TV-Tipp: "Amsterdam-Krimi: Tod in der Prinzengracht" (ARD)

Alter Fernseher vor gelber Wand
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Amsterdam-Krimi: Tod in der Prinzengracht" (ARD)
22.11., ARD, 20.15 Uhr
Es sollte langsam eine Frage der Ehre werden, auf einen derartigen Einstiegsköder zu verzichten, aber in diesem Fall lässt sich der Cliffhanger gleich zu Beginn rechtfertigen, denn er enthält eine entscheidende Information: Katja lebt. Eine zweite Frage beantwortet der Prolog, dem eine halbstündige Rückblende folgt, jedoch nicht: Lebt sie womöglich nur deshalb noch, weil sie einen Mord begangen hat?
Der Auftakt zum ersten "Amsterdam-Krimi" ist die perfekte Einstimmung für einen Hochglanz-Thriller, mit dem die ARD-Tochter Degeto ihre Auslandskrimis um ein besonderes Kapitel ergänzt. Der Film beginnt mit einer Szene auf dem Bahnhof von Amsterdam: Eine Frau wird von der Polizei verfolgt, ein Mann verschafft ihr den nötigen Vorsprung, indem er in die Luft schießt. Dann beginnt die Rückblende, und der Thriller wandelt sich vorübergehend zur Romanze: Der Mann (Hannes Jaenicke) und die Frau (Alice Dwyer) erzählen sich gegenseitig, was sie am anderen stört, und versichern sich, dass sie das jeden Tag erleben möchten. Nach und nach stellt sich raus: Beide arbeiten fürs LKA Düsseldorf. Alex Pollack ist Katjas Chef und hat sie als verdeckte Ermittlerin auf den deutschen Drogenhändler Fischer (Sascha Alexander Geršak) angesetzt, der von Amsterdam aus operiert. Sie will aussteigen, weil sie dem Gangster mittlerweile viel zu nahe gekommen ist. Als Alex einige Wochen lang nichts von ihr hört, selbst nach Amsterdam reist und in Fischers Wohnung mehrere Wanzen anbringt, muss er sich anhören, wie nah "viel zu nah" ist. Außerdem wird er Ohrenzeuge, wie Fischer einen Verräter beseitigen lässt; und natürlich nimmt er an, dass seine Geliebte erschossen worden ist. Da der Film den Prolog zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingeholt hat, ist der Zuschauer dem Ermittler einen Schritt voraus: Er weiß, dass Katja keineswegs tot ist. Trotzdem ist es ziemlich spannend, wie Alex nun versucht, die Ereignisse mit Hilfe seiner Aufnahme zu rekonstruieren; eine Art Hommage an Brian de Palmas Thriller "Blow Out - Der Tod löscht alle Spuren" (1981), der wiederum eine Verbeugung vor dem Klassiker "Blow Up" war. Erst später stellt sich raus, dass die Hinrichtung nicht Katja, sondern einem verdeckten Ermittler der holländischen Polizei galt; und die ist überzeugt, dass sie geschossen hat.
 
 
Im Film bietet sich diese Geschichte allerdings viel verzwickter dar, weil der Österreicher Peter Koller (sein erstes Drehbuch für einen deutschen Fernsehfilm entstand nach einer Vorlage von Rebecca Mahnkopf und Klaus Pieber) die Details erst nach und nach preisgibt. Das führt zu einer gewissen Grundspannung, die Regisseur Michael Kreindl durch bewährte Handlungselemente erhöht; eine einfache, aber dank Musik und Schnitt äußerst wirkungsvolle Methode. Als Alex im Bahnhof verhaftet wird, braucht sein einheimischer Kollege de Groot (Fedja van Huêt) – kein "käserollender Hampelmann in lustig bemalten Holzschuhen", wie er versichert – nicht lange, um rauszufinden, wer ihm da ins Netz gegangen ist. Der Holländer hat eine persönliche Rechnung mit Fischer offen und ist schon lange hinter dem Drogenhändler her; der Mann, dessen Ermordung Alex akustisch beigewohnt hat, war sein verdeckter Ermittler. Nachdem die beiden Männer die obligaten Unfreundlichkeiten ausgetauscht haben, beschließen sie, Fischer und seinen Kompagnon, einen angesehenen Investor namens Koning (Raymond Thiry), der Kontakte in die höchsten Kreise genießt, gemeinsam zu jagen. Tatsächlich tun die Verbrecher ihnen den Gefallen und finden sich samt ihren Kunden am Containerhafen ein, um eine große Lieferung in Empfang zu nehmen; aber die Gangster sind auch nicht blöd.
 
Neben den ausnahmslos ausgezeichneten darstellerischen Leistungen – das gilt ausdrücklich auch für die Niederländer – macht gerade die Bildgestaltung den "Amsterdam-Krimi" zu einem besonderen Film. Anton Klima lässt die Bilder sehr aufwändig wirken, und das bezieht sich nicht nur, aber auch auf die Ereignisse vor seiner Kamera; bei einem Kinofilm sagen Produzenten in solchen Fällen gern, dass ein Regisseur die Produktionskosten auch auf die Leinwand gebracht hat. Darüber hinaus zeichnen sich die kühlen Aufnahmen, von Andreas Helmle mit guter Thriller-Musik im Stil von Klaus Schulze unterlegt, durch eine eindrucksvolle optische Hochwertigkeit aus. Die Auswahl der Schauplätze, unter anderem das Rijksmuseum, tut ein Übriges. Die Bahnhofsszene war logistisch sicher nicht einfach zu realisieren; viele Szenen sind zudem in Strassen und Grachten entstanden. Trotzdem lebt auch dieser atmosphärisch und inhaltlich dichte erste Teil, "Tod in der Prinzengracht", von den Figuren und ihren Darstellern. Hannes Jaenicke und Alice Dwyer sind eine hochinteressante Kombination, weil er seine Rollen stets mit großer Präsenz und viel Energie versieht, während sie sich gern betont kühl, kontrolliert und emotionsarm gibt. Das passt perfekt: hier Alex, der kotzen muss, als er belauscht, wie seine Geliebte Fischers Heiratsantrag annimmt, dort Katja, von der er bis zum Schluss nicht weiß, ob sie eine Mörderin ist. Sascha Alexander Geršak, beängstigend gut als Entführer Rösner in "Gladbeck", ist als unfreiwilliger Dritter im Bunde eine ausgezeichnete Ergänzung. Die Degeto hat mit diesem Amsterdam-Thriller einen neuen Maßstab für die Auslandskrimis gesetzt. Den zweiten Teil zeigt die ARD nächsten Donnerstag.