TV-Tipp: "Wellness für Paare" (Arte)

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TV-Tipp: "Wellness für Paare" (Arte)
15.2., Arte, 20.15 Uhr: "Wellness für Paare"
Es ist völlig normal, dass sich während einer Filmproduktion hinter der Kamera mehr Menschen tummeln als davor. So viel personellen Aufwand wie Jan Georg Schütte aber treibt hierzulande vermutlich kein anderer Regisseur; bei "Wellness für Paare" bestanden allein die Teams für die Gewerke Kamera und Ton aus insgesamt knapp drei Dutzend Mitgliedern.

Obwohl außerdem diverse namhafte Schauspieler mitwirken, bewegten sich die Produktionskosten im üblichen Rahmen: weil das Drama genauso wie Schüttes unter anderem mit dem Grimme-Preis ausgezeichnetes Ensemblewerk "Altersglühen – Speed Dating für Senioren" an nur einem Wochenende entstanden ist. Gedreht wurde mit zwanzig Kameras; allein deren Organisation sei, so Schütte, "ein technischer Wahnsinn" gewesen.

Anders als beim Speed-Dating-Film treten die handelnden Personen diesmal jedoch überwiegend paarweise auf. Die Handlung trägt sich in einem Wasserschloss zu, wo gestressten Menschen Balsam für Leib und Seele zuteil wird. Während beim ersten Bild noch alle gleich sind, weil sich die Mitwirkenden nach und nach in einer Sauna einfinden, sorgt der eigentliche Handlungsauftakt mit der Anreise dafür, dass die Figuren durch Kleidung und Auftritt gleich einen bestimmten Stempel bekommen. Zunächst machen die Paare einen ausgeglichenen Eindruck, aber während der Gespräche mit den (echten) Therapeuten, bei denen automatisch auch die biografischen Hintergründe zur Sprache kommen, zeigt sich, dass es in jeder der fünf Beziehungen unausgesprochene Probleme, Geheimnisse oder andere unbequeme Wahrheiten gibt: Der eher einfach gestrickte Zimmermann Dirk (Martin Brambach) fühlt sich durch den vehementen Kinderwunsch von Freundin Maren (Katharina Marie Schubert) derart unter Druck gesetzt, dass er Potenzprobleme bekommen hat und sich gar nicht mehr sicher ist, ob er auch ein Kind will. Bei Therese und Thomas (Anke Engelke, Sebastian Blomberg) ist es genau andersrum: Er hätte gern eine Familie, sie findet, sie sei mit fünfzig zu alt, um noch ein Kind zu bekommen. Bei zwei anderen Paaren steht Treue im Zentrum: Heinz-Peter (Michael Wittenborn) lässt beiläufig fallen, dass er bis zur Geburt der Kinder eine Geliebte hatte. Für ihn ist das gar kein Thema mehr; Ehefrau Michaela (Gabriela Maria Schmeide) ist jedoch schockiert, dass er sie jahrelang belogen und betrogen hat. Das Pädagogenpaar Nina und Malte (Anneke Kim Sarnau, Bjarne Mädel) ist schon seit Schulzeiten zusammen, wirkt aber immer noch verliebt wie einst, weshalb Malte erstaunlich gut damit klarkommt, dass sich Nina kürzlich einen Seitensprung erlaubt hat, weil sie auch mal Sex mit einem anderen Mann wollte. Ein deutlich größeres Problem haben Jan Erik (Devid Striesow) und seine sehr auf materielle Sicherheit bedachte polnische Freundin Kasa (Magdalena Boczarska): Er macht ihr während des Therapiegesprächs einen Heiratsantrag, bringt es aber nicht fertig, ihr zu gestehen, dass er pleite ist.

Wie "Altersglühen", so ist auch "Wellness für Paare" nicht zuletzt während des Schnitts entstanden. Ulf Albert, der auch schon Schüttes frühere Filme ("Leg ihn um", "Die Glücklichen") geschnitten hat und für seine Arbeit an "Altersglühen" gleichfalls mit dem Grimme-Preis sowie mit dem Deutschen Fernsehpreis geehrt wurde, ist erneut eine flüssige und auch dramaturgisch geschickte Verknüpfung der parallel erzählten Handlungsstränge gelungen. Überschneidungen zwischen den Paaren gibt es diesmal jedoch nur selten; meist resultieren sie aus Fluchtversuchen, weil einer der beiden Partner schreiend aus dem Gespräch davon läuft. Gerade diese Momente sorgen ebenso für unerwartet witzige Momente wie der Versuch von Nina und Malte, einen ungewöhnlichen Ort für Sex zu finden, wobei sie regelmäßig von Dirk gestört werden, der seine Maren sucht.

Selbst wenn die Darsteller diesmal nicht völlig unvorbereitet am Drehort eingetroffen sind: Auch "Wellness für Paare" ist bestes Improvisationskunstwerk; selbst Schütte war überrascht von den Wendungen, die sich während der Dreharbeiten ergeben haben. Die Schauspieler sind allerdings derart gut, dass Zufallszuschauer, die den Produktionshintergrund nicht kennen, kaum einen Unterschied zu einem gewöhnlichen Fernsehfilm feststellen werden; mit dem Unterschied vielleicht, dass die Menschen hier eben reden wie im richtigen Leben, weshalb sie sich auch mal ins Wort fallen oder Sätze unvollendet im Raum stehen bleiben. Für sich selbst hat Schütte wie schon bei "Altersglühen" ebenfalls eine kleine Rolle geschrieben: Er verkörpert den Concierge, auch wenn das keine Herausforderung für diesen wunderbaren Schauspieler ist, der gesteht, er sein ein bisschen neidisch auf sein Ensemble: "Ich würde so was auch gern spielen, aber leider dreht außer mir kaum jemand solche Filme." Der nächste ist bereits fertig; die ARD zeigt "Klassentreffen" am 6. März.