1961: Luis Bunuel, "Viridiana"
Ziemlich abgefahren: Der spanisch-mexikanische Filmemacher Luis Bunuel ersann eine Geschichte, in der eine Nonne sich Bettlern und Obdachlosen widmet. Sie lädt sie zu einem großen Fest in ein Haus wohlhabender Leute. In einer Szene des Filmes stellen sie alle unbeabsichtigt Da Vincis Abendmahl nach. Christus wird von einem blinden Bettler verkörpert. Die Pointe empörte fromme Katholiken vollends: Die Fotografin des Bildes zeigt den Tischgefährten ihren nackten Körper. Dazu ist das Halleluja aus Händels Messias zu hören. In Spanien wurde der Film verboten, in Cannes erhielt er den Goldenen Löwen. Der Film ist deutlich kirchenkritisch - indem Bunuel aber die Mühseligen und Beladenen an den Tisch Jesu setzt, zeigt er Bibeltreue.
1987: Andy Warhol, "The Last Supper Paintings"
Die "Mona Lisa" hatte Andy Warhol sich bereits vorgenommen. 1985 begann er mit einem Bilderzyklus über Da Vincis Abendmahl. 100 Bilder, von der Skizze bis zum meterhohen Wandbild. Mit verschiedenen Techniken verfremdete er das Original, kombinierte mit Werbe-Signets von Heinz Tomatenketchup und Camel. "The Last Supper Paintings" sind provokant - aber nie verletzend. Im Januar 1987 lud Warhol zur Vernissage in den Mailänder Palazzo Stelline, nur ein paar hundert Meter vom Original entfernt. Zehn Wochen danach starb Warhol. Seine "Last Supper Paitings" sehen viele daher als eine Art Vermächtnis. Zumal nach seinem Tod bekannt wurde, dass der katholisch geborene Warhol steter Kirchgänger in der Upper Eastside war. "Die Religion gab ihm eine Weltsicht zurück, mit der er aufgewachsen war", sagte ein Freund.
1996: Renee Cox, "Yo Mama's Last Supper"
Jesus eine farbige Frau, zudem nackt, am Tisch mit seltsamen anderen Farbigen? Mit ihrer Abendmahls-Fotografie provozierte die US-Künstlerin Renee Cox viele. New Yorks Bürgermeister Rudy Giuliani wollte die Ausstellung des vermeintlich blasphemischen Bildes in seiner Stadt verbieten. "Ich verstehe nicht, warum Sie von antikatholisch sprechen", konterte Cox, "ich bin als Katholikin aufgewachsen!" Cox hatte sich selbst in die Position des Jesus gestellt - ihr Bild ist also ein Selbstbildnis. Sie sieht es als frommes Bild, mit dem sie sich für die Rechte der Afroamerikanerinnen einsetzen will. Es wird gemeinhin als ein Dokument schwarzer feministischer Theologie gedeutet.
1998: VW Werbung
Ganz normale Menschen sitzen um den Abendmahlstisch, Jesus ein harmloser Weißer: Künstlerisch ist dieses Motiv nicht originell. Bekannt wurde es durch den Einsatz in einer riesigen Werbekampagne, die VW in Frankreich für ein neues Golf-Modell startete. Die Werbeleute schrieben einen ziemlich dümmlichen Spruch darunter: "Freuen wir uns, Freunde, denn uns ist heute der neue Volkswagen geboren." Frankreichs Katholiken wehrten sich - ihre Argumentation ist kühn. Da Vincis Bild sei kein Kunstwerk, sondern ein christliches Bild. Deshalb sei die Kirche für die Wahrung der rechten Darstellung zuständig und dürfe diese wenn nötig auch juristisch einklagen. Am Ende einigten sich VW und Kirche - der Autobauer hängte die Plakate ab und spendete eine große Summe an katholische Hilfsorganisationen. Die Publicity für VW war durch den katholischen Widerspruch riesig geworden.
2004: John Byrne, "Dublin's last Supper"
Mitten in Dublin, nahe der Millennium Bridge, hat der irische Künstler John Byrne seine Version des Abendmahls angebracht. Über neun Meter breit, 2 Meter 20 hoch: ein imposantes, irritierendes Kunstwerk mitten im italienischen Viertel. Byrne ging es darum, ganz normale Menschen aus verschiedenen Kulturen an den Tisch Jesu zu setzen. Also war er auf Typensuche durch Dublin gegangen. Mit den Ausgewählten inszenierte er in einer Kirche ein aufwändiges Shooting. Die Darsteller nehmen ähnliche Posen wie auf dem Da Vinci-Bild ein, eine bunte Mischung: Unter den Jüngern sind ein Tattoo-Artist, eine Arbeiterin, ein IT-Freak. Jesus ist ein indischer Student des Trinity College. Tausende Touristen schlendern heute durch die kleine Straße. Vor dem Kunstwerk stehen Bistrotische einer italienischen Bar. Wer dort sitzt, fühlt sich fast wie ein Gast am Abendmahlstisch.
2005: Brigitte Niedermair, "The Last Supper" (Werbung für Gribaud)
Eigentlich ziemlich anständig: Wieder eine Frau in der Position Jesu, die Jüngerschar besteht aus elf gut angezogenen Frauen und einem Mann, von dem man nur den nackten Rücken sieht. Wer die Füße zählt, wundert sich allerdings: vier sind auf mysteriöse Weise verschwunden. Katholische Glaubenswächter erwirkten trotz der Anständigkeit des Bildes eine Zensur, als die Modefirma Gribaud mit diesem Motiv eine Werbeaktion startete. Die Modefirma äußerte Unverständnis: "Die Künstlerin, Brigitte Niedermaier hat ihre ganze Begabung bei der Behandlung dieses Bildes eingesetzt, um das uns heute Kunsthochschulen bitten, die darüber arbeiten wollen [...] Wir haben ein Bild nachgemacht, das zum Weltkulturerbe gehört und dabei aufgepasst, dass wir darin keine religiösen symbolischen Zeichen zeigen." Stimmt: Weder Kreuz noch Heiligenschein oder Abendmahlskelch sind zu sehen.