TV-Tipp: "Der Lissabon Krimi: Der Tote in der Brandung" (ARD)

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TV-Tipp: "Der Lissabon Krimi: Der Tote in der Brandung" (ARD)
22.8., ARD, 20.15 Uhr
Im Kino hat Lissabon vermutlich nie wieder so schön ausgesehen wie in "Lisbon Story" (1994) von Wim Wenders; der Film war die reinste Hommage an die portugiesische Hauptstadt. Zumindest in dieser Hinsicht erfüllt "Der Tote in der Brandung", der erste "Lissabon-Krimi" (eine Wiederholung aus dem letzten Jahr), alle Erwartungen.

Der erfahrene Kameramann Klaus Merkel taucht die Stadtansichten gerade auch nachts in ein betörend schönes Licht. Einem zweiten Charakteristikum wird der Film jedoch nur bedingt gerecht: Im Grunde ist es unmöglich, eine portugiesische Geschichte ohne Saudade zu erzählen. Dieses Lebensgefühl lässt sich noch am ehesten mit einer Mischung aus Sehnsucht und Weltschmerz beschreiben. Jürgen Tarrach wäre eigentlich eine gute Wahl, um dieser Melancholie ein Gesicht zu geben, schließlich wirkt der Schauspieler selbst in seinen komischen Rollen immer etwas verloren, und genau das ist Saudade: das Gefühl, dass etwas Wertvolles unwiederbringlich abhanden gekommen ist. Immerhin hat auch Strafverteidiger Silva einen Verlust erlitten: Vor zwei Jahren ist seine Frau Valentina bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Damals ist er auch als Oberstaatsanwalt zurückgetreten, weil er an einem Korruptionsfall gescheitert ist; er ist bis heute überzeugt, dass die Hintermänner für Valentinas verantwortlich waren. Angesichts dieser biografischen Details, die das Drehbuch (Kai-Uwe Hasenheit und Patrick Brunken) nach und nach offenbart, ist die eigentliche Handlung zumindest in emotionaler Hinsicht deutlich weniger fesselnd: Joana Soares (Alexandra Gottschlich) wird beschuldigt, ihren Mann erschossen und wie ein Paket verschnürt in den Tejo geworden zu haben. Silva braucht nicht lange, um herauszufinden, dass die Frau unmöglich die Mörderin sein kann. Tatsächlich führt die Spur zur Mafia: Soares war in einen schwunghaften Handel mit gestohlenen Medikamenten verwickelt.

Interessanter als die unnötig kompliziert erzählte Geschichte ist wie schon beim anderen Iberien-Krimi der ARD aus Barcelona die Kombination der beiden Hauptfiguren, denn Silva ist, wenn auch eher unfreiwillig, nicht allein: Sein cleverer Schachpartner (Luis Luca) hat ihm die Zusage abgeknöpft, dass seine Nichte ihr Referendariat bei dem Verteidiger absolvieren darf. Die junge Frau entpuppt sich als äußerst hartnäckig und lässt sich auch durch Silvas zuweilen ruppige Art nicht beeindrucken. Die talentierte Marcia (Vidina Popov) stammt aus einer Roma-Familie und wird ständig diskriminiert. Ressentiments gegen Roma sind in Portugal tief verwurzelt, was der Film aber nur indirekt thematisiert, wenn Marcia beispielsweise bei ihrer Festnahme von einem Polizisten schikaniert wird, nachdem sie und Silva beinahe bei der Explosion von Soares’ Lagerhalle gestorben wären. Die Wirtin (Katharina Pichler) des Anwalts, der in einem Hotel lebt, macht ebenfalls keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen die junge Frau und erklärt ihr, sie habe den Job bei Silva nur bekommen, weil sie ihn an seine Tochter erinnere.

Schon deshalb kommt eine Affäre zwischen Marcia und ihrem Arbeitgeber nicht in Frage, aber Silva ist ohnehin mindestens doppelt so alt (und doppelt so schwer) wie die junge Frau; auch das spricht laut ungeschriebenem Degeto-Gesetz gegen eine Beziehung. Weil die Produktionen der ARD-Tochter aber gern romantische Elemente enthalten, gibt es einen Dritten im Bunde, der garantiert noch dafür sorgen wird, dass Marcia hin und hergerissen ist: Staatsanwalt dos Santos ist nicht nur regelmäßig Silvas Gegenspieler vor Gericht, er hat auch eine Ermittlungsakte gegen den Strafverteidiger; außerdem ist nicht zu übersehen, dass ihm die ehrgeizige Juristin nicht bloß beruflich imponiert. Christoph Schechinger, der schon in der sehenswerten Komödie "Zwei Bauern und kein Land" einen guten Eindruck hinterließ (Regie hier wie dort: Sibylle Tafel), versieht den jungen Staatsanwalt mit einer reizvollen Mischung aus Sympathie und Distanz. Nachwuchsschauspielerin Vidina Popov, eine Wienerin mit bulgarischen Wurzeln, macht ihre Sache in ihrer ersten Hauptrolle ebenfalls richtig gut; die anderen Darstellerinnen sind dagegen nicht durchgehend überzeugend. Das uneinheitliche Bild wird noch durch das gemischte Ensemble verstärkt: Die meisten Nebenrollen sind mit Einheimischen besetzt, die zwar interessante und markante Gesichter haben, aber hör- und sichtbar synchronisiert worden sind.

Zum Ausgleich ist Lissabon ein toller Schauplatz, den Kameramann Merkel immer wieder gebührend in Szene setzt. Das Brüderpaar Marco und Robert Meister unterlegt die schönen Bilder mit entsprechender Musik, in der auch Fado-Elemente (das akustische Pendant zu Saudade) enthalten sind. Tatsächlich sind die Schauwerte neben dem ungleichen Paar das Beste an diesem ersten "Lissabon-Krimi", denn echte Spannung kommt auch dann nicht auf, wenn Marcia nachts von einem Fremden verfolgt wird. Selbst das Finale, als gemäß der Devise "Auge um Auge" der Sohn des Mafia-Bosses (André Gargo) sterben soll und Silva sein eigenes Leben riskiert, um das Kind zu retten, ist in Tafels Inszenierung längst nicht so fesselnd, wie sich die Autoren das vermutlich vorgestellt haben.