Herr Schwarz, Sie wurden im Oktober 2018 zum neuen Bischof der DELKU gewählt. Wie gefällt Ihnen Ihr neues Amt?
Pawlo Schwarz: Ich hätte das Amt gerne jemand anderem überlassen, weil ich am liebsten einfach Pastor bin. Aber ob mir das Amt gefällt oder nicht, war nicht die Frage. Nachdem Bischof Serge Maschewski abgewählt worden war, schlugen einige Pastoren mich als seinen Nachfolger vor. Die DELKU musste 2018 ein Krisenjahr überstehen. Und da konnte ich mich nicht verweigern.
Die Krise, von der Sie sprachen, ist eng mit Ihrem Amtsvorgänger Serge Maschewski verbunden, dem unter anderem autoritäre Amtsführung und Korruption vorgeworfen werden. Haben Sie derzeit Kontakt mit ihm?
Schwarz: Eigentlich nicht. Im April habe ich ihn aber bei einer Veranstaltung in Kiew zufällig getroffen. Er begrüßte mich, tat, als sei nichts gewesen, und sagte zu mir: Lass uns unsere Dinge friedlich regeln. Ich antwortete, wenn er Vorschläge habe, solle er sie schriftlich machen. Das wollte er aber nicht. Er bot mir an, uns ein Grundstück in Charkiw mit Kirche und Wohnung zu überlassen, wenn wir ihn dafür in Ruhe lassen und alle Besitztümer der DELKU im Odessaer Gebiet bei ihm bleiben. Es war nicht das erste Gespräch dieser Art. Er hat mir und der DELKU schon öfter seltsame Angebote gemacht - zum Beispiel, dass ich als Pastor zurücktreten und stattdessen andere Aufgaben in der Gemeinde übernehmen soll. Das meinte er ernst und hielt es für ein gutes Angebot. Jedes Treffen und jeder Schriftwechsel mit Maschewski in den vergangenen zwei bis zweieinhalb Jahren war eine eigene Geschichte, die man aufschreiben könnte.
"Dieser Kampf ist aber nicht nur juristisch schwierig, sondern auch moralisch"
Was macht Serge Maschewski jetzt, nach seiner Abwahl?
Schwarz: Er sieht sich nach wie vor als Bischof und hat einen Teil der Gemeinden auf seiner Seite. Nach der Synode im Oktober wurde ich als Verwaltungsvorsitzender der DELKU registriert, aber Maschewski hat das wieder rückgängig gemacht und das Melderegister mit gerichtlicher Hilfe blockiert. Deshalb ist er für den ukrainischen Staat weiterhin Vorsitzender der Verwaltung unserer Kirche und hat nach wie vor Zugang zu Finanzmitteln der DELKU, zu Immobilien, Autos. Vor einem halben Jahr hat er beschlossen, sich "Bischof der gesamten Ukraine" zu nennen.
Wie problematisch ist es für die DELKU, dass Maschewski immer noch Einfluss und Zugang zu kirchlichem Geld hat?
Schwarz: Natürlich ist das ein Problem für uns. Er gibt seine Besitztümer nicht nur nicht ab, sondern droht auch allen Gemeinden, die sich von ihm abgewandt haben. Die Mitglieder der Synode, die mich zum Bischof gewählt hat, hat er angezeigt. Zwei Gemeinden hat er bei der Arbeitskommission (Behörde, die bei Verdacht auf Verstöße gegen das Arbeitsrecht ermittelt, Anm. d. Red.) gemeldet. Diese untersucht jetzt, ob es zu Schwarzarbeit oder sonstigen Verstößen gekommen ist. Maschewski versucht also auf alle erdenklichen Arten, uns das Leben schwer zu machen. Gott sei Dank arbeiten wir als Synode inzwischen sehr gut zusammen und verteidigen unsere Interessen. Dieser Kampf ist aber nicht nur juristisch schwierig, sondern auch moralisch. Zu einem Gemeindemitglied hat Maschewski gesagt: Deine Taufe gilt nicht mehr. Oder er und seine Unterstützer schließen Gläubige von der Kommunion aus. Die Situation unserer Gemeinden ist ohnehin schon seit Jahren angespannt, und durch diesen Konflikt sind unsere Mitglieder weniger geworden.
