"DSK", damals geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds, war in New York von einem Zimmermädchen der versuchten Vergewaltigung beschuldigt worden. An dieser Stelle setzt das Drehbuch ein. Die Geschichte dieses Ludwigshafener "Tatorts" mit dem doppeldeutigen "Roomservice" (eine Wiederholung aus dem Jahr 2015) spielt in einem kurpfälzischen Luxushotel. Prominentester Gast des Hauses ist der frühere Landesvater: Joseph Sattler (Peter Sattmann) ist mittlerweile EU-Kommissar und kurz davor, ein Gesetz einzureichen, das Europas Konzerne zu einer Frauenquote in den Vorständen verpflichten soll. Der ergraute Politiker hat auch sonst ein Faible für Frauen, vor allem, wenn sie jung und dunkelhaarig sind, und das wird ihm zum Verhängnis: Kurz nach einer offenbar einvernehmlichen Begegnung mit Sattler stürzt ein Zimmermädchen in den Tod.
Dank Lisa Bitter als Fallanalytikerin Johanna Stern vom LKA ist "Roomservice" ein ähnlich bemerkenswerter Frauenfilm wie die Ludwigshafener Krimis zuvor, als die junge Kollegin, mittlerweile längst Teil des Ensembles, wegen der psychischen Erschöpfung von Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) einspringen musste: weil Dähnert und sein Koautor Patrick Brunken ihre Geschichte rund um drei weibliche Persönlichkeiten konstruiert haben. Die vermeintliche zentrale Figur des Politikers gerät alsbald an den Rand, und das nicht nur, weil Sattler zum Tatzeitpunkt Gast einer Talkshow war: Hinter dem vermeintlichen Machtmenschen steht eine starke Frau, die die Fäden zieht. Kein Wunder, dass Valerie Sattler die reizvollste Figur des Films ist; da stört es auch nicht weiter, dass Suzanne von Borsody in dem preisgekrönten ARD-Drama "Männertreu" (2014) fast exakt die gleiche Rolle gespielt hat. Mindestens so interessant wie das personelle Geflecht ist der politische Hintergrund, denn alles deutet darauf hin, dass Sattler das Opfer einer perfiden Intrige geworden und in eine "Honigfalle" getappt ist; und ausgerechnet der jungen Frau Stern haben die finsteren Drahtzieher eine entscheidende Rolle zugewiesen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Dähnert ist nicht erst seit seinem niedersächsischen Doppel-"Tatort" ("Das goldene Band"/"Wegwerfmächen") einer der interessantesten TV-Krimiautoren, und Regisseur Tim Trageser ("Neufeld, mitkommen!") hat den Stoff angemessen umgesetzt. Gerade dank der Musik (Andreas Weidinger) ahnt man von Anfang an, dass sich was zusammenbraut. Geschickt integriert ist auch das Spiel mit den Medien (SWR-Chefredakteur Fritz Frey spielt den Talkshowmoderator), und ein Hotel dieser Kategorie ist nicht zuletzt dank der Blicke hinter die Kulissen ohnehin ein faszinierender Schauplatz. Sehenswert ist auch die Besetzung: Lisa Bitter, die nun endgültig zum Ludwigshafener "Tatort"-Team gehört, setzt erneut starke Akzente, zumal Johanna Stern ausdrücklich als jugendlicher und technikaffiner Gegenentwurf zu Lena Odenthal konzipiert ist. Außerdem muss sich die junge Frau der Zudringlichkeit Sattlers erwehren, der dank Peter Sattmann zur gleichzeitig unsympathischen wie tragischen Figur wird; eine tolle Rolle für den erfahrenen Schauspieler, der zuletzt zu oft den mal mürrischen, mal verwirrten Opa spielen musste. Aber das Beste am Film ist die Geschichte, zumal tatsächlich bis kurz vor Schluss offen bleibt, wer die Schuld am Tod des Zimmermädchens trägt.