Eigentlich ist Bio-Winzerin Anne Wader (Henriette Richter-Röhl) drauf und dran, in die Fußstapfen von Vater Albert zu treten, aber als der nach einem Streit mit seinem Bruder Bruno (Jürgen Heinrich) einen Herzinfarkt hat, stellt sich raus, dass er sein Testament nicht unterschrieben hat. Deshalb ist Anne nicht wie erwartet Alleinerbin, sondern muss sich das Weingut mit Mutter Käthe (Leslie Malton) und Bruder Matthias (Max von Pufendorf) teilen; und die wollen verkaufen, auch wenn Käthe um jeden Preis verhindern will, dass Bruno in den Besitz des Weinbergs kommt. Schweren Herzens beerdigt Anne ihren Traum und nimmt eine Stelle als Weinküferin eines Weinguts in der Nähe an.
Der Film verniedlicht die Schicksalsschläge keineswegs, bettet sie aber in warme herbstliche Weinbergbilder. Gedreht wurde in Hambach an der Weinstraße; im Hintergrund ist immer wieder mal das berühmte Hambacher Schloss zu sehen, in dem 1832 das Hambacher Fest stattfand; seither gilt der Ort als Wiege der deutschen Demokratie. Mit dem Mantel der Geschichte hält sich "Weingut Wader" allerdings nicht weiter auf. Dafür wäre auch gar keine Zeit, weil dauernd was passiert, denn zum großen Drama gesellen sich ständig kleine Ereignisse, die Anne Wader nicht zur Ruhe kommen lassen. Natürlich sorgt sie sich vor allem um die Zukunft des elterlichen Betriebs, aber ihre 16-jährige blinde Tochter Tori (Caroline Hartig) hält sie ebenfalls auf Trab; das Mädchen ist Sängerin in einer Band und dabei, flügge zu werden. Einzige Lichtblicke zwischen den Auseinandersetzungen mit Bruder, Mutter und Onkel Bruno, der das Gut um jeden Preis übernehmen will, sind ihre beste Freundin Corinna (Ines Lutz) und deren Bruder Valentin (Sebastian Fräsdorf): Brunos zukünftiger Kellermeister erweist sich als Retter in der Not und war schon als Jugendlicher in die Freundin seiner großen Schwester verknallt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Natürlich klingt das alles wie eine typische Freitagsfilmreihe im "Ersten": schöne Landschaftsbilder, familiäre Dramen, ein bisschen Liebe, Konflikte zwischen Müttern und Töchtern, ein böser Bruder, der bereit ist, den Traditionsbetrieb zu verscherbeln, weil er pleite ist; und außerdem der Zwist zwischen den beiden alten Männern, der auch nicht durch den Tod beendet wird, weil er im Hass der Witwe weiterlebt. Über allem schwebt zudem ein Familiengeheimnis, dass jedoch erst im zweiten Film (am 9. November) preisgegeben wird. Von Zutaten dieser Art leben und lebten auch schon andere Filmreihen der ARD-Tochter Degeto, etwa "Hotel Heidelberg" oder "Schwarzwaldhof". Die Autorinnen Bernadette Feiler und Ania Kock haben jedoch eine angenehme Mischung für ihre Geschichte gefunden: "Weingut Wader" entführt in eine eigene Welt und informiert nebenbei auch über die Geheimnisse des Weinmachens, hat aber dennoch einen gewissen Anspruch. Der Film erfüllt als Flucht aus dem Alltag eskapistische Bedürfnisse und bietet wie ein guter Wein Genuss ohne Reue. Dass den Machern etwas Besonderes vorschwebte, deutet schon der Vorspann an: Die Namen der Mitwirkenden werden nicht einfach eingeblendet, sondern als Weinetiketten präsentiert. Diese Liebe zum Detail zeigt sich auch in der Bildgestaltung (Dominik Berg).
Regisseur Tomy Wigand ("Fußball ist unser Leben"), einst für seine Kästner-Verfilmung "Das fliegende Klassenzimmer" mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet (2003), steht ohnehin für anspruchsvolle Freitagsfilme im "Ersten", allen voran zuletzt "Die Büffel sind los" (2016). "Weinguter Wader" zeichnet sich darüber hinaus durch die gute Arbeit mit den Schauspielern aus. Das gilt nicht nur für die erfahrenen Profis, sondern vor allem für Caroline Hartig; die junge Frau, die hier zudem regelmäßig singen darf, hat in den letzten Jahren schon einige Male ihr Talent bewiesen, etwa in "Kilimandscharo - Reise ins Leben" oder der "Helen Dorn"-Folge "Gnadenlos". Ähnlich gut, wenn auch in einer wesentlich kleineren Rolle, ist Kyra Sophia Kahre als Toris Cousine. Dass die beiden jungen Frauen kein Pfälzisch sprechen, lässt sich erklären, auf dem Land haben sich ja viele Jugendliche vom Dialekt ihrer Eltern emanzipiert, aber es fällt auf, dass auch sonst niemand wie ein Einheimischer klingt; bei einer Reihe aus Bayern wäre das undenkbar.