Trauung für alle
Fortschritte in Hessen und Oldenburg, ein Sträuben im Südwesten
Jetzt ist es offiziell: In Hessen werden homosexuelle Paare von 2019 an getraut. Ihren Segen für gleichgeschlechtliche Paare gibt die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) bereits seit 2002. Mehr als 320 schwule und lesbische Paare haben seitdem ihre Liebe unter Gottes Segen gestellt. In der Praxis ist der Segen für gleichgeschlechtliche Paare bei der EKHN bereits seit 2013 einer Trauung gleichgestellt. Neu ist: Kirchliche Eheschließungen homosexueller Paare werden jetzt auch formal als Trauungen eingetragen. Die EKHN rundet die Gleichstellung somit ab.
Die "Trauung für alle" haben die Synodalen der oldenburgischen Kirche auf ihrer Herbsttagung beschlossen. Bischof Thomas Adomeit entschuldigte sich im Namen der Landeskirche bei homosexuellen Paaren sowie Theologen und Theologinnen, die in der Vergangenheit aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert wurden und Leid erfahren mussten.
In Württemberg hingegen lässt eine "Trauung für alle" weiter auf sich warten. Konservative im Schwabenland lehnen das Segnen von homosexuellen Paaren in Kirchen ab. Bereits 2017 scheiterte ein Gesetzentwurf an der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit. Bei der Herbsttagung sorgte ein weiterer Entwurf des Oberkirchenrats zur öffentlichen Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren für Aufregung. Kontrovers wurde diskutiert. Das Ergebnis: In Ausschüssen der Synode wird weiter beraten. Eine vollständige Gleichstellung von homosexuellen mit heterosexuellen Paaren, wie sie in der benachbarten badischen Landeskirche 2016 eingeführt wurde, ist in Württemberg auf absehbare Zeit nicht zu erwarten.
Aber auch in Baden sorgt das Thema "Trauung für alle" für Diskussionen. Das "Netzwerk Evangelischer Christen in Baden" überreichte Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh während der Herbstsynode eine Liste mit 1.066 Unterschriften. Ihr Anliegen: Pfarrer sollten nicht gezwungen werden, homosexuelle Paare zu trauen, wenn sie es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können.
Junge Menschen
Mehr Mitsprache in den Gremien, Jugendarbeit wird gestärkt
Junge Menschen sollen in Zukunft früher und stärker als bisher in den Kirchengremien mitbestimmen können. Mehrere Landeskirchen haben dafür auf ihren Herbsttagungen die Weichen gestellt. Die Lippische Landessynode zum Beispiel hat beschlossen, Jugendliche in Zukunft besser an Entscheidungsprozessen in Kirchengemeinden und der Synode zu beteiligen. Ähnliche Beschlüssen haben die Synoden der Landeskirchen in Baden, Hannover, Mitteldeutschland und Sachsen gefasst.
Die Evangelische Kirche im Rheinland wird 2019 erstmals in ihrer Geschichte eine Jugendsynode abhalten. Sie wird vom 4. bis 6. Januar veranstaltet. Auf der Jugendsynode werden Themen erarbeitet, die den rheinischen Landessynodalen dann praktisch als Hausaufgaben für die kommenden Jahren vorgelegt werden.
In Bayern investiert die Landeskirche 10 Millionen Euro in eine neue Jugendbildungsstätte, die in Neukirchen (Oberfranken) gebaut wird. Mit ihr sollen insbesondere auch Jugendliche angesprochen werden, die über die klassische Jugendarbeit in Kirchen und Gemeinden nicht erreicht werden.
Ein Leuchtturm-Projekt ist in Württemberg seit 2011 das "Projekt Kirche-Jugendarbeit-Schule" gewesen. Das Projekt ist ausgelaufen, auf der Herbsttagung wurde Bilanz gezogen. Wie kann an Ganztagsschulen kirchliche Jugendarbeit gestaltet werden? Ob Kreativ-Projekte, Jungschar- oder Posaunen-Gruppen: Neue Ideen und Kooperationenformen für kirchliche Jugendarbeit an Schulen sind entwickelt worden. Die Erkenntnis: Schulbezogene Jugendarbeit wächst und bietet Kirchen die Chance, an Schulen alle Milieus zu erreichen. Ein "Qualitätsrahmen Ganztagsschule" ist entwickelt worden, der vom Schuljahr 2019/20 die Grundlage kirchlicher Jugendarbeit an Schulen bilden wird. Die befristete Projektstelle wird bis 2022 verlängert. Das Projekt wurde von der Universität Tübingen wissenschaftlich begleitet. Ergebnisse wurden im Buch "Jugend gefragt!" veröffentlicht.
