TV-Tipp: "Echte Bauern singen besser" (ARD)

Alter Fernseher vor gelber Wand
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Echte Bauern singen besser" (ARD)
7.9., ARD, 20.15 Uhr
Vermutlich reicht die Anzahl nicht, um von einem Subgenre zu sprechen, aber es fällt auf, dass sich viele Musikfilme mit dem Thema Comeback befassen. Die entsprechenden Produktionen waren auch dank der jeweiligen Hauptdarsteller in der Regel sehenswert, erst recht, wenn es um abgehalfterte Schlagersänger ging, allen voran Mario Adorf in "Comeback für Freddy Baker" (1999, ARD) oder Uwe Ochsenknecht in "Das große Comeback" (2011, ZDF).

"Camping mit Herz" (2019, ARD-Degeto) mit Christoph M. Ohrt war zuletzt ein kleiner Ausreißer nach unten, aber "Tödliches Comeback" mit Martin Brambach (2019, NDR) war dafür umso besser. In diese prominente Riege gehört ab sofort auch Sebastian Bezzel. Er spielt in der flotten Komödie mit dem fragwürdigen Freitagsfilmtitel „Echte Bauern singen besser“ eine Doppelrolle: Der brave Landwirt Sven Gose sieht dem einstigen Star Alexander Gromberg ähnlicher als der sich selbst.

Für dessen Agentin Franzi (Susanne Bormann) ist Sven die letzte Hoffnung, denn Gromberg, mittlerweile völlig pleite, lebt sein Leben schon seit einiger Zeit nach der Devise "Sex & Drugs & Rock’n’Roll"; allerdings ohne Rock’n’Roll. Trotzdem will Franzi den Plattenboss Fricke (Roman Knižka) überzeugen, Grombergs Comeback-Tournee zu finanzieren. Weil der Musiker derzeit nicht gesellschaftsfähig ist, soll ihn der zufällig entdeckte Sven bei einem Treffen vertreten. Das klappt wunderbar, der Manager lacht sich angesichts von Svens Bauernweisheiten unter den Tisch, aber natürlich will er sich davon überzeugen, dass Gromberg es auch auf der Bühne noch drauf hat. Daran ist jedoch nicht zu denken, denn der Musiker, ohnehin nur noch ein Wrack, ist nach seinen jüngsten Eskapaden als Gefahr für sich und andere in der Klapse gelandet.

Natürlich lebt der Film vom Kontrast zwischen den beiden Hauptrollen: hier der brave Bauer, eine typische Bezzel-Figur, weil in Sven ein großes Talent schlummert; dort der feiste Musiker, bei dessen Verkörperung der Schauspieler alle nur denkbaren Klischees erfüllt. Trotzdem gerät Gromberg nicht zur Karikatur, und darin lag vermutlich die größte Herausforderung, denn beide Männer wandeln sich im Verlauf des Films. Während die Läuterung des misanthropischen Musikers nicht weiter überrascht, muss Sven ein altes Trauma überwinden, um endlich seinen alten Traum zu verwirklichen. Bezzel spielt beide Charaktere mit großer Hingabe und verkörpert die jeweilige Entwicklung auch deshalb glaubwürdig, weil sie in kleinen Schritten vonstatten geht. Sven wächst zwar – Kleider machen Leute – in die Rolle des Rockstars hinein, aber er schafft es trotz der eigenwilligen Methoden von Gesangs-Coach Sammy (Thelma Buabeng) nicht, seine Mikrophobie zu überwinden.

Die Rolle des Musikers hat dem Schauspieler auch dank der wilden Kostümierung (Anne-Gret Öhme) womöglich den größeren Spaß bereitet; der Typ ist völlig fertig und sieht mit seinen blutunterlaufenen Augen aus wie ein blondierter Untoter. Als Inspiration dienten laut Bezzel Billy Idol, Farin Urlaub und Campino, aber Reminiszenzen an Udo Lindenberg und Matthias Reim lassen sich ebenfalls entdecken. Dass Gromberg seinen freien Fall – so hieß vor zwanzig Jahren auch sein einziger Hit – am Ende doch noch bremsen kann, hat er einer Patientin zu verdanken, die gar nicht in die Psychiatrie zu gehören scheint: Die kluge Rina (Pegah Ferydoni) öffnet ihm die Augen, aber als er sie zur gemeinsamen Flucht überredet, verdeutlicht die Inszenierung Berlins als Kakophonie einer Großstadt, dass sie für die Reizüberflutung der Welt außerhalb der Anstalt nicht geschaffen ist. Sehr schön ausgedacht sind auch die Szenen, die das Ende des jeweiligen Wandlungsprozesses illustrieren: Sven, vom ständigen "Spur halten" seines Traktor-Navigators genervt, fährt plötzlich kreuz und quer über den Acker, und Gromberg, den im Gemeinschaftsraum der Klinik eine dilettantisch geklimperte Version der Arie des Vogelfängers aus der „Zauberflöte“ um seinen restlichen Verstand zu bringen droht, setzt sich schließlich zum Duett ans Klavier.

Holger Haase (Regie) und Arndt Stüwe (Buch) haben schon bei der amüsanten romantischen Komödie "Heiraten ist nichts für Feiglinge" (2016, ZDF) zusammengearbeitet. Haase hat zwar später für Sat.1 erst ein erschütterndes Drama über Gewalt in der Ehe ("Die Ungehorsame", 2015) und zuletzt den durchaus anspruchsvollen Stalker-Film "Lautlose Tropfen" (2019) gedreht, aber davon abgesehen besteht seine Filmografie überwiegend aus sehenswerten Komödien wie "Bollywood lässt Alpen glühen", "Mein Lover, sein Vater und ich!", "Im Spessart sind die Geister los" oder "Bodycheck" (alle Sat.1).

Ein seltener Ausreißer nach unten war "Ein Dorf rockt ab" (2017, ZDF), weil der Regisseur das Potenzial der Geschichte über ein Heavy-Metal-Festival in der Provinz verschenkt und die Gags mit dem Vorschlaghammer inszeniert hat. "Echte Bauern singen besser" ist zwei Nummern besser, auch wenn es rund um Gromberg zuweilen recht deftig zugeht. Stüwe hat seine Figuren zwar konsequent ausgereizt, aber selbst der Musiker verkommt nicht zur Karikatur, weshalb der plumpe Titel auch nicht angebracht ist. Der griffige Arbeitstitel "Wenn schon falsch, dann richtig!" bezieht sich auf das Lied, das Sven beim furiosen Finale zum Besten gibt. Der Song ist sogar ziemlich gut, aber das gilt für die gesamte Musik von Andy Groll, die je nach Stimmung sanft oder rockig ist und auch mal Reggae-Klänge enthält.