Wenn schon Redensart, dann schleichen sie ewig lang um den heißen Brei, denn Wolfgang und Hanne Kaffenberg (Hansjürgen Hürrig, Ruth Reinecke) schaffen es einfach nicht, ihrer Tochter Nora (Chiara Schoras) die Wahrheit zu sagen: Sie kehren mit einem Haufen Schulden aus Island zurück. Wolfgang muss deshalb eine Hypothek auf das Haus der Kaffenbergs aufnehmen, in dem Nora mit ihrem Sohn lebt; und dann gibt es noch etwas, das er sich nicht zu sagen traut.
Buch und Regie folgen dem bewährten Muster, ein ernstes Thema in eine muntere Handlung zu betten und das filmische Vorzeichen nach und nach zu verändern; das ZDF hat vor einigen Jahren mit "Mama geht nicht mehr" (2016, mit Mariele Millowitsch als krebskranke Mutter und Mina Tander als Tochter) eine ganz ähnliche Geschichte erzählt. Deshalb ist der Film zunächst in erster Linie spaßig: Mutter Hanne geht ihrer Tochter alsbald auf die Nerven, weil sie im einstigen Eigenheim im Frankfurter Speckgürtel umgehend wieder die alte Ordnung herstellt. Da das Gästezimmer eine Rumpelkammer ist, schlafen die Eltern in Noras Zimmer, während sie im Wohnzimmer nächtigt, wo sie prompt dauernd geweckt wird. Natürlich mischen sich die Alten in die Erziehung des 14jährigen Linus (Paul Sundheim) ein. Zu allem Überfluss muss Nora auch noch Khalid (Kai Albrecht) unterbringen, den attraktiven marokkanischen Urlaubsflirt ihrer verheirateten Mitarbeiterin und Freundin Felicitas (Alice von Lindenau). Wolfgang und Hanne halten den Mann für einen Flüchtling, der Rest des Dorfes ist dank einer Tratschtante (Regine Vergeen) in der Nachbarschaft alsbald überzeugt, er sei ihr Liebhaber.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Das Drehbuch ist von Sandra Lüpkes und Jürgen Kehrer, die bislang vor allem für "Wilsberg" tätig waren. Ihre Beiträge (zuletzt "Minus 196 Grad") sind in der Regel nicht bloß sehenswert, sondern im Rahmen der eher heiteren ZDF-Krimireihe meist auch ungewöhnlich spannend. Die Genre-Mischung scheint dem schreibenden Ehepaar zu liegen, denn "Mit der Tür ins Haus" ist im Grunde ein Drama: Noras Verhältnis zu den Eltern ist zwiespältig, weil sie sich einst als junge Frau im Stich gelassen fühlte (eine weitere Parallele zu "Mama geht nicht mehr"), zumal sie auch noch die Verantwortung für das Kaffenberg’sche Reisebüro übernehmen musste. Karola Meeder, die für das ZDF schon eine Vielzahl filmischen Zeitvertreibs im Rahmen von Reihen wie "Traumschiff", "Kreuzfahrt ins Glück" oder "Inga Lindström" gedreht und mit "Anne und der König von Dresden” (2017) für eine der schönsten ZDF-Sonntagsromanzen der letzten Jahre gesorgt hat, inszeniert die Geschichte im guten Sinne routiniert. Es gibt einige lustige Szenen, die größtenteils auf Missverständnissen basieren, aber witzig umgesetzt und von Chiara Schoras amüsant gespielt sind: Als Khalid vor der Tür steht, hält sie ihn für den Wellness-Masseur, den Feli ihr zum Geburtstag geschenkt hat; eine Einladung, die der Marokkaner gern annimmt. Später verfängt sich ein Lockenstab in ihren Haaren; das Kopftuch, das sie sich kurzerhand anzieht, hat angesichts eines mutmaßlichen muslimischen Liebhabers natürlich eine gewisse Symbolkraft. Gelungene Running Gags sind die fragwürdigen isländischen Gerichte, die Hanne regelmäßig kocht, oder die morgendlichen Schlangen vor dem Badezimmer.
Längst nicht so ulkig wie sicherlich erhofft sind dagegen die Meinungsverschiedenheiten mit "Alara". Die digitale Sprachassistentin mischt sich gern ungefragt in Noras Leben ein oder sorgt mit lautem Weckruf dafür, dass sie vom Sofa purzelt; dabei hat der Film diese Art von Humor gar nicht nötig. Das gilt auch für die wenig glaubwürdigen Maßnahmen, die Alara vorschlägt, um die Eltern wieder loszuwerden (Kakerlaken, toter Fisch unterm Bett). Die Aktion hat zwar Erfolg, aber Nora ist trotzdem nicht zufrieden: Linus zieht zu seinem Erzeuger, die Zukunft des Reisebüros ist fraglich, Wolfgang irrt orientierungslos durchs Dorf; plötzlich ist die Komödie gar nicht mehr komisch, ohne allerdings wirklich zum Drama zu werden. Mit der absehbaren Pflegebedürftigkeit des Vaters wird immerhin ein ernstes Thema angeschnitten, zumal Hansjürgen Hürrig die entsprechenden Szenen sehr anrührend spielt. Hin und wieder taucht zwar ein nur für Wolfgang sichtbares Lama auf, aber ansonsten verzichtet der Film darauf, die Krankheit für billige Demenz-Scherze auszuschlachten. Der Vater ist vielmehr die tragische Figur der Geschichte: Früher hatte er immer alles im Griff, heute bleibt nicht mal mehr das im Garten aufgebaute Familienzelt stehen. Trotzdem trägt "Mit der Tür ins Haus" seinen etwas polterigen Titel angesichts des eher unsubtilen Humors nicht zu Unrecht. Dass der Arbeitstitel "Pension Tochter" beim ZDF nicht auf Gegenliebe stieß, ist nachvollziehbar. Als Alternative hätte sich "Gekommen um zu bleiben" angeboten, zumal auch das gleichnamige Lied der deutschen Popband Wir sind Helden erklingt, aber das war der Redaktion für eine Komödie womöglich zu sachlich.