Das ist zwar die interessantere Variante, birgt aber auch gewisse Risiken: Passt der Neue ins Ensemble? Und wird das Publikum den Wechsel akzeptieren? Im Fall von „Nord Nord Mord“ kommt noch ein wichtiger Aspekt hinzu: Robert Atzorn, der sich nach dem achten Film verabschiedet hat, war ja nicht nur Titelfigur („Clüver und …“); einige Geschichten haben ihren besonderen Reiz daraus bezogen, dass Theo Clüver mehr als bloß berufliche Beziehungen zu den weiblichen Hauptverdächtigen geknüpft hat. Natürlich wären solche Konstellationen auch mit Peter Heinrich Brix möglich, aber Atzorns Nachfolger gilt, bei allem Respekt, nicht unbedingt als Frauenschwarm. Dieser freiwillige Verzicht auf ein typisches Merkmal der Reihe eröffnet andererseits neue Möglichkeiten, denn Carl Sievers ist auch sonst ein völlig anderer Typ als der Vorgänger: norddeutsch verschlossen und ein bisschen verkniffen; korrekt, aber auch kantig. Dass Hinnerk Feldmann und Ina Behrendsen (Oliver Wnuk, Julia Brendler) den neuen Chef nicht gerade überschwänglich empfangen, hat jedoch andere Gründe: Beide hatten sich ebenfalls auf die Leitung der Dienststelle beworben. Sievers wiederum ist nicht ganz freiwillig auf Sylt, wie sich rausstellt: Der Kieler ist aus gesundheitlichen Gründen versetzt worden, weil er immer wieder von rätselhaften Schwindelanfällen heimgesucht wird; an der Insel stört ihn außerdem die Höhe der Hecken wie auch der Nasen. Sein erster Fall führt ihn ohnehin gleich wieder ins alte Revier: Eine Leiche entpuppt sich als Kommissar der Kieler Schutzpolizei. Der Mann war auf der Suche nach dem Fahrer eines Wagens, mit dem vor einiger Zeit in Kiel ein kleines Mädchen bei einem Unfall tödlich verletzt worden ist. Als die Ermittlungen ergebnislos eingestellt wurden, hat die Mutter des Kindes versucht, sich das Leben zu nehmen. Weil Feldmann im Hotelzimmer des Polizisten neben 30.000 Euro auch Fotos findet, die den Besitzer eines angesagten Lokals zeigen, vermutet das Trio, der durch eine Scheidung angeknackste Kieler Kollege könnte den Mann erpresst haben. Er heißt Oliver Kruse und wird außerdem verdächtigt, mit Rauschgift zu handeln; eine schillernde Rolle, die Ralph Herforth mit einer reizvollen Mischung aus Charme und Arroganz verkörpert, zumal Kruse zum Missfallen Feldmanns ziemlich offensiv mit Behrendsen flirtet. Tatsächlich sind die Ermittler bei dem Lokalbesitzer näher an der Wahrheit, als sie ahnen, auch wenn die Auflösung am Ende genauso weit hergeholt wirkt wie die verzweifelte Vertuschungstat, bei der beinahe zwei weitere Menschen sterben.
Das Drehbuch zu dem von Thomas Jauch routiniert, aber unauffällig inszenierten Film stammt vom erfahrenen Schreibteam Stefan Cantz und Jan Hinter, das spätestens seit seiner Erfindung des „Tatort“-Duos aus Münster als Experten für Krimikomödien gilt. Zu „Nord Nord Mord“ passt dieses Etikett jedoch nur bedingt. Anders als die witzigen Wortgefechte von Axel Prahl und Jan Josef Liefers sind die komischen Momente in der Sylter Reihe bloß ein Bonus; die Krimihandlung steht stets im Vordergrund. In den ersten Filmen hat Oliver Wnuk die Comedy-Ebene quasi im Alleingang verkörpert; mittlerweile könnten die Dialoge zwischen dem Klugscheißer Feldmann und der auf ironische Distanz bedachten Kollegin Behrendsen auch aus einer romantischen Komödie stammen. Clüver hat sich da immer rausgehalten, und das gilt auch für Sievers. Brix, bekannt geworden als Polizist in der ARD-Vorabendserie „Großstadtrevier“, hat in „Pfarrer Braun“ (2003 bis 2014) mit Ottfried Fischer als kriminalisierendem Pfarrer schon einmal einen Reihenkommissar gespielt, musste den Mann allerdings derart konsequent als Trottel vom Dienst verkörpern, dass es stellenweise peinlich war. Mit „Adsche“, Brix’ Figur aus der NDR-Reihe „Neues aus Büttenwarder“, hat Sievers zum Glück ebenfalls nicht viel gemeinsam, wie die ungewöhnlich ausführliche Einführung des Hauptkommissars verdeutlicht. „Sievers und die Frau im Zug“ beginnt zwar mit dem Mord, aber dann dauert es fast eine Viertelstunde, ehe das Trio zur Leiche gerufen wird. Zuvor wird Feldmann von seiner Kollegin und Mitbewohnerin aus einem spätrömisch dekadenten Traum gerissen, in dem er sich schon als neuer Dienststellenleiter sieht. Derweil trifft Sievers im Zug nach Sylt auf eine Frau, die er zu kennen glaubt: Sandy Freyer (Sinja Dieks), die Mutter des getöteten Mädchens, ist auf dem Weg zu ihrer Schwester, die sich als Zwilling entpuppt, und natürlich wird der Film mit dieser Doppelrolle spielen. Ein Bluff ist dagegen die Besetzung der Witwe des erschossenen Polizisten: Sophie Dal, Hauptdarstellerin der ZDF-“Friesland“-Krimis, hat bloß eine einzige kurze Szene. Eine weitere prominente Nebendarstellerin könnte und sollte der Reihe jedoch erhalten bleiben: Sievers sucht wegen seiner Schwindelanfälle eine Heilpraktikerin auf; ihre Methoden sind ihm zunächst ebenso suspekt wie ihr hartnäckiges Du. Tabea Krawinkel erspürt jedoch im Nu seine wunden Punkte und will ihm helfen, sich mit seinen Dämonen zu versöhnen. Weil Brix und Victoria Trauttmansdorf die Gespräche um allerlei subtile Signale bereichern, birgt die Konstellation auch ein gewisses romantisches Potenzial; Fortsetzung folgt.