Große Solidarität für "Sea-Watch"-Kapitänin Rackete

Große Solidarität für "Sea-Watch"-Kapitänin Rackete
Bundesregierung verspricht baldige Lösung für Flüchtlinge der «Sea-Watch 3»
Von Anhängern wird Carola Rackete als Heldin gefeiert, Politiker fordern ihre Freilassung, doch die EU kommt bei der Neuregelung des Dublin-Übereinkommens nicht voran.

Frankfurt a.M., Rom (epd). Nach ihrer Festsetzung erfährt die Kapitänin des Rettungsschiffs "Sea-Watch 3", Carola Rackete, viel Solidarität. Bundesweit organisierte die Organisation Seebrücke am Montag Proteste sowie Mahnwachen vor den diplomatischen Vertretungen Italiens in Berlin und Frankfurt am Main. Nach der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) forderte auch die katholische Bischofskonferenz die Freilassung der Kapitänin. Die Change.org-Petition "Freiheit für Carola Rackete" unterschrieben bis zum Nachmittag über 150.000 Menschen. Auf Twitter äußerten Sympathisanten unter dem Hashtags #FreeCarola und #FreeCarolaRackete Anerkennung für die Entscheidung, trotz Verbots der italienischen Behörden mit zuletzt 40 aus Seenot geretteten Flüchtlingen in den Hafen von Lampedusa einzulaufen.

Neben Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sprachen sich am Montag unter anderen Außenminister Heiko Maas (SPD) und die kommissarische SPD-Vorsitzende Malu Dreyer für die Freilassung der 31-jährigen Rackete aus. Maas sagte: "Wir wehren uns dagegen, Seenotrettung zu kriminialisieren." Dreyer erklärte, es könne kein Verbrechen sein, Menschenleben zu retten. "Das verhindern zu wollen, entspricht weder den europäischen Werten noch unserer Verpflichtung zur Humanität." Moralisches Handeln dürfe nicht staatlicherseits bedroht und unmöglich gemacht werden, betonte der Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Stefan Heße. Dagegen twitterte Italiens Innenminister Matteo Salvini, er halte Rackete für eine "deutsche Verbrecherin".

Ein Spendenaufruf der TV-Moderatoren Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf brachte für Rackete bis zum Montagnachmittag allein auf der Spendenplattform Leetchi fast 800.000 Euro. Der Privatsender ProSieben will die Aktion nach eigenen Angaben unterstützen.

Rackete wurde am Montag von Lampedusa in die sizilianische Stadt Agrigent gebracht und dort einem Untersuchungsrichter vorgeführt. Laut Sea-Watch forderte die Staatsanwaltschaft die Ausweisung nach Deutschland. Der Fortgang der Ermittlungen sei aber noch unklar. Während ihres Hausarrests auf Lampedusa war die Kapitänin laut ihrem Vater Ekkehard Rackete bei einer Sea-Watch-Mitarbeiterin vor Ort gut untergebracht worden. Ihm zufolge war Carola Rackete nach reiflichen Überlegungen vor drei Wochen nach Malta aufgebrochen, um die "Sea-Watch 3" zu übernehmen. "Sie war sich der Tragweite bewusst und hat vorher Kontakt mit einer Rechtsanwältin aufgenommen", sagte der Vater dem epd. Auch im Freundes- und Bekanntenkreis sei die Resonanz auf die Aktion seiner Tochter ausnahmslos positiv gewesen. Sea-Watch-Aktivisten und Sprecher Chris Grodotzki gewann zudem den Eindruck, dass es auch bei den Behörden vor Ort Solidarität mit Rackete gebe.

Derweil unterstrich die Bundesregierung, sie wolle in der EU zur Verteilung der Flüchtlinge aus Seenot "zu einem geregelten und transparenten Verfahren kommen", wie die stellvertretene Regierungssprecherin Martina Fietz sagte. Ein Sprecher von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erklärte, man sei nicht zufrieden mit der derzeitigen Situation. Er stellte allerdings in Aussicht, "bald" eine Lösung für die Geretteten zu finden.

Die "Sea-Watch 3" hatte am 12. Juni 53 Menschen aus dem Mittelmeer gerettet. In mehreren Fällen nahmen die italienischen Behörden Kranke und Babys auf, verweigerten jedoch die Einfahrt des Schiffes nach Lampedusa. Am Mittwoch rief Rackete angesichts des verzweifelten Zustands der verbliebenen 40 Flüchtlinge den Notstand aus und fuhr in italienische Hoheitsgewässer. Laut Sea-Watch-Aktivist und Sprecher Chris Grodotzki sind Häfen verpflichtet, Schiffe im Notstand aufzunehmen. Aber auch daraufhin hätten die italienischen Behörden nicht reagiert. Das Schiff selbst wurde beschlagnahmt. Die Migranten durften an Land.