Paul Hicks schließt die Tür des Flugzeuges auf, das mitten auf dem Gelände des Luftbrückenmuseums im niedersächsischen Faßberg steht. Die C-47 der US-Luftwaffe symbolisiert ein Stück Weltgeschichte. Sie war ein "Rosinenbomber": Zwischen Sommer 1948 und Frühjahr 1949 versorgten britische und amerikanische Piloten die Menschen in West-Berlin über eine Luftbrücke mit dem Lebensnotwendigen. Im Dezember vor 70 Jahren brachten die Flieger bei der "Operation Santa Claus" dann besondere Ladung aus dem niedersächsischen Ort mit: Päckchen vom "Weihnachtsmann". Darin waren Geschenke für 10.000 Berliner Kinder.
"Kein Rentier war verfügbar? aber Santa kam trotzdem geflogen", berichtete damals die amerikanische "Daily News". Historische Fotos zeigen Soldaten, die aus einem Flugzeug Päckchen verteilen - schön in Geschenkpapier mit Schleifen einwickelt. Ein Junge hält eine Spielzeug-Trompete in der Hand, in die er gleich probehalber hineinbläst.
Es war die Zeit der Berlin-Blockade: Nachdem die Währungsreform der Westmächte die Spannungen zur Sowjetunion verschärft hatte, unterbrach die sowjetische Seite in der Nacht zum 24. Juni 1948 Land-, Schienen- und Wasserwege nach Westberlin und sperrte die Gas- und Stromversorgung. Wenige Tage später landeten die ersten Flugzeuge der Amerikaner und Briten auf den Flughäfen Tempelhof und Gatow.
Der Faßberger Flughafen nahe Celle war ein wichtiger Ausgangspunkt, von dem die "Rosinenbomber" im engen Takt fast wie am Fließband abhoben. "Statistiken zählten bis zu 450 Starts und Landungen pro Tag", sagt Museums-Sprecher Hicks vom benachbarten Luftwaffenstandort. Insgesamt hätten Arbeiter der deutschen Zivileinheit "German Civil Labour Organisation" 539.112 Tonnen Kohle in die Flieger geladen. Auch Lebensmittel wurden von Faßberg in die Stadt geflogen. Und dann hatten fünf amerikanische Piloten die Idee zu der Weihnachts-Aktion. Sie riefen dafür in ihrer Heimat zu Spenden auf und wurden mit Geschenken "überflutet", wie es in einem historischen Zeitungsbericht heißt.
In den blockierten Sektoren herrschte Not. "Berlin wurde aus der Luft versorgt, das hört sich immer so gewaltig an", erinnert sich der damals 14-jährige Jörg Sonnabend. "Aber wir hatten noch immer unsere Lebensmittelkarten mit 1.200 Kalorien pro Tag." Und manchmal war nicht einmal diese schmale Ration zu bekommen. Weihnachten 1948 ist ihm im Gedächtnis geblieben, weil er als Sohn eines Flughafen-Beschäftigten von den Engländern eingeladen wurde.
"Wir wurden fürstlich mit Essen und Süßigkeiten bewirtet", erzählt Sonnabend. "Wir fühlten uns wie im Schlaraffenland." Von Solidarität nicht nur zum Fest berichtet auch die Ausstellung im Faßberger Museum: Nordrhein-Westfalen schickte 10.000 Kerzen nach Berlin, insgesamt stifteten Menschen aus aller Welt mehr als 200.000 "Care-Pakete".
Der als "Candy-Bomber" bekanntgewordene Pilot Gail Halvorsen wurde zu Weihnachten mit Tausenden Dankbriefen überschüttet. Der Amerikaner warf im Landeanflug auf Berlin regelmäßig kleine Fallschirme mit Süßigkeiten ab. "Er ist ein einzigartiger Mensch", beschreibt Mercedes Wild den heute 98-Jährigen, "er glaubt immer an das Gute in den anderen."
Wild war damals sieben Jahre alt. Wenn Halvorsen den Flughafen Berlin-Tempelhof anflog, schreckten zwei Kilometer entfernt regelmäßig die Hühner ihrer Familie auf.
Doch einen der begehrten Fallschirme konnte sie nie erhaschen. "Ich habe ihm dann heimlich einen Brief geschrieben", erzählt Wild: "Wirf mal einen Fallschirm über dem Garten mit den weißen Hühnern ab." Das Mädchen bekam Antwortpost mit einem Kaugummi, das sie gegen eine Glaskugel tauschte. "Die Kugel hab ich heute noch", sagt die 77-Jährige. Und noch immer besteht auch die Freundschaft, die sich durch den Brief zum "Candy-Bomber" Halvorsen entwickelte.
Der Potsdamer Historiker Jörg Echternkamp sieht in der Luftbrücke einen Ausdruck der Entschlossenheit der West-Alliierten, in der ehemaligen Reichshauptstadt bleiben zu wollen. Und noch etwas anderes ist bedeutend: "Bei der Luftbrücke ging es den West-Alliierten nicht zuletzt um das deutschlandpolitische Ziel, das Verhältnis zu den ehemaligen Feinden als den künftigen Verbündeten im Ost-West-Konflikt zu verbessern."
Auch das Einfliegen von Weihnachtsgeschenken vor 70 Jahren sollte Sympathien bei den Deutschen wecken. Diese "Symbolpolitik" habe der Propaganda aus der Sowjetischen Besatzungszone etwas entgegensetzen sollen, die die alliierten Flieger mit dem Bombenkrieg ein paar Jahre zuvor in Verbindung brachten. Mercedes Wild erinnert sich auch daran: "Ich hatte erst unheimlich Angst, als die Flugzeuge wieder da waren", sagt sie. Heute jedoch erzählt die 77-Jährige in Schulen, wie aus Feinden Freunde geworden sind.