Weil ihre Bücher (erschienen bei Bastei Lübbe) handlungsreich und kurzweilig sind, eignen sie sich besonders gut für Verfilmungen; das ZDF hat für seinen "Herzkino" genannten Frauenfilmsendeplatz am Sonntagabend schon mehrere Romane adaptiert, darunter mit großem Erfolg "Die Mütter-Mafia". "Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner" erzählt gleichfalls eine filmreife Geschichte: Durch ein Wunder bekommt Kati die Chance, die letzten fünf Jahre noch mal zu erleben. Nach einem Unfall erwacht sie just an jenem Tag, als sie ihren Mann Felix das erste Mal getroffen hat. Die Ehe ist dabei, an den Mühen der Ebene zu scheitern. Felix ist mittlerweile Oberarzt; Kati fühlt sich vernachlässigt und hat sich in den Künstler Mathias verliebt. Anstatt all das noch mal zu erleben, beschließt sie, sich den Eheumweg zu ersparen und Mathias direkt kennenzulernen; aber so leicht lässt sich das Schicksal nicht austricksen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die Handlung ist der perfekte Komödienstoff; umso erstaunlicher, dass es so lange bis zur Adaption gedauert hat. Die größere Überraschung aber ist der Name des Regisseurs: Pepe Danquart hat vom „Oscar“ für einen Kurzfilm bis zum Deutschen Filmpreis lauter ehrenvolle Auszeichnungen erhalten; sein letztes Werk war das meisterliche Weltkriegsdrama "Lauf Junge lauf". Der Filmemacher hat sich zwar schon einmal an einer Komödie versucht ("Basta – Rotwein oder Rotsein"), aber gerade gemessen an seinen herausragenden dokumentarischen Arbeiten – vom Tour-de-France-Drama "Höllentour" über den Kletterfilm "Am Limit" bis zum Porträt "Joschka und Herr Fischer" – wirkt "Auf der anderen Seite…", als habe er mal was völlig anderes machen wollen. Das ist ihm in jeder Hinsicht gelungen: Das unter anderem von Danquart selbst bearbeitete Drehbuch von Steffen Barth strotzt nur so von ebenso überraschenden Handlungswendungen.
Mindestens genauso viel Spaß wie die vielen komischen Momente und die frechen Dialoge machen die Schauspieler. Hauptdarstellerin Jessica Schwarz absolviert auch den für sie ungewohnten Slapstick mit Bravour; filmpreisreif ist schon allein die in dieser Hinsicht beste Szene, als Kati einen im Drogenrausch verfassten Brief aus Felix’ Briefkasten angeln will und mit der Hand stecken bleibt. Felix Klare (als Felix) und Christoph Letkowski (als Mathias) sind gleichfalls eine ausgezeichnete Wahl für die Rollen der zwei Männer, zwischen denen Kati hin und hergerissen ist. Eines Kinofilms würdig ist auch die weitere Besetzung, allen voran Milan Peschel, der als reichlich extravaganter gemeinsamer Freund der beiden Liebeskandidaten die Gelegenheit nutzt, um seiner Sammlung an kauzig-schrägen Figuren eine weitere hinzuzufügen.
Ihren Charme verdankt die Beziehungskomödie dennoch in erster Linie dem Einfallsreichtum des insgesamt vierköpfigen Autoren-Ensembles. Bei der Umsetzung hat Danquart genau die richtige Mischung aus Missgeschickmomenten und viel Gefühl gefunden. Schon allein Katis unkonventionelle Parkmethoden sind immer wieder Anlass für Heiterkeit. So lernt sie im Prolog nach einer Blinddarmoperation auch Felix kennen, als sie mit ihrem Auto ein Fahrraddomino auslöst. Der Film beginnt also mit einem Happy End. Die Zeit des anschließenden gemeinsamen Glücks wird noch vor dem Vorspann in flotter Zeichentrickform zusammengefasst; als die eigentliche Handlung beginnt, ist die Ehe längst in die Jahre gekommen.
Für Emotionen sorgen jedoch nicht nur die alte und die neue Liebe, sondern auch die Nebenfiguren, die Kati bei ihrer Bonusrunde vor schlimmen Fehlern bewahren will: Ihre beste Freundin Marlene (Elena Uhlig) kann keine Kinder bekommen, weil sie eine Erkrankung verschleppt hat, Kollegin Linda (Pheline Roggan) ahnt nicht, dass der von Kati nur "Urin-Uwe" genannte Eso-Guru (Oliver Korittke), in den sie verliebt ist, eine brave Vorortexistenz mit Reihenhaus, Frau und Kindern führt, und die altersweise Krankenhausbettnachbarin Frau Baronski (Judy Winter) stirbt einen unsinnigen Tod, als sie beim Glühbirnenwechsel von der Leiter stürzt. Sie ist es auch, der Kati jene Erkenntnis verdankt, die Buch und Film den Titel geben: Auf der anderen Seite mag das Gras viel grüner sein, aber letztlich ist es ist auch nur Gras; und das, wonach man sich sehnt, ist nicht immer das, was man braucht.