"Wir können uns nur weiterentwickeln oder sterben"
Wie viele Gemeinden und Mitglieder hat die DELKU derzeit ungefähr?
Schwarz: Als Serge Maschewski 2013 zum Bischof gewählt wurde, waren es offiziell 2.000 bis 2.500 Mitglieder, jetzt höchstens 1.000 - Maschewskis und unsere Gemeinden zusammengezählt. Gemeinden waren es zum Zeitpunkt von Maschewskis Wahl 31. Weil wir Gemeinden auf der Krim und im Donbass verloren haben, sind es heute noch 23. Davon unterstützen zehn Gemeinden mit insgesamt 250 Mitgliedern Maschewski, 13 Gemeinden mit etwa 750 Mitgliedern sind auf unserer Seite. Als uns die bayerische evangelische Landeskirche noch unterstützte, hatten wir finanzielle Stabilität. Bei unseren Projekten haben geistliche Fragen immer eine große Rolle gespielt, weil uns die spirituellen Grundlagen fehlten und wir den Übergang von einer deutschen Gemeinschaft zu einer Kirchengemeinde gestalten mussten.
Haben die meisten Mitglieder der DELKU deutsche Wurzeln?
Schwarz: Inzwischen nicht mehr. Die Mitglieder mit deutschen Wurzeln sind nach und nach ausgewandert. Und dass jemand deutsche Wurzeln hat, heißt nicht, dass er oder sie Deutsch spricht. In der Charkiwer Gemeinde spricht eine Frau fließend Deutsch, fünf bis sieben weitere einigermaßen.
Ist es für eine winzige Kirche wie die DELKU nicht sehr schwierig, sich in einem Land wie der Ukraine zu halten?
Schwarz: Was die Religionsfreiheit angeht, haben wir keine Probleme. Die Gesetze sind gut, ich würde nicht sagen, dass wir Einschränkungen spüren. "Halten" können wir uns dagegen gar nicht, wir können uns nur weiterentwickeln oder sterben. Insgesamt gibt es in der Ukraine über eine Million Protestanten. Die Perspektiven für die Lutheraner im Land sind also gut. Das Wichtigste ist, dass wir unsere Mission und Spiritualität weiterentwickeln.
Wie viele Menschen kommen in der Regel zu Ihren Gottesdiensten?
Schwarz: Es waren mal mehr. Wir haben in Charkiw 70 Gemeindemitglieder. Vor einem Jahr sind meist etwa 35 Menschen zu den Gottesdiensten gekommen, also die Hälfte der Mitglieder. Jetzt sind es 25 bis 30. Die Jugend ist uns gerade weggebrochen. Viele sind zum Studieren nach Deutschland oder in andere Länder gegangen, und wir müssen unsere Jugendarbeit von vorne beginnen.
Warum wollten Sie Pastor werden?
Schwarz: Das war ein langer und schwieriger Prozess. Meine Mutter, eine Deutsche aus Sibirien, trat Anfang der 90er Jahre der DELKU bei. Dadurch hatte ich früh Kontakt mit der Lutherischen Kirche, meine Großmutter dagegen war Zeugin Jehovas. Sie hat meine Offenheit für Spiritualität gefördert. Erst mit 20 Jahren habe ich mich konfirmieren lassen. Nach meinem Wehrdienst war ich erstmals bei religiösen Seminaren und habe im protestantischen Jugendlager "Gloria" gearbeitet. Irgendwann bekam ich ein Angebot, eine Bibelschule in Polen zu besuchen. Dort machte ich intensive Bekanntschaft mit der Bibel und erlebte meine spirituelle Erweckung. Auf der Bibelschule habe ich auch meine Frau kennengelernt. Danach wollte ich Pastor werden. Ich habe fünf Jahre lang in Warschau Theologie studiert und ging danach zurück in die Ukraine. Mir gefällt es, Pastor zu sein, Gottesdienste zu halten und Kontakt mit den Menschen zu haben. Dafür danke ich Gott.