Insofern ist der Ansatz der ungewöhnlichen Romanze "Verliebt in Valerie" durchaus mutig, denn die von Sebastian Zimmler jederzeit glaubwürdig verkörperte Hauptfigur ist Held und Antiheld in einer Person: Einerseits ist Florians Hingerissenheit absolut nachzuvollziehen, schließlich wird seine Angebetete von Mina Tander gespielt; andererseits ist der studierte Meteorologe, den das Schicksal als Hausmeistergehilfen in ein Luxushotel verschlagen hat, aufgrund seines Asperger-Syndroms derart in sich selbst verkapselt, dass kein Zuschauer gern mit ihm tauschen würde. Eine Beziehung zu dem schönen Zimmermädchen scheint ohnehin chancenlos, und das nicht nur, weil eine wie sie einen wie ihn im wahren Lieben nicht mal zur Kenntnis nehmen würde: Während der neurotische Florian ein Ordnungsfanatiker ist, regiert in Valeries Leben das Chaos, weshalb sie unter anderem ständig zu spät zur Arbeit erscheint. Als ihre Chefin (Therese Hämer) rausfindet, dass sie die betuchten Gäste um ihr Kleingeld erleichtert, droht ihr auch noch die Kündigung; Florian betrachtet es daher als natürliche Herausforderung, klare Strukturen in ihr Leben zu bringen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die Geschichte hat das Zeug zur Tragödie und ist gerade deshalb ein ausgezeichneter Komödienstoff, zumal Markus B. Altmeyer (Buch) und Claudia Garde (Regie) einen naheliegenden Fehler vermeiden: Die heitere Ebene wird nicht auf die Spitze getrieben, weil der Film seinen Helden ernst nimmt und sich nie über ihn lustig macht; in dieser Hinsicht erinnert "Verliebt in Valerie" an den thematisch und in einigen Details sehr verwandten australischen Überraschungsbestseller "Das Rosie-Projekt" von Graeme Simsion. Natürlich ist Florian dank seiner diversen Ticks, seiner unbestechlichen Logik und einem mitunter auf fatale Weise innigen Verhältnis zur Wahrheit ein ziemlich wunderlicher Typ, den Zimmler zudem konsequent mit verschlossener Mimik und staksig-steifer Körpersprache versieht; deshalb fällt es zunächst nicht leicht, einen Zugang zu ihm zu finden. Es gibt jedoch eine weitere Figur, die gewissermaßen als Pendant für den Bruder in "Rain Man" dient: Hausmeister Henk (Martin Wuttke) hat Florian unter seine väterlichen Fittiche genommen und will ihm helfen, Valerie zu erobern. Henk taugt allerdings bloß bedingt als Lehrmeister, denn seine Erfahrungen mit dem weiblichen Geschlecht speisen sich hauptsächlich aus den Klischees billiger Liebesromane und dem regelmäßigen Besuch eines Bordells. Prompt fängt sich Florian eine Ohrfeige von Valerie ein, weil Henk ihm erzählt hat, dass Frauen in Wirklichkeit etwas völlig Anderes erwarten, wenn sie mit einem Mann einen Kaffee trinken wollen. Aus dem Groschenroman stammt auch seine Frage, ob Valeries Herz "wie das Innenleben einer Kuckucksuhr" poche.
Im Grunde ist Henk also eine ähnlich tragische Existenz wie sein Gehilfe, und das nicht nur, weil seine eigene große Liebe schon vor geraumer Zeit in die Brüche gegangen ist. Außerdem bringt er es nicht übers Herz, Florian zu gestehen, dass er demnächst in Rente gehen wird. Valerie ist ebenfalls eine typische Dramafigur: Ihre Neigung zu Chaos und zu viel Alkohol ist das Resultat einer zerrütteten Ehe; weil sie betrunken Auto gefahren ist, darf sie ihre kleine Tochter nicht mehr sehen. Auch in dieser Hinsicht kann Florian helfen, schließlich hat er sich eine Nachtwache am Bett der betrunkenen Valerie mit der Lektüre des Bürgerlichen Gesetzbuchs vertrieben, das er nun auswendig kennt.
Vermutlich war es gar nicht so einfach, diese Geschichte als Komödie zu erzählen, schließlich sind die zentralen Charaktere allesamt emotional gescheitert. Die große Herausforderung für Garde, Regisseurin einiger sehenswerter "Tatort"-Episoden und zuletzt des guten Sat.1-Thrillers "Das Nebelhaus", bestand also darin, "Verliebt in Valerie" einerseits mit heiterem Tonfall zu versehen, andererseits nicht übers Ziel hinauszuschießen. Das ist auch deshalb gelungen, weil gerade die beiden Hauptdarsteller ihre Figuren mit Würde versehen und Garde selbst die witzigen Momente nicht explizit komödiantisch inszeniert. Einzige Ungereimtheit in dieser Hinsicht ist der starke Wiener Akzent, mit dem der Westfale Wuttke den Hausmeister versieht. Unnötig überzeichnet sind auch die kleineren Nebenrollen: Valeries Ex-Mann (Johannes Zirner) ist ein Unhold, und eine Szene, in der Hotelmanager Jean-Luc (Florian Karlheim) dem Zimmermädchen an die Wäsche will, wirkt wie aus einem Lehrfilm über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Davon abgesehen sorgen hier ähnlich wie bei einem Thriller, in dem scheinbar harmlose Szenen erst durch die Musik spannend werden, die Kompositionen von Colin Towns für ein heiteres Vorzeichen. Dank Florians neuem Arbeitsplatz in einer Wetterwarte über den Wolken gibt es zusätzlich zu den schönen Aufnahmen vom winterlichen Tegernsee (Kamera: Carsten Thiele) auch noch viel Augenfutter in Form prachtvoller Alpenpanoramen.