"Guten Tag, Frau S., ich komme von den Diakonissen und gratuliere Ihnen ganz herzlich zum 80. Geburtstag!" Die "Jubilarin" wischt sich eine imaginäre Träne weg. "Die Diakonissen", sagt Frau S. zu ihrer Besucherin gerührt, "die denken an mich." Zehn Frauen und drei Männer sitzen in der Runde beim Rollenspiel im Speyerer Mutterhaus. Sie sind Teilnehmer eines anderthalbjährigen Ausbildungskurses zur Diakonisse neuer Form und zum Diakon der Diakonissen Speyer-Mannheim. Zukünftig sollen sie in ihren Einsatzorten in Kirchengemeinden, Krankenhäusern, Altenheimen und anderen diakonischen Einrichtungen in der Pfalz wirken.
Eine neue Ära der Diakonissen in Speyer hat begonnen: An Pfingsten vergangenen Jahres hatte sich die mehr als 150 Jahre alte evangelische Schwesterngemeinschaft wegen Überalterung und Nachwuchsmangel gewandelt und sich auch für Männer zu einer verbindlichen diakonischen Gemeinschaft geöffnet.
Das diakonische Profil aktiv mitgestalten
Bei dem Ausbildungskurs geht es nun darum, die 19 Teilnehmer fit dafür zu machen, in ihrem haupt- oder ehrenamtlichen Arbeitsfeld das diakonische Profil aktiv mitzugestalten, erläutert Oberin Isabelle Wien. Gemeinsam mit dem Missionarisch-Ökumenischen Dienst (MÖD) der Landeskirche in Landau wurde ein Grundlagenseminar erarbeitet, bei dem die Teilnehmer sprachfähig bei Glaubens- und Lebensfragen werden sollen.
"Ich will, dass vom Geist der Diakonissen etwas weiterlebt", nennt Sabine Seifert ihre Motivation, sich in enger Gemeinschaft für hilfebedürftige Menschen zu engagieren. Die Diakonissen seien für sie ein Vorbild, sagt die Diakoniewissenschaftlerin, die das Hospiz im Wilhelminenstift der Diakonissen in Speyer leitet. Von dem Ausbildungskurs erhofft sie für sich eine Zurüstung für seelsorgerliche Tätigkeiten, wie das Gestalten kleiner Andachten.
Die Gesellschaft entsolidarisiert sich
"Wir brauchen Diakonissen 2.0", sagt Stefan van Ganswijk. Gemeinsam mit seinen "Schwestern" und "Brüdern" will der Internist am Diakonissen-Stiftungskrankenhaus Speyer mithelfen, "das Fundament der Diakonie auszubauen und nicht zu verlieren". Immer mehr entsolidarisiere sich die Gesellschaft mit ihren Schwachen, kritisiert der 51-jährige Oberarzt.
Klare Erwartungen an die neu entstehende Gemeinschaft der Diakonissen und Diakonie hat er nicht. "Keiner weiß genau, wo er 'rauskommt", sagt van Ganswijk. Eine große Herausforderung werde es sein, die "sehr motivierte Mannschaft" über viele Jahrzehnte nach der Phase der ersten Euphorie zusammenzuhalten.
Die "fantastische Arbeit" der alten Diakonissen hat Doris Rockert als Kind noch selbst erlebt. Lange habe sie mit sich gehadert, ob sie für ihr neues Ehrenamt stark genug im Glauben sei, erzählt die Berufsbetreuerin aus Speyer. Wichtig sei ihr der gelebte Glaube, sagt Rockert, die sich in der diakonischen Gemeinschaft auch eine geistliche Heimat erhofft.
In dem Grundlagenseminar würden die evangelischen Frauen und Männer auf ein Mandat in Kirche und Diakonie vorbereitet, macht Pfarrer Ludwig Burgdörfer deutlich. Die Diakonissen und Diakone agierten nicht als Privatpersonen, sondern im Auftrag einer größeren Gemeinschaft, die sie halte und auch schütze, sagt der Leiter des MÖD.
Gemeinsam mit der Gemeindepädagogin Ruth Magsig gestaltet er eine "Textwerkstatt", bei der es um die Verwendung biblischer Texte für die diakonische Arbeit geht. Ein Gebet, eine Andacht könnten das seelische Gleichgewicht von Kranken stärken, sagt Burgdörfer. Er weiß, dass er mit Pionieren auf der Suche nach einer neuen Form für die Diakonissen "auf einen Blindflug" gestartet ist: "Ich bin gespannt, wohin er uns trägt."