Auch die personelle Konstellation ist überschaubar: Zehn Jahre lang herrschte Funkstille zwischen Vater Knud (Axel Prahl), einem Krabbenfischer, und seinem Sohn Lenny (Jonas Nay), der das schleswig-holsteinische Küstendorf einst verlassen hat, um in Hamburg Karriere als Friseur zu machen. Nun kommt endlich wieder Leben in die brachliegende Beziehung, als der junge Mann aus heiterem Himmel heimkehrt. Die Begrüßung fällt einigermaßen frostig aus: Knud ist ein Schlitzohr und hält sich angesichts der immer leereren Netze mit kleinen Tricksereien über Wasser. Um Lenny hat er sich nie groß gekümmert, und weil er auch seine Frau betrogen hat, ist sie irgendwann samt Sohn auf und davon. Eigentlich ist Lenny auch nur ins Dithmarscher Land gekommen, um sein Banjo zu holen. Mit der Musik hat er zwar schon lange abgeschlossen, aber das Instrument ist ein paar tausend Euro wert, und die kann er gerade gut brauchen, denn er hat sich übernommen und ist restlos pleite. Zu dumm, dass Knud das Banjo schon lange beim Kartenspiel verzockt hat.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Der in Dithmarschen aufgewachsene Regisseur Lars Jessen ("Jürgen – Heute wird gelebt") hat schon einige Komödien gedreht, die einen typischen trockenen norddeutschen Humor pflegen (etwa "Butter bei die Fische" oder "Fischer fischt Frau"). Davon lebt auch "Vadder, Kutter, Sohn", zumal sich Drehbuchautor und Produzent Volker Krappen ("Vier kriegen ein Kind") eine Vielzahl liebevoll entworfener Figuren ausgedacht hat. "Kuddelmuddel" lautete der Arbeitstitel des Films, und das passt perfekt, jedenfalls in Bezug auf den Gefühlswirrwarr, den Lennys Heimkehr auslöst. Dabei hat Knud gerade ganz andere Probleme: Der von ihm geleitete Shanty-Chor wird hundert Jahre alt und hätte gern eine entsprechende offizielle Ehrung, aber die Frau vom Amt hält die Truppe für einen drittklassigen Altherrenclub. Knuds Idee, dem Männerchor in Gestalt seiner Freundin Nadja (Judith Rosmair) eine Auffrischung zu verpassen, stößt ausgerechnet bei seinem besten Freund und Bariton Addi (Peter Franke) auf heftigen Protest: Die Mitwirkung von Frauen ist laut Satzung ausdrücklich verboten; wütend kündigt Addi Knud die Freundschaft.
Dank des Personals, zu dem unter anderem auch Jan Georg Schütte einen seiner unnachahmlichen Küstencharaktere beisteuert, wird "Vadder, Kutter, Sohn" nie langweilig, aber etwas mehr innere Spannung und ein stringenterer Erzählfluss hätten trotzdem nicht geschadet. Im Grunde sammelt Jessen Augenblicke, die allerdings dank der guten Schauspieler allesamt Spaß machen: Lennys Begegnung mit Polizistin Merle (Anna von Haebler), Knuds Schwindeleien im Auftrag des windigen Olsen (Nicki von Tempelhoff), bei denen er auch mal potenzielle Grundstückskäufer als Wünschelrutengänger übers Ohr haut, und natürlich die Szenen von Vater und Sohn. Nay und Prahl dürfen endlich mal so reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist: Der eine ist in Lübeck aufgewachsen, der andere in Neustadt in Holstein.
Höhepunkt des Films ist ein Auftritt des Chors beim Kurkonzert, mit Prahl an der Gitarre und Nay am Banjo. Die Musik ist echt, Nay hat an der Musikhochschule Lübeck studiert und schon früh eigene Bands gegründet, Prahl hat als Jugendlicher Irish Folk gespielt und war eine Weile Mitglied der Folkrock-Band Augenweide. Eigentlich schade, dass der Chor keine deutlich größere Rolle in dem Film spielt; die Darbietung ist richtig gut. Das gilt auch für die Filmmusik von Jakob Ilja, dem Gitarrist von Element of Crime. Er hat zudem den Schlager komponiert, den der Chor beim Finale zum Besten gibt; das Lied hat echte Ohrwurmqualität.