Frau Josua, als Referentin des Evangelischen Salam-Centers und Mitarbeiterin in der Arabischen Evangelischen Gemeinde Stuttgart haben Sie mit Ex-Muslimen zu tun, die sich hier in Deutschland taufen ließen. In Ihrem druckfrischen Buch "Mein neues Leben. Christus begegnet Muslimen", das in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig erschienen ist, haben Sie neun dieser Konversionsgeschichten niedergeschrieben. Was hat Sie dazu motiviert?
Heidi Josua: Die Konvertiten sollen ein Gesicht bekommen, eine Stimme. Aus bloßen Zahlen und Fällen - die von den einen hochgerechnet und von den anderen kleingeredet werden - sollen Individuen werden. Wer die Berichte der fünf arabischen Frauen und der vier Männer liest, für den lösen sich Pauschalurteile, Vorwürfe und Ängste in Luft auf. Die Berichte im Buch sollen zeigen: Wer sich intensiv mit den Menschen beschäftigt, wer ihnen nah genug ist, aufmerksam zuhört und ihr Leben teilt, der kann dann auch unterscheiden zwischen tatsächlichen Christen, die es ernst meinen, und anderen, die sich nur als solche ausgeben.
Einige dieser Menschen hat Ihr Mann, Pfarrer Hanna Josua, in der Stuttgarter Stiftskirche getauft. Was bringt Menschen dazu, einen so großen Schritt zu gehen und ihre Ursprungsreligion hinter sich zu lassen?
Josua: Es ist faszinierend, wie unglaublich unterschiedlich die Berichte sind. Sie können nicht über einen Kamm geschert werden. Eine Frau wurde von ihrem Mann misshandelt, der dies religiös und kulturell legitimierte; sie hat sich nach Freiheit und Würde gesehnt, die sie beim Lesen der Bibel spürte. Andere haben sich Christus zugewandt, weil sie von ihm geträumt haben und er sie faszinierte. Durchgängig ist der Wunsch nach Frieden, Liebe und Freiheit.
Die allermeisten Menschen kamen bereits suchend in Kirchengemeinden und wurden nicht im klassischen Sinne missioniert. Während deutsche Gemeinden schrumpfen und die Kirchen leerer werden und alle hektisch an Konzepten arbeiten, gibt es Menschen aus dem Nahen Osten, für die die Nachfolge Christi in einer Weise attraktiv ist, die offenbar die Kirchen selbst erstaunt.
Aber gibt es das nicht - Leute, die einen Taufschein haben wollen, um bessere Chancen auf Asyl zu erhalten?
Josua: Ja natürlich, die gibt es. Wenn sich laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zwei Drittel aller Iraner, die nach Deutschland kommen, als Christen ausgeben, dann ist das natürlich eine unrealistisch hohe Zahl. Bei den Arabern haben wir jedoch weit geringere Zahlen. Ein großes Problem liegt auch darin, dass es keine verpflichtenden innerkirchlichen Mindeststandards für die Taufe von Konvertiten gibt. Auch Taufvorbereitungskurse werden nicht überall angeboten. Ein Pfarrer kann selbst entscheiden, wen er tauft.
Es kam häufiger vor, dass wir in unserer Gemeinde Leute bewusst nicht tauften, weil wir Bedenken bezüglich ihrer Motivation hatten oder sie noch nicht so weit waren. Dann gingen sie in eine andere Gemeinde und wurden dort ohne große Rückfragen getauft. Der real existierende Missbrauch durch Einzelne darf allerdings nicht zu einem Generalverdacht gegen die vielen ernsthaft Taufwilligen und Konvertiten führen.
In dem Buch berichten Sie von einer Anhörerin im Bamf, die einen Konvertiten nach dem Namen der Kinder von Martin Luther gefragt hat, um die Ernsthaftigkeit der Konversion zu prüfen?
Josua: Prüfungsfragen dieser Art sind absurd. Wenn sich in einer Anhörung herausstellt, dass jemand als Grund für das Asylbegehren Konversion angibt, sollte die Anhörung abgebrochen und ein neuer Termin angesetzt werden. Bei diesem Termin sollte vonseiten des Bamf ein theologisch oder missionswissenschaftlich geschulter Mitarbeiter anwesend sein sowie der Seelsorger oder Pastor, der diesen Konvertiten begleitet.
Da eine Taufbescheinigung zwar anerkannt, aber kaum berücksichtigt wird, weil es in der Anhörung vor allem um die lebensprägende Wirkung des neuen Glaubens geht, könnte man auch darüber nachdenken, ob es eine kirchliche "Prüfungsstelle" geben könnte, die mit entsprechenden Fachleuten besetzt ist und ein eigenes Gutachten für das Bamf erstellt.
Was halten Sie von einem generellen Abschiebestopp für alle zum Christentum konvertierten Ex-Muslime - wie ihn der ehemalige Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, gefordert hat?
Josua: Eine pauschale Anerkennung mit Nicht-Abschiebe-Garantie ist keine Lösung. Diese hat einen Pull-Effekt, so dass Menschen aus reinem Opportunismus konvertieren könnten. Und vor allem würden Sie letztlich die echten Konvertiten diskreditieren, weil dann auch die Ernsthaftigkeit ihrer Entscheidung infrage gestellt wird.
"Eine Ablehnung nach der Asylanhörung ist noch lange keine Abschiebung und auch nicht der sichere Weg in Verfolgung und Tod"
Und was passiert, wenn dann doch vom Bamf ein negativer Bescheid kommt?
Josua: Da sollten weder der Betroffene noch seine Betreuer in Alarmismus verfallen. Eine Ablehnung nach der Asylanhörung ist noch lange keine Abschiebung und auch nicht der sichere Weg in Verfolgung und Tod. Wir sind ein Rechtsstaat, und nach einem negativen Bescheid steht der Weg ans Verwaltungsgericht offen. Hier wird viel intensiver geprüft - und zwar durch einen Richter -, es gibt Rechtsbeistand, und im Idealfall werden Pfarrer und Gemeinde ebenfalls gehört.
In Ihrem Buch schildern Sie auch die Wünsche von arabischen Konvertiten an ihre christlichen Geschwister. Was wünschen sie sich von ihnen und den Gemeinden?
Josua: Interessant ist, dass keiner der Interviewten vom Wunsch nach Asylanerkennung sprach. Alle haben den Wunsch nach verstärkten Kontakten in den Gemeinden sowie als vollwertige Christen dazuzugehören. Einige wünschen sich, dass die deutschen Christen merken, was an ihrem Glauben das Einzigartige und Besondere ist, und dass sie die deutschen Gemeinden mit ihrer Begeisterung für Christus anstecken können. Außerdem appellieren die Konvertiten an die Kirchengemeinden, die Angst vor Fremden und vor Muslimen zu verlieren und aktiv auf diese zuzugehen.