TV-Tipp: "Mutterliebe – Der Usedom-Krimi" (ARD)

Alter Fernseher vor gelber Wand
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Mutterliebe – Der Usedom-Krimi" (ARD)
21.2., ARD, 20.15 Uhr
"Mutterliebe" ist der erste "Usedom"-Krimi, der nicht vom Trio Scarlett Kleint, Alfred Roesler-Kleint und Michael Vershinin stammt; das Drehbuch zum achten Teil der ARD-Reihe ist von Marija Erceg.
Sie hat neben diversen "Soko"-Folgen zuletzt fürs ZDF "Der Richter" (2018) geschrieben, ein Krimidrama mit Heino Ferch, das sein Thriller-Potenzial nicht ausgenutzt hat. Bei den "Usedom"-Krimis ist das kein Kriterium; die Filme sind ohnehin in erster Linie Dramen. Das gilt auch für "Mutterliebe". Episodenhauptrolle ist eine Frau, Martina Gentsch (Theresa Scholze), die vor zwei Jahren ihren Geliebten erschossen hat. Sie beteuert, sie habe aus Notwehr gehandelt, weil der Mann mit einem Messer auf die losgegangen sei, aber diese Waffe ist nie gefunden worden. Nun soll ein Anwalt den Fall neu aufrollen, und tatsächlich hat der Mann offenbar Hinweise entdeckt, die ein Wiederaufnahmeverfahren rechtfertigen würden; aber dann wird er ohne Hinweis auf Fremdeinwirkung tot in seinem Auto gefunden. 
 
Das ist als Grundidee schon mal recht reizvoll, zumal die Autorin das Thema geschickt mit dem "Usedom"-Ensemble verknüpft: Martina Gentsch war die Jugendliebe von Polizist Brendel (Rainer Sellien), der sich erheblich ins Zeug legt, um sie aus dem Gefängnis zu holen; dabei überschreitet er auch des Öfteren seine Kompetenzen. Die Hauptfigur der Reihe, die frühere Staatsanwältin Karin Lossow (Katrin Sass), kommt ins Spiel, weil Brendel sie um Hilfe bittet. Das wiederum alarmiert ihren Nachfolger, Brunner (Max Hopp), den eine innige Abneigung mit Lossow verbindet. Auf diese Weise leistet sich der Film den Luxus, den neuen Star der Reihe erst mal komplett außen vor zu lassen: Es vergehen tatsächlich zwanzig Minuten, bis endlich auch Rikke Lylloff mitwirken darf.
 
Natürlich geht es im Abschluss der Trilogie, die das "Erste" dankenswerterweise innerhalb von 14 Tagen zeigt, nach wie vor auch um das Kindheitstrauma von Ellen Norgaard. Die dänisch-deutsche Kommissarin hat als Kind ihre Mutter verloren. Das letzte Lebenszeichen gab es vor gut zwanzig Jahren, als die Frau kurz auf Usedom aufgetaucht ist und aus unerfindlichen Gründen die Scheiben von Lossows Haus eingeworfen hat; die beiden waren einst befreundet.
 
Es war vermutlich nicht ganz einfach, diese beiden grundverschiedenen Ebenen miteinander zu kombinieren: hier die vermeintlich unschuldige Mörderin, dort das Kindheitstrauma. Der Titel "Mutterliebe" deutet an, was die beiden Stränge verbindet, selbst wenn er im Grunde in die Irre führt; tatsächlich geht es nicht um die Mütter, sondern um die Töchter. Regie führte wie schon beim ersten Film der Trilogie, "Winterlicht", Uwe Janson. Die Bildgestaltung oblag diesmal zwar Dominik Berg, aber die optische Anmutung ist sehr ähnlich. Anders als der im Sommer gedrehte zweite Teil, "Geisterschiff", ist "Mutterliebe" im späten Winter entstanden; immer wieder streut Janson entsprechende Impressionen von kalter Schönheit ein. Auf diese Weise vermittelt der Film eine Atmosphäre, die gut zur Geschichte passt: Während Jansons Regiekollege Oliver Schmitz bei "Geisterschiff" für eine stellenweise fast heitere Stimmung sorgte, gibt es im Abschluss der Trilogie keine einzige komische Szene. Zum Ausgleich kommt es fast zu einer Romanze, weil Katrin Lossow beinahe dem Charme des polnischen Polizisten Gadocha (Merab Ninidze) erliegt. Aus Sicht ihres Schwiegersohns (Peter Schneider) und dessen Freund Brendel steht der Pole jedoch eindeutig auf der falschen Seite: Martina Gentsch ist überzeugt, dass Gadocha für das Verschwinden des Messers verantwortlich ist, denn ihr Geliebter war sein Schwiegersohn. Der gebürtige Georgier Ninidze, im deutschen Fernsehfilm gern als charismatischer Schurke besetzt, verkörpert diese Rolle auf reizvolle Weise vielschichtig: Seiner Enkelin ist Gadocha ein liebevoller Großvater, und gegenüber Lossow lässt er seinen Charme sprühen, was den Dialogen eine reizvolle Doppelbödigkeit verleiht; aber verschiedene Szenen deuten an, dass der Mann auch anders kann.
 
Davon abgesehen sind es nicht zuletzt die Details, die der Geschichte Glaubwürdigkeit und den Figuren Tiefe verleihen. Über Staatsanwalt Brunner zum Beispiel muss man im Grunde nicht mehr wissen als seine Reaktion auf Gadochas Nichte, die die Ordnung auf seinem Schreibtisch stört. Und als Brendel gegen Ende voller Zorn seine Waffe auf den polnischen Kollegen richtet, zittert anschließend seine Hand; vermutlich, weil er sich über sich selbst erschreckt. Ein kleines Schmankerl für Shakespeare-Freunde ist dagegen der Moment, als Ellen aus Hamlets berühmtem "Sein oder Nichtsein"-Monolog die Stelle über Sterben, schlafen, träumen zitiert, natürlich und mit Recht auf Dänisch, schließlich ist der tragische Titelheld der Prinz von Dänemark. Einen nicht zu unterschätzenden Anteil an der Qualität des Films hat auch diesmal wieder die Musik von Colin Towns. Die größten Gefühle rufen allerdings zwei perfekt eingesetzte Fremdkompositionen hervor: "Hide and Seek" von Imogen Heap und "Fragile" von Sting in der Version des kroatisches Duos 2Cellos