Die romantisch-dramatische Tragikomödie "Der Wunschzettel" erzählt eine solche Geschichte: Pauline (Anne Schäfer), Ende dreißig, hatte bislang nicht allzu viel Glück mit den Kerlen und sich daher in einem unbemannten Dasein eingerichtet. Sie selbst kommt damit bestens klar, aber ihre Familie fürchtet, sie werde als alte Jungfer enden. Das Weihnachtsfest im Kreis der Lieben läuft daher regelmäßig auf die Frage hinaus, wie es um ihren Beziehungsstatus stehe. Schwester Caro (Jasmin Schwiers), Mutter zweier Kinder von mutmaßlich unterschiedlichen Männern, macht es den Eltern allerdings auch nicht recht: Sie erscheint jedes Jahr in anderer Begleitung. Den Isländer Jon (Helgi Schmid) bringt sie allerdings schon zum zweiten Mal mit, was den Druck auf Pauline natürlich erhöht. Als sie kurz vor dem Fest an einer Ampel den Wunschzettel des kleinen Leo entdeckt, der zu Weihnachten gern eine neue Frau für seinen verwitweten Papa hätte, fasst sie den wagemutigen Entschluss, zwei Wünsche auf einmal zu erfüllen: Zumindest an Heiligabend soll Leos Vater, der brave Tischler Daniel (Sebastian Ströbel), seine Frau bekommen; und ihre Eltern kriegen einen potenziellen Schwiegersohn.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die Handlung orientiert sich an gleich zwei bewährten Komödienrezepten: "Scheinehe mit Hindernissen" trifft "Familie und andere Katastrophen". Während der unverschuldet kurz vor der Pleite stehende Daniel seinen Kindern ein liebevolles und beschauliches Dasein bietet, erfüllt Paulines Sippe zunächst diverse Negativklischees, zumal fast alle Familienmitglieder ein Geheimnis hüten. Angesichts der ständigen Giftpfeile, die zwischen Caro und Schwägerin Bettina (Annika Kuhl) hin und her fliegen, kann von Feststimmung ohnehin keine Rede sein. Aber auch die Eltern Birger und Wanda (Hans-Uwe Bauer und Lena Stolze) sparen nicht mit kleineren Spitzen und größeren Peinlichkeiten. Im Grunde sind Jon, Daniel und die Kinder die einzig Normalen in der Runde. Immerhin hat es seinen Grund, dass Birger und Wanda den neuen Freund ihrer Tochter ins Kreuzverhör nehmen: Pauline leidet nach Ansicht ihres Bruders (Patrick Güldenberg) unter einem Helfersyndrom und sich meist auf Männer eingelassen, die Hilfe auch bitter nötig hatten; der letzte hat sie auf einem Schuldenberg sitzengelassen.
Das ist alles recht unterhaltsam und kurzweilig, zumal Drehbuchautorin Martina Mouchot ihre Figuren mit vielen witzigen Dialogen versorgt hat; aber mitunter wirkt die Handlung auch konstruiert und übertrieben. Gerade Bettina ist eine typische Filmfigur, selbst wenn die Gemeinheiten, die sie und Caro von sich geben, von erlesener Bosheit sind. Immerhin gehen die Schauspieler allesamt überzeugend in ihren Rollen auf. Die Darbietungen der kleinen Jungs erinnern zwar an Schulaufführungen, aber die Leistungen der beiden Mädchen, die ihre älteren Schwestern spielen, sind jederzeit überzeugend; das gilt vor allem für Mathilda Smidt als Daniels Tochter, die für den kleinen Leo eine Art Mutterersatz ist. Sehenswert ist "Der Wunschzettel" vor allem wegen Anne Schäfer, die selbst absurde Szenen wie ein Gespräch mit einem Ampelmast mit großer Souveränität spielt. Ähnlich beiläufig integriert Regisseur Marc Rensing die gelegentlichen zauberhaften Elemente, wenn beispielsweise die Ampelgeräusche, die sehbehinderte Passanten vor dem Rotlicht warnen, in der Melodie von "Jingle Bells" erklingen. Diese Momente sind ungleich überzeugender als die etwas dick aufgetragenen Drama-Elemente.
Für den Regisseur, der vor einigen Jahren mit dem rasanten Erstlingswerk "Parkour" (2010) auf sich aufmerksam gemacht hat, ist "Der Wunschzettel" ein durchaus ungewöhnlicher Stoff: Auf das Debüt folgte das sehenswerte Kinodrama "Die Frau, die sich traut" über eine Mutter, die angesichts einer Krebsdiagnose einen kühnen Traum verwirklicht. Seine TV-Arbeiten - zwei mittelmäßige "Wilsberg"-Episoden sowie ein immerhin kurzweiliger "Friesland"-Film - waren dagegen unauffällige Fernsehware. Sein Weihnachtsfilm wird vermutlich ebenfalls keine bleibenden Erinnerungen hinterlassen, dafür entspricht die Freitagskomödie bis hin zu den emotionalisierenden Popsongs allzu sehr den gängigen Mustern. Deshalb überschlagen sich die Ereignisse am Ende auch: Leo muss mit einem vermeintlichen allergischen Schock ins Krankenhaus, und die Eltern haben etwas mitzuteilen, dass alles Andere zur Kleinigkeit schrumpfen lässt.