Die Polizistin kommt bei der Heimkehr von der Beerdigung ihres Schwiegervaters direkt an einen Tatort: Im Rahmen einer nächtlichen Polizeikontrolle ist ein Beamter gezielt überfahren worden. Der Film (eine Wiederholung aus dem Jahr 2017) erzählt das im spannend montierten Prolog auf drei Ebenen: hier ein Auto mit feiernden Jugendlichen, dort die Streife, und dazwischen das Paar, das für den Titel "Liebesrausch" steht. Geistesgegenwärtig hat die Polizistin auf den Reifen des davonrasenden Autos geschossen; Jana findet den Wagen zufällig in einem nahen Waldstück. Von dort haben die Flüchtigen ihren Weg zu Fuß fortgesetzt. Für einen von beiden endeten die Flucht wie auch sein Leben im verlassenen Vereinshaus eines Ruderclubs. Aber wer hat ihn getötet? Und wer war die Frau in seinem Auto, deren billiges Deo Jana riecht? Die Spur führt nach Kopenhagen: Der tote Mann entpuppt sich als Karsten Rogge (Andreas Pietschmann), dänischer Staatsbürger mit deutschen Wurzeln. Seine Frau, eine vermögende Reederin, wähnt ihn in Norwegen. Dass er eine Wohnung in Barcelona gekauft hat, weiß sie ebenfalls nicht; und nun entfaltet der Film ein komplexes Drama mit zwei Paaren, die schon ewig miteinander befreundet sind.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Von Drehbuchautor André Georgi stammt auch eine frühere Episode der Reihe, "Das Versprechen" (2016); dort ging es ebenfalls um einen unglücklichen Liebesrausch. Und noch eins eint die beiden Filme: Weil Jana dänische Amtshilfe braucht, darf erneut der Schwede Magnus Krepper als Kopenhagener Kollege Malte Larssen mitwirken. Die beiden hatten einen kleinen Flirt, und das setzt sich nun fort, auch wenn der melancholische Malte kurz für Missstimmung sorgt, weil er Jana seine Suspendierung verschweigt. Judith Kennel, die bislang bei allen Folgen der Reihe Regie geführt hat, inszeniert die Liebelei angenehm beiläufig, zumal Natalia Wörner ihre Hauptfigur auch in diesen Szenen mit kühler Reserviertheit verkörpert. Umso angenehmer ist der Ausgleich, für den die weiteren Mitwirkenden sorgen. Trotz der klaren zentralen Rolle ist "Unter anderen Umständen" eine Ensemble-Reihe. Im Lauf der Jahre sind einige Kollegen gekommen und wieder gegangen; von den Gründungsmitgliedern sind nur noch Martin Brambach und Ralph Herforth dabei. Gerade Herforth sorgt diesmal für die unterhaltsamen Momente, weil der gut gelaunte Hamm den Kommissariatsleiter Brauner aufzieht und das Alphamännchen rauskehrt, als Malte mit Jana nach Schleswig kommt. Brambach verkörpert den Vorgesetzten mit gewohnter Klasse. Krepper, ganz famos als zweite Titelfigur in einem "Tatort" aus Kiel ("Borowski und der coole Hund"), ist ohnehin eine Bereicherung für jeden Film. Ähnlich gut besetzt sind auch die Gastrollen. Das gilt vor allem für die Frauen: Die beiden weiblichen Mitglieder des deutsch-dänischen Freundschaftsquartetts, Anna und Pernille, werden ganz vorzüglich von Regula Grauwiller und Lia Boysen verkörpert. Die beiden Paare haben Kinder im Teenager-Alter, Jonas und Caro (Merlin Rose, Emma Drogunova). Jonas liebt Caro, das ist nicht zu übersehen. Die Ermittler konzentrieren sich jedoch recht bald auf Anna, weil sie überzeugt sind, dass sie eine Affäre mit ihrem Jugendfreund Carsten hatte.
Die erste Hälfte des Films verdankt ihre Spannung nicht zuletzt der Musik (Jean-Paul Wall); in der zweiten, die überwiegend aus Vernehmungen im Kommissariat spielt, sind vor allem die Schauspieler gefragt. Dank der entsprechenden Rückblenden wird auch klar, warum der scheinbar winzige Part des Mordopfers recht prominent mit Andreas Pietschmann besetzt worden ist. Der manisch-depressive Deutschdäne ist eine interessante Rolle: mal zu Tode betrübt, dann wieder, wie kurz vor seinem Tod, Richtung Sonne unterwegs. Am Ende ist die Lösung nicht nur Janas Spürnase, sondern auch ihrem Sohn zu verdanken, weil Leo (Kian Schmidt) die Ermittler unfreiwillig auf die richtige Spur bringt.