Osnabrück (epd). Die Textilbranche sieht sich zu Unrecht für die Produktionsbedingungen kritisiert. "Das Bashing der deutschen Textilindustrie kann ich nicht nachvollziehen, und es ist fehl am Platz", sagte die Präsidentin des Gesamtverbands "textil+mode", Ingeborg Neumann, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag). Unternehmen würden bereits heute ihre Verantwortung für Umwelt- und Sozialstandards in der Produktion wahrnehmen. Sowohl im Inland als auch bei der Produktion im Ausland seien der Industrie die Standards wichtig.
Die Politik sieht dagegen Handlungsbedarf: Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will im September das Siegel "Grüner Knopf" vorstellen, das Produkte, die nach sozialen und ökologischen Standards produziert wurden, kennzeichnen soll. Neumann kritisierte den Vorstoß: Ein neues, nationales Siegel sei für die Branche nicht der richtige Weg zu mehr Nachhaltigkeit: "Ein solches Siegel braucht es nicht. Es braucht ein europaweites Textilbündnis."
Im deutschen Textilbündnis, einer Partnerschaft von Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und der Politik, seien schon wichtige Fortschritte erreicht worden. Dass in dem Bündnis nicht alle Unternehmen Mitglied seien, heiße nicht, "dass sich die andere Hälfte nicht engagiert oder die Standards nicht leisten kann oder will", unterstrich die Verbandschefin.
Kritik an den Produktionsbedingungen in der Textilbranche äußerte das Kinderhilfswerk terre des hommes. "Die große Anzahl der Kinder- und Menschenrechtsverletzungen im Textilsektor zeugt davon, dass dringendes Handeln gefordert ist", sagte Vorstandssprecher Albert Recknagel. Er sei indes skeptisch, ob das neue Siegel eine positive Wirkung haben werde. "Es ist fraglich, ob ein nationaler Alleingang die notwendige Kraft im Markt entfalten kann, damit sich eine Branche weiterentwickelt."