TV-Tipp: "Zaun an Zaun" (ARD)

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TV-Tipp: "Zaun an Zaun" (ARD)
2.8., ARD, 20.15 Uhr
Die einen nennen’s "Culture Clash", die anderen "Cross Culture", aber die Grundidee ist die gleiche. In den Komödien dieses Genres treffen Lebensanschauungen aufeinander, die das offenbar unvereinbare Ergebnis jahrhundertealter Traditionen und Religionen sind: hier der Okzident, dort der Orient. Oder, noch einfacher: hier der Deutsche, dort der Moslem (meist Türke).

Auch "Zaun an Zaun" erzählt vom Zusammenprall dieser Kulturen, aber das auf einer Idee von Hauptdarsteller Adnan Maral und Hamid Baroua basierende Drehbuch (Mike Viebrock, Enno Reese) dreht den Spieß rum. Die Geschichte handelt zwar von den gegenseitigen Vorurteilen zweier Nachbarn, doch der vor dreißig Jahren aus der Türkei nach Deutschland eingewanderte Kenan Ataman ist deutscher als viele Deutschen; der Witwer mit dem Putzfimmel verkörpert in dieser Komödie das Ordnungsprinzip. Nachbarin Lissi Weidinger (Esther Schweins) steht dagegen für das Chaos. Die Autorin leichter Liebesromane leidet unter einer Schreibblockade und lässt ihren Unmut gern am peniblen Kenan aus, der die zweite Hälfte ihres Doppelhauses gemietet hat. Als er einen Hausbrand bei Lissi verschuldet, gewährt er ihr Schreibasyl, allerdings nicht ganz uneigennützig: Seit der Trennung von ihrem Mann Wolfgang (Richy Müller) sitzt die Schriftstellerin auf einem Schuldenberg; es droht die Zwangsversteigerung, und dann müsste auch Kenan ausziehen. Um das zu verhindern, bietet er Lissi an, ihr Haus zu renovieren, während sie den letzten Teil ihrer Bestsellertrilogie fertig stellt. 

Dass die Autorin Kenans heile Ordnungswelt kräftig durcheinanderbringt, versteht sich von selbst, und natürlich merken die beiden, dass die Mischung durchaus ihren Reiz ihren haben kann. Außerdem entpuppt sich Kenan als Fan von Lissis Büchern: Seit dem Tod seiner Frau leidet er unter Schlafstörungen, doch nach der Lektüre ihrer Romane kann er prima schlafen. Zum Muster solcher Filme gehört aber auch ein scheinbar unüberwindliches Hindernis, das die Liebenden bewältigen müssen. In diesem Fall sorgt der erwachsene Nachwuchs für die Hürde. "Wir sind hier nicht bei ‚Türkisch für Anfänger’", stellt Lissis Tochter Sofie (Jeanne Goursaud), die keine Lust auf Patchwork hat, irgendwann mal fest, und deshalb unterstützt sie Kenans Kinder Can (Aram Arami) und Aysel (Gizem Emre) in deren Bemühen, eine neue Frau für den Vater zu finden. Diese Verkupplungsversuche sind recht amüsant und führen unter anderem zu einer ziemlich witzigen Szene, in der Lissi spärlich bekleidet zu den Kopfhörerklängen von "Highway to Hell" durchs Wohnzimmer hüpft, als Can seinen Vater mit Gül (Berivan Kaya) überraschen will. Kenan wiederum, der eigentlich keine Frau, sondern seine Ruhe will, erfährt von Lissis Ex-Mann, dass sie sich bei ihren früheren Büchern ebenfalls durch männliche Muse hat inspirieren lassen.

Maral hat "Zaun an Zaun" auch produziert, Baroua ist sein Partner, das Drehbuch dürfte also maßgeschneidert sein. Tatsächlich ist die Figur des braven Bauleiters, der pedantisch seinen Haushalt führt und sich hingebungsvoll um die Rosen seiner verstorbenen Frau kümmert, eine schöne Rolle für den in Frankfurt am Main aufgewachsenen gebürtigen Türken, der durch die vielfach prämierte ARD-Vorabendserie "Türkisch für Anfänger" bekannt geworden ist. Esther Schweins wiederum ist vor allem formal eine gute Wahl: Die Filmpartnerin musste einerseits in Marals Alter sein, weil Kenans Sohn und Lissis Tochter, einst als Teenager ineinander verliebt, ihre alten Gefühle füreinander neu entdecken; andererseits musste sie neben einer gewissen fragilen Attraktivität auch die nötige jugendliche Ausstrahlung mitbringen, damit ihre anarchische Ader sie nicht wie ein Späthippie erscheinen lässt. Leider hat Peter Gersina Esther Schweins bei ihrem komödiantischen Spiel nicht gebremst, was zur Folge hat, dass viele witzige Szenen nicht doppelt komisch, sondern bloß übertrieben wirken. "Zaun an Zaun" ist ohnehin eine dieser Komödien, in denen die Leute einen Milchbart haben, wenn sie Kakao oder Cappuccino trinken. Außerdem schaut die aus unerfindlichen Gründen dauernd schniefende Schweins bei Monologen immer wieder zur Seite, als ob dort der Regieassistent mit Stichwortblättern stünde. Die beiden Darstellerinnen der hübschen Töchter, Jeanne Goursaud und Gizem Emre, hat der komödienerfahrene Regisseur ("Der Lehrer", "Danni Lowinski")  deutlich besser geführt.

Der im Grunde schlichten, aber recht kurzweilig umgesetzten Geschichte können Schweins’ Übertreibungen ohnehin nichts anhaben. Dass Lissi die Trilogie nicht mit dem erwarteten Happy End schließen lassen kann, liegt natürlich daran, dass sie nicht mehr an Happy Ends glaubt, seit Wolfgang, der auch ihr Verlagsmanager ist, sie wegen einer Jüngeren verlassen hat. Ausgerechnet der vermeintlich spießige Kenan erweist sich als Mann für alle Lebenslagen: Erst rettet er ihren Laptop aus den Flammen, dann zeigt sich, dass er nicht nur ein liebenswerter Mitmensch ist, sondern sich auch als Lektor prima macht. Dass Lissi keine Sicherungskopie ihres Romans angelegt hat, ist vermutlich gar nicht so abwegig; nicht zu wissen, dass sie bloß den Buchvertrag unterschreiben muss, um einen erklecklichen Vorschuss zu erhalten, ist schon deutlich weniger glaubhaft. Viel schöner ist die Idee mit ihrem Kopfkino: Während sie schreibt, läuft die Romanhandlung vor ihrem geistigen Auge als Film ab, in den wie bei einem Traum automatisch auch die Umgebungsgeräusche integriert werden; so schauen die Romanfiguren zum Beispiel irgendwann genervt drein, weil es beharrlich an der Haustür klingelt. Etwas aufgesetzt wirken dagegen die hörbar nachsynchronisierten Bemerkungen eines Nachbarn, der die Ereignisse in Kenans Garten mit verballhornten Redensarten kommentiert ("jauchzend zu Tode, himmelhoch betrübt"). Seltsamerweise ist von dem Mann wie bei einem lange angebahnten Gag stets bloß die Kopfbedeckung zu sehen, der Rest wird vom Zaun verdeckt; eine entsprechende Auflösung bleibt der Film jedoch schuldig. Gesprochen wird er von dem Synchronsprecher Martin Umbach, der unter anderem Russel Crowe seine Stimme leiht.