Sexualisierte Gewalt
Breite Solidarität und Hilfe für die Opfer
"Sexualisierte Gewalt darf kein Tabu-Thema sein", betonte Heinrich Bedford-Strohm vor der Landessynode. Der bayrische Landesbischof, der auch Ratsvorsitzender der EKD ist, forderte das umfassende Aufarbeiten von Missbrauchsfällen. Bedford-Strohm stellte den 11-Punkte-Plander EKD zur Aufarbeitung und Prävention von sexualisierter Gewalt vor. Unter anderem ist eine zentrale Anlaufstelle für Betroffene von Missbrauch vorgesehen. Zwei Studien sollen über Dunkel- und Risikofelder in der evangelischen Kirche aufklären.
Der 11-Punkte-Plan der EKD wurde im November bei etlichen Landessynoden vorgestellt und findet breite Unterstützung. Die Stimmung brachte Kirchenpräsident Martin Heimbucher auf der Herbstsynode der Evangelisch-reformierten Kirche auf den Punkt: Es sei "überaus beschämend und verstörend und unentschuldbar, wenn ausgerechnet im Schutzraum der Kirche Vergewaltigung, Erpressung und Lüge grassieren". Ein verstärktes Aufarbeiten von Fällen sexuellen Missbrauchs und Hilfen für die Opfer kündigten zum Beispiel die Landeskirchen von Westfalen, Schaumburg-Lippe, Hannover und Kurhessen-Waldeck an.
Für die Landeskirche Braunschweig berichtete Landesbischof Christoph Meyns über die Ergebnisse einer Unabhängigen Kommission der evangelischen Kirchen in Niedersachsen. Insgesamt seien aus den Landeskirchen in Braunschweig, Hannover und Oldenburg insgesamt 107 Fälle bekannt geworden - zwölf im kirchlichen und 95 im diakonischen Bereich.
In Württemberg berichtete Landesbischof Frank Otfried July von der Arbeit einer unabhängigen Kommission, die seit 2015 besteht. Von den 94 anerkannten Fällen kommen neun aus der Landeskirche und 85 aus der Diakonie. July kündigte an, mit der badischen Landeskirche eine gemeinsame Dunkelfeld-Studie in Auftrag zu geben, um auch Fälle ans Licht zu bringen, die der Landeskirche nicht von den Betroffenen selbst angezeigt wurden.
Im Bereich der Landeskirche von Hessen und Nassau sind seit der Gründung 1947 insgesamt 50 Fälle bekannt geworden, berichtete Kirchenpräsident Volker Jung. Er schlug den Synodalen vor, das Thema 2019 zum Schwerpunkt einer Synodaltagung zu machen.
Die Synode der Evangelischen Kirche in der Pfalz hat die Einrichtung einer unabhängigen Kommission beschlossen. Ein Ansprechperson für Opfer von Missbrauch gibt es bei der pfälzischen Landeskirche seit 2010. Mit dem Beschluss werden die Präventionsarbeit und die Aufklärung von Fällen sexuellen Missbrauchs verstärkt.
Frieden
Frische Ideen und Initiativen für mehr Sicherheit und Gerechtigkeit
"Frieden" lautet das Schwerpunkt-Thema der EKD-Synode 2019. In einigen Landeskirchen tut sich bereits viel in der Friedensarbeit. Auf den Herbstsynoden wurden einige frische Ideen und Initiativen vorgestellt.
Die badische Landeskirche hatte 2013 beschlossen, eine "Kirche des gerechten Friedens" zu werden. Ihr Ziel: Das Etablieren einer zivilen Sicherheitspolitik. Wie Sicherheit ohne Militär konkret gelingen könnte, wurde auf der Herbstsynode mit dem Konzept "Sicherheit neu denken - von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik" vorstellt. Das Szenario zeigt auf, wie eine Entmilitarisierung bis zum Jahr 2040 gelingen könnte.
Auf der Synode der Landeskirche Hannover ist die neue Website www.friedensorte.de vorgestellt worden. Das Portal stellt sechs Friedensorte im Bereich der Landeskirche vor. Ob "Antikriegshaus Sievershausen" oder das "Anne Frank Haus" in Oldau: Die Friedensorte haben unterschiedliche Schwerpunkte und sind untereinander vernetzt. Finanziert werden sie über den Fonds "Friedenswege", der 2016 im Zuge des Synoden-Beschlusses "Auf dem Weg zu einer gerechten Kirche" eingerichtet wurde.
In Sachsen wurde auf der Herbsttagung das neue Portal www.oekumenischerweg.de präsentiert. Die Initiative von Kirchen in Sachsen will Christen und Gemeinden bei ihrem Engagement für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung unterstützen. Die Website stellt Angebote, Themen und Projekte vor. Interessierte finden Kontakte zu Referenten sowie Materialien.
Im Rheinland hat die Landessynode anlässlich des Endes des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren ein Friedenswort verabschiedet. Es soll auf allen Ebenen der rheinischen Kirche mit dem Ziel diskutiert werden, Kirche des gerechten Friedens zu werden. Enthalten sind auch Forderungen nach einem Atomwaffen-Abzug und dem Stopp von Rüstungsexporten.