TV-Tipp: "Eine Hochzeit platzt selten allein" (ARD)

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TV-Tipp: "Eine Hochzeit platzt selten allein" (ARD)
5.7., ARD, 20.15 Uhr: "Eine Hochzeit platzt selten allein"
Arbeitstitel sind nicht immer automatisch besser, aber mitunter hilfreich: weil sie andeuten, welche Art Film den Autoren womöglich vorschwebte. Für diese Komödie mit dem typischen Freitagsfilmtitel "Eine Hochzeit platzt selten allein" findet sich die Alternative "Fällt Hopfingen, fällt die ganze Welt".

Die geplatzte Hochzeit markiert zwar den Auftakt, doch sie ist keineswegs der erste Dominostein, der die nun folgende Kettenreaktion auslöst. Liebe und Heirat spielen in der Geschichte eine nicht unwesentliche Rolle, aber in der Rahmenhandlung geht es um ein völlig anderes Thema. Ein  Freitagsfilm hieß kürzlich "Wenn’s um Liebe geht"; dieser hier, eine Koproduktion zwischen dem SWR und der ARD-Tochter Degeto, könnte daher "Wenn’s um Geld geht" heißen. Das wäre insofern passend, weil ganze Generationen diesen Slogan automatisch mit "Sparkasse" ergänzen. Im Grunde ist "Eine Hochzeit platzt selten allein" ein Film über den berühmten Schmetterlingseffekt aus der Chaosforschung: Am Freitag fällt irgendwo in der schwäbischen Provinz ein Sack Reis um, am Montag bricht das globale Finanzsystem zusammen.

Auslöser der Krise ist eine Stabübergabe: Roland Kemmler (Peter Lerchbaumer), Inhaber einer kleinen Privatbank, macht seinen Mitarbeiter Andreas (Oliver Wnuk) zum Nachfolger. Der konservative Hopfinger Familienbetrieb verleiht stets nur so viel Geld, wie er auch im Tresor hat. Andreas hat dem Hopfenbauern Breitenreiter (Jörg Witte) jedoch unter der Hand einen Kredit über 100.000 Euro gewährt. Als die Bankenaufsicht eine kurzfristige Buchprüfung ankündigt, droht der Lizenzverlust wegen Bilanzfälschung; es sei denn, Andreas beschafft übers Wochenende 100.000 Euro. Das Ereignis weitet sich zur weltweiten Krise aus, weil Volkskassenfilialleiter Schwegler (Ludger Pistor) sauer auf den Brauereibesitzer Dillinger (Michael Brandner) ist; und deshalb kann Breitenreiter seine Schulden bei Andreas nicht begleichen. Das Video von dem Streit, bei dem Dillinger dem Banker seinen blanken Allerwertesten zeigt, wird weltweit millionenfach abgerufen, und als die von einem Finanz-Apokalyptiker angestachelten Einheimischen die Volkskasse stürmen, um ihre Ersparnisse abzuheben, ist die Krise perfekt. Prompt steht die Frankfurter Zentrale der Bank vor dem Kollaps, denn was sich in Hopfingen im Kleinen abspielt, droht auf dem Weltmarkt im Großen: Es geht um einen zweistelligen Milliardenbetrag.

Die Idee stammt vom schwäbischen Kabarettisten Christoph Sonntag. Er hat gemeinsam mit Jürgen Werner auch das Drehbuch geschrieben und spielt zudem den Verkünder des finanziellen Untergangs. Im Gegensatz zu den allzu lehrfilmartig geratenen diversen Dramen über die Strukturen des internationalen Finanzsystems sollte "Eine Hochzeit platzt selten allein" die komplexe Materie offenkundig möglichst gefällig beleuchten. Das erklärt, warum die Verantwortlichen eine komödiantische Form gewählt haben, die zudem eine doppelte Liebesgeschichte mit Zügen von "Romeo und Julia" erzählt: Bei der geplatzten Hochzeit hätten Dillingers Sohn (Moritz von Zeddelmann) und Schweglers Tochter Marie (Teresa Klamert) heiraten sollen, aber Daniel hat im letzten Moment kalte Füße bekommen; deshalb ist Schwegler nicht gut auf die Dillingers zu sprechen. Auf der zweiten romantischen Ebene muss Banker Andreas um die Liebe der Tochter seines Chefs fürchten: Als die Sache mit dem Kredit rauskommt, glaubt Julia Kemmler (Inka Friedrich), er habe die Beziehung bloß wegen der Buchprüfung eingefädelt. Das ist zwar unlogisch, aber solche Details sind natürlich nur Peanuts, wenn das globale Wirtschaftssystem auf dem Spiel steht.

In komprimierter Fassung mag die Handlung einigermaßen plausibel klingen, doch in der Umsetzung ist sie weitaus unübersichtlicher. Es gibt an die zwanzig handelnde Personen, von denen viele zwangsläufig nicht übers Stereotyp hinauskommen; charakteristisch dafür ist die Rolle von Franziska Traub als Klischeeschwäbin, eine Figur, die sie in dieser Art schon dutzendfach verkörpert hat. Ohnehin lässt die Darstellerführung den Film immer wieder zur Provinzklamotte werden. Davor sind selbst die namhaften Mitwirkenden nicht gefeit, weil allzu viele Szenen von dem festen Vorsatz geprägt sind, komisch sein zu wollen; mitunter auch um jeden Preis, wie manch’ ein Nonsensdialog nahelegt. Stringent erzählt ist letztlich nur der rote Faden der Geschichte: Ein zweites Video, das den Sturm der Kunden auf die Volkskasse zeigt, hat dafür gesorgt, dass Menschen in Südeuropa übers Wochenende vor ihren Banken campieren, um am Montag ihr Geld abzuheben. Finanzstaatssekretär Wackernagel (Herbert Knaup) hält das im Gegensatz zum kühlen Frankfurter Bankenviertel ansprechend und heimelig gefilmte Hopfingen (gedreht wurde unter anderem im Neckar-Odenwald-Kreis) daher für das Zentrum einer Verschwörung. Als Urheberin der Aufnahmen entpuppt sich jedoch Julias 14jährige Tochter Lea (Ella Lee), die ihm die in Rückblenden dargebotene Geschichte in einer Eisdiele erzählt, weshalb im Film ganz viele italienische Schlager erklingen. Regie führte Lancelot von Naso, für den das Genre Komödie eher ungewohnt ist, selbst wenn seine Neuverfilmung des Kästner-Klassikers "Das doppelte Lottchen" (2018) als Filmspaß für die ganze Familie durchaus sehenswert war; ansonsten hat er vor allem Thriller und Krimis gedreht, darunter mehrere Episoden der ZDF-Reihe "Kommissar Marthaler".