TV-Tipp: "Seegrund. Ein Kluftingerkrimi" (NDR)

Alter Fernseher vor gelber Wand
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Seegrund. Ein Kluftingerkrimi" (NDR)
12.9., NDR, 22.00 Uhr
Als die Zuschauerzahlen irgendwann zu sinken begannen, hat die ARD den Kemptener Kommissar Kluftinger in Rente geschickt; das ist außerordentlich schade, aber leider der Lauf der Dinge. Bedauerlich ist das vor allem für Herbert Knaup, denn wenn man sieht, wie der Schauspieler in dieser Figur aufgeht, dann ahnt man: Das ist die Rolle seines Lebens.

Dass der Allgäuer den Eigenbrötler so sprechen darf, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, hat naturgemäß enormen Anteil an der Authentizität der Figur. Und weil Knaup dem Kluftinger so viel Seele mitgibt, klingen selbst die mehr geknurrten als gesprochenen Flüche irgendwie sympathisch. Dabei hat der unleidliche Beamte in seinem dritten Fernsehfall (eine Wiederholung aus dem Jahr 2013) besonders viel Grund zu schlechter Laune, zumal er eher zufällig in eine Geschichte stolpert, die ihn schließlich über die Grenzen der Wahrnehmung trägt: Bei einem Ausflug an den Alatsee in der Nähe von Füssen entdecken Kluftinger und seine Familie einen vermeintlich leblosen Taucher.

Der Mann entpuppt sich später allerdings als zumindest halbwegs lebendig. Was Kluftinger für Blut hält, ist das Wasser des Sees, der aufgrund seines starken Gehalts an Purpur-Schwefelbakterien eine rote Schicht enthält. Deshalb gilt hier auch ein striktes Tauchverbot, weil man unter Wasser leicht die Orientierung verliert, und so ist die Frage, was der Mann im See gesucht hat, mindestens ebenso spannend wie die Suche nach dem Täter. Ganz abgesehen von den wilden Mythen, die den See umranken: Die Einheimischen halten das Gewässer einem alten Aberglauben zu Folge für das Tor zur Hölle. 

Weil die Kulftinger-Filme – alle drei wurden von Rainer Kaufmann inszeniert – fast noch stärker vom Lokalkolorit leben als die Romanvorlagen des Duos Michael Kobr und Volker Klüpfel, wird der eigentliche Fall auch dank der enormen Präsenz Knaups fast zweitrangig, zumal sich eine weitere Personalie in den Vordergrund schiebt: Da der Alatsee zu Füssen gehört, ist Kluftinger im Grunde gar nicht zuständig und muss sich nun mit der reichlich gewöhnungsbedürftigen Kommissarin Friedel Marx rumschlagen. Catrin Striebeck reduziert die Dame konsequent auf drei Merkmale, wodurch sie fast zur Karikatur wird: breites Grinsen, flotter roter Sportwagen und Zigarillo im Mund. Kluftinger ist die Kollegin auf Anhieb unsympathisch, weshalb er nichts unversucht lässt, ihr eins auszuwischen. Das ist gar nicht so einfach, denn der arme Mann ist über weite Strecken der Geschichte nicht Herr seiner selbst: Beim Sturz in den See hat er eine Menge Wasser geschluckt und wird nun regelmäßig in den ungeeignetsten Momenten von Halluzinationen heimgesucht.

Über diese Wahrnehmungsverschiebungen hat sich vermutlich vor allem Klaus Eichhammer gefreut: Die Bildsprache von Kaufmanns Stammkameramann trägt für einen Fernsehfilm mitunter fast experimentelle Züge. Ohnehin sorgt die Bildgestaltung, die den Blickwinkel je nach Situation mal verengt, mal weitet, immer wieder dafür, dass der tragikomische Held mitunter ausgesprochen skurril wirkt. Auf de anderen Seite verhindert Knaups formidable Darstellung, dass Kluftinger zur lächerlichen Gestalt wird. Ganz gleich, was dem bedauernswerten Kommissar auch widerfährt: Seine Würde verliert er nie. Die Contenance schon eher, aber das ist angesichts des Dauertrips nach dem Bad im See und der lästigen Kollegin aus Füssen gut nachzuvollziehen.