtlinge beteiligten, wollten im Vorfeld konkrete Zusagen machen. Weitere wie Ungarn und Polen sperren sich grundsätzlich gegen Umverteilungen, wieder andere halten sich bedeckt.
In Berlin dämpfte das Bundesinnenministerium am Montag die Erwartungen. Ein formeller Beschluss sei nicht zu erwarten, sagte ein Sprecher. Vielmehr solle erneut um Beteiligung geworben werden. Dies erreiche man nicht, indem man ein "Ja oder Nein" von den anderen Ministern fordere. Wenn ein Kreis von Staaten zustimmt, solle der Mechanismus möglichst bald inkraft treten, sagte der Sprecher. Auf Malta hatte Seehofer in Aussicht gestellt, dass er um den 9. Oktober, also um Mittwoch herum, starten könnte.
Der Notfallmechanismus soll verhindern, dass Schiffe mit geretteten Migranten tage- bis wochenlang auf dem Mittelmeer ausharren müssen. Italien und Malta hatten lange Zeit ihre Häfen erst dann geöffnet, nachdem sich andere EU-Staaten zur Aufnahme bereiterklärten. Nun würden sich die Beteiligten im Vorhinein dazu verpflichten. Feste Aufnahmequoten sieht die Malta-Vereinbarung nicht vor, allerdings hat Deutschland die Aufnahme von jedem vierten Migranten zugesagt. Der zunächst auf sechs Monate ausgelegte Mechanismus ist freiwillig und könnte vorzeitig gekündigt werden.
Die Zahlen der auf der zentralen Mittelmeerroute zwischen Libyen und Italien und Malta geretteten Migranten ist vergleichsweise gering. Allerdings sieht Seehofer, wie er auf Malta klarmachte, den Notfallmechanismus auch als Signal für eine Wende in der EU-Flüchtlingspolitik insgesamt, hin zu mehr Einigkeit und Handlungsfähigkeit. Hier herrscht seit Jahren Streit. Nach aktuellem EU-Recht sind die Ersteinreiseländer, also de facto meist die Mittelmeeranrainer, für Asylbewerber zuständig. Verschiedene Ansätze, ihnen einen Teil abzunehmen, trafen auf den Widerstand der Länder, die partout keine Flüchtlinge haben wollen.
Vor diesem Hintergrund kündigte Seehofer erst am Wochenende aus Anlass seiner Reise in die Türkei und nach Griechenland an, sich in der EU dafür einzusetzen, "dass die Interessen der Außengrenzstaaten stärker berücksichtigt werden".
Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) begrüßte unterdessen, dass die EU-Länder eine Einigung anstrebten. Das Projekt "wäre ein erster Schritt hin zu einer dauerhaft verlässlichen Lösung der EU-Seenotrettung", erklärte die SVR-Vorsitzende Petra Bendel. "Diese ist ein Baustein der überfälligen Reform des Dublin-Systems und der Schutzstandards des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems."
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