Ein beliebtes Thema waren zum Beispiel Beziehungskrisen, weil einer der beiden Partner lieber Karriere macht, als sich um die Familie zu kümmern. Da die Degeto-Produktionen konservative Anschauungen vermittelten, war es selbstredend stets der Mann, der sich egoistisch verhielt; das dürfte sich auch mit der Lebenserfahrung der nicht mehr ganz so jungen Zielgruppe decken. Und weil die allgemeine Ordnung in leichten Dramen dieser Art zwar gern in Frage gestellt, aber nie über den Haufen geworfen wird, einigt sich das zwischendurch zerstrittene Paar am Ende zumeist auf einen Kompromiss.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
"Weniger ist mehr" ist jedoch ein Film von Jan R?ži?ka, dessen Arbeiten schon immer deutlich über dem Durchschnitt lagen, zumal er bekannte Motive schon immer gegen den Strich gebürstet hat. Im Unterschied zur Mehrheit der sonstigen Freitagsfilme ist die Hauptfigur dieses damals von der ARD als Komödie angekündigten Ehedramas daher nicht die Frau, sondern der Mann; und das nicht allein, weil Benno Fürmann entschieden bekannter ist als Ulrike C. Tscharre. Der Schauspieler war auch Hauptdarsteller des ungewöhnlichen Films "Der Mauerschütze" (2010), mit dem R?ži?ka das Kunststück einer kurzweiligen Tragödie gelang. "Weniger ist mehr" entzieht sich ebenfalls der Einordnung: Die Verpackung trägt komödiantische Züge, aber der Inhalt ist durchaus dramatischer Natur.
Bei dieser Konstellation ist die Glaubwürdigkeit entscheidend, und die verdankt der Film neben dem Drehbuch (Georg Heinzen) vor allem der Schauspielerführung. Fürmann spielt einen Überflieger, der ein Leben auf der Überholspur führt; selbstredend sieht man ihn auch irgendwann mit Lichthupe auf der Autobahn. Aber Frank Schuster ist keiner jener typischen Abziehbildkarrieristen, die Fernsehfilme dieser Art gern zum Gegenspieler einer aufopferungsvolle Heldin machen: Er ist sympathisch, liebt Frau und Kinder, hat für alle ein offenes Ohr und legt im High-Tech-Unternehmen auch mal selbst Hand an, wenn’s irgendwo klemmt. Sein einziger Nachteil: Er kann nicht abschalten. Buch und Regie finden dafür originelle Bilder; beim Hochzeitstag ihn trauter Zweisamkeit zum Beispiel bringt Frank sein Telefon an der Wade an; wie ein Cop im US-Krimi die Zweitwaffe. Als er nur mit viel Glück einen Autounfall überlebt, ändert er sein Leben von Grund auf, wenn auch anders, als seiner Familie lieb ist: Er bremst von hundert auf null, kündigt seinen Job und fällt seiner Familie fortan als Besserwisser und Im-Weg-Rumsteher auf die Nerven.
Das klingt nach einer Komödie à la "Pappa ante Portas", und vorübergehend ist "Weniger ist mehr" tatsächlich vorwiegend heiter, aber dann ändert sich das Vorzeichen dank R?ži?kas Regietalent unmerklicher, als die Entwicklung der Handlung das nahe legt: Im festen Glauben an die Früchte seiner Arbeit hat Frank die Rücklagen der Familie in ein Projekt seiner Firma investiert. Als es nicht realisiert wird, stehen die Schusters plötzlich ohne Geld da, und müssen aus ihrer schmucken Villa am Starnberger See in eine hässliche Doppelhaushälfte ziehen. Schließlich kommt es zum Rollentausch: Veronika verdingt sich bei einem Makler (Philipp Moog), was Frank aber auch nicht recht ist, zumal er alsbald vermuten muss, dass die Gattin mehr als bloß ein Angestelltenverhältnis mit ihrem neuen Chef pflegt.
Interessanterweise baut der konzentriert und auf jeden optischen Schnickschnack verzichtende Film (Bildgestaltung: Gunnar Fuß) aber nun keineswegs eine Front zwischen den Eheleuten auf. Womöglich war auch Berechnung im Spiel, weil die Identifikationsfigur der Zielgruppe nicht beschädigt werden sollte, aber die offenen Auseinandersetzungen tragen sich zwischen Frank und der fast 16jährigen Tochter Janina zu. Auch Janina Fautz ist von R?ži?ka bemerkenswert gut geführt worden, was den Streitereien zwischen Vater und Tochter große Authentizität verleiht. Es ist vor allem Janina, die den sozialen Abstieg lautstark beklagt und ausspricht, was Veronika zunächst lieber runterschluckt. Ohnehin sorgen gleich mehrere sorgfältig gestaltete Nebenfiguren dafür, dass der Film ungleich komplexer ist, als der zentrale Konflikt vermuten ließe. Dass das Paar am Ende doch noch einen gemeinsamen Weg findet, mutet zwar fast schon märchenhaft an, ist aber keineswegs bloß ein Tribut an den Sendeplatz.