Es gibt ein trübendes Detail. Es sei schade, dass er mit seinen Schriften über das Gewaltpotenzial monotheistischer Religion bekannter geworden sei als mit seinen vielen Büchern über das Alte Ägypten, sagt der Ägyptologe Jan Assmann. Mit seinem 1998 erschienenen Buch "Moses, der Ägypter" entflammte er Debatten. Doch können sich Jan Assmann und seine Frau Aleida in diesen Tagen über eine allgemeine Anerkennung ihrer eine Arbeit freuen: Am 14. Oktober bekommt das Ehepaar den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Eine Unterscheidung, die den Lauf der Welt verändert hat
Jan Assmann zufolge brachte der Bund zwischen Gott und dem Volk der Israeliten die Unterscheidung zwischen Treue und Verrat, zwischen richtigem und falschen Glauben in die Welt. Das war gegenüber den Götter-Welten damaliger Kulturen etwas Revolutionäres. Es bedeutete eine Entmachtung der göttlichen Könige, aber auch die Erfindung der "Gewalt im Namen Gottes". Diese Unterscheidung habe den Lauf der Welt verändert.
Der Friedenspreis, der zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse in der Paulskirche verliehen wird und mit 25.000 Euro dotiert ist, gehört zu den bedeutendsten Kulturauszeichnungen Deutschlands. Als sie gehörten hätten, dass sie die diesjährigen Preisträger sind, sei ihnen "die Spucke weggeblieben", sagt die 71-jährige Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann, die für ihre Forschungen zur Erinnerungskultur bekannt wurde.
Ehrlicher Umgang mit der Vergangenheit für ein friedliches Miteinander
Die Auszeichnung erhält das Wissenschaftler-Paar, das im August Goldene Hochzeit feierte, auch für seine jahrzehntelange wechselseitige Inspiration. Der 80-jährige Assmann habe mit seinen Schriften zum Zusammenhang von Religion und Gewalt sowie zur Genese von Intoleranz und absolutem Wahrheitsanspruch einen unverzichtbaren Beitrag zum Verständnis der Friedensbereitschaft der Religionen geleistet, heißt es in der Würdigung. Aleida Assmann "greife mit ihren Studien die immer wieder neu virulenten Themen von Geschichtsvergessenheit und Erinnerungskultur auf. Sie zeigt, dass ein offener und ehrlicher Umgang mit der Vergangenheit grundlegende Bedingung für ein friedliches Miteinander ist."
Forschung bestimmte das Leben der beiden Gelehrten. Der in Langelsheim im Harz geborene Jan Assmann war von 1976 bis 2003 Professor für Ägyptologie an der Universität Heidelberg und hatte zahlreiche Gastprofessuren inne. Er publizierte über Hymnen und Gebete, Hieroglyphen und Totenriten im Land am Nil.
Die in Bethel bei Bielefeld geborene Aleida Assmann wurde 1993 Professorin für Anglistik und allgemeine Literaturwissenschaft an der Universität Konstanz und nahm ebenfalls weltweit zahlreiche Gastprofessuren wahr. Sie veröffentlichte unter anderen die Bücher "Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik" (2006) und jüngst angesichts der aktuellen Flüchtlingsdebatte "Menschenrechte und Menschenpflichten" (2017).
"Kulturelles Gedächtnis" als Leitbegriff in der Kulturforschung
Gemeinsam entwickelte das Ehepaar den Begriff des "Kulturellen Gedächtnisses", der zu einem Leitbegriff in der Kulturforschung wurde. Mit dem Ausdruck ist eine in der Gegenwart entwickelte identitätsrelevante Erinnerung gemeint, die der Gesellschaft als Bezugs- und Orientierungsraum dient.
Aber auch wenn der Altertumswissenschaftler Jan Assmann über einen Zusammenhang zwischen monotheistischen Religionen und Gewalt geschrieben hat - lässt sich nicht beides generell in einen Topf werfen. "Religion kann sich mit Ideologien oder Wahn paaren", sagt Aleida Assmann. Man könne dafür aber nicht die Religion an sich in die Verantwortung nehmen. "Ich persönlich assoziiere Glauben mit festem Halt und Bindungsfähigkeit", erklärt sie. Ihr Vater war der evangelische Theologe Günther Bornkamm, der in der Oppositionsbewegung "Bekennende Kirche" Widerstand gegen den Nationalsozialismus leistete.
Das Ehepaar Assmann hat fünf Kinder. Während sie klein waren, hatte sich Aleida Assmann aus dem Universitätsbetrieb zurückgezogen. Aber sie habe sich währenddessen auch mit den Themen, die sie interessierten, weiterbeschäftigt. Das sei eine Frage der Organisation gewesen. "Sich nur auf eine Sache festzulegen, ist schwierig für Menschen, die sich gerne anregen lassen", sagt die zierliche Frau mit warmherziger Ausstrahlung.
Für die Zukunft stehen schon neue Projekte an. Aleida Assmann sagt, sie sammle schon seit zehn Jahren Material über die Verarbeitung von Erfahrungen im Gehirn, das solle druckreif werden. Jan Assmann erklärt, seine Träume über noch ungeschriebene Bücher hätten sich noch nicht zu einer These verdichtet. Wahrscheinlich wird er aber über "Religion vor dem Zeitalter des Glaubens" schreiben.