Nicht nur aus diesem Grund hat die ZDF-Reihe "Die Toten vom Bodensee" damit womöglich ihren Zenit erreicht. Dank der Umsetzung durch den selbst am Bodensee lebenden Hannu Salonen, der auch schon die beiden Filme zuvor inszeniert hatte, waren auch die Bilder von einer angemessenen Düsternis. Gemeinsam mit Kameramann Jo Molitoris, ebenso wie Komponist Chris Bremus ein Mann der ersten Stunde, hat der aus Finnland stammende Regisseur den perfekten Stil für die Geschichte gefunden. Zum siebten Film, "Die vierte Frau", hätte dieser Look womöglich noch besser gepasst, denn Zeiler und ihr deutscher Kollege Oberländer (Matthias Koeberlin) suchen einen Serienmörder. Die Bilder sind jedoch von einer sommerlichen Sonnigkeit, die nicht recht zu den grausigen Ereignissen passen will: In einem Hopfenfeld wird die Leiche einer Frau gefunden. Das Schema entspricht einem Ritual der letzten drei Jahre: Immer zur gleichen Zeit sind blonde Frauen entführt worden. Nach einigen Tagen in Gefangenschaft wurden sie getötet und dann in mehreren Metern Höhe in einem Hopfengerüst engelsgleich zur Schau gestellt. Der jüngste Mord unterscheidet sich allerdings in Details von den früheren Taten. Kurz drauf wird Oberländer von einem Jugendfreund um Hilfe gebeten: Tobias Vogel (Alexander Khuon) vermisst seit zwei Tagen seine Frau. Der Kommissar fragt sich, ob die Leiche im Hopfenfeld womöglich die Tat eines Trittbrettfahrers war und Maike Vogel in Wirklichkeit das vierte Opfer ist. Komlatschek (Hary Prinz), Leiter des deutsch-österreichischen Kommissariats, hält das jedoch für ein Hirngespinst; seiner Ansicht nach ist Maike durchgebrannt, zumal sie mit ihren brünetten Haaren gar nicht ins Opferschema passe. Als ein Mann beim Schwimmen von einem Boot erfasst wird und sich in seinem Besitz eindeutige Hinweise auf die vier ermordeten Frauen finden, ist der Fall für Komlatschek gelöst; Oberländer jedoch ahnt, dass Maike dem Tod geweiht ist, wenn er sie nicht rechtzeitig findet.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Neben vielen Sonntagskrimis für die ARD hat Salonen für das ZDF unter anderem die zweite Staffel der Reihe "Schuld" nach Ferdinand von Schirach gedreht; er weiß, wie man Spannung schürt. Diesmal allerdings ist die Geschichte so gut, dass der Regisseur zumindest in der ersten Hälfte des Films komplett auf jede Form von Nervenkitzel verzichten kann. Das ändert sich, als Buch und Regie dem Publikum zu Beginn der zweiten Hälfte verraten, dass Oberländers Vermutung stimmt und Maike (Verena Altenberger) in der Tat um ihr Leben kämpft: Ihr Gefängnis ist eine Art Silo, in dem langsam das Wasser steigt. Fortan wird der Film mit kurzen Zwischenspielen immer wieder daran erinnern, dass jede Minute zählt. Das mag als Spannungsverstärker nicht besonders originell sein, ist aber recht wirkungsvoll, zumal Oberländer und Zeiler bei ihren Ermittlungen nicht von der Stelle kommen. Sie haben zwar schließlich eine Ahnung, wer den vierten Mord begangen hat, aber wenn es sich tatsächlich um eine Nachahmungstat handelt, kann der Mörder natürlich nicht wissen, wo der tote Serienkiller seine Opfer versteckt hat.
Berndts Drehbuch ist für einen Reihenkrimi von beeindruckender Komplexität, zumal er auf das übliche Muster diverser Verdächtiger verzichtet. Trotzdem versteckt er mehrere Hinweise, die subtil auf falsche Fährten locken, sodass "Die vierte Frau" auch ein Krimi zum Mitraten ist. Darüber hinaus ist es ziemlich beeindruckend, wie am Ende ein Puzzlestück ins andere greift, als die Ermittler entdecken, welche Verbindung es zwischen den Opfern gibt. Weil der Autor den auf gruselige Weise skurrilen Täter als zwar überhöhte, aber keineswegs unrealistische Figur eingeführt hat, ist auch die Vorgeschichte zur Mordserie nicht so absurd, wie sie für sich genommen klingen würde. Deutlich weniger gelungen ist allerdings wie schon in "Der Wiederkehrer" die Integration von Oberländers Privatleben. Die Idee, seine Spannungen mit dem Schwiegervater (Peter Kremer) auf der Krimiebene zu spiegeln, ist zwar interessant, aber die entsprechenden Auseinandersetzungen wirken erneut wie ein Fremdkörper. Gleiches gilt für die Szenen mit Gattin Kim (Inez Bjørg David), die längst bloß noch eine Gastrolle ist; das Filmende legt nahe, dass dieses Kapitel endgültig beendet sein könnte. Besser integriert ist der endgültige Schlussstrich, den Zeiler unter ihre Vergangenheit zieht. Dafür genügen drei kurze Szenen, die Nora Waldstätten Gelegenheit für einen ihrer unnachahmlichen gefriergetrockneten Blicke geben und auf entsprechend unterkühlte Weise humorvoll sind. Während Molitoris’ Bildgestaltung wirkt, als habe das ZDF den Produzenten aufgefordert, das imposante Alpenpanorama öfter zur Geltung zu bringen, sorgt die mitunter recht donnernde Musik dafür, dass "Die vierte Frau" auch dann dynamisch und packend ist, wenn die Szenen eigentlich harmlos anmuten. Bremus ist es auch, der dem Film zumindest auf der akustischen Ebene jene Düsternis verleiht, für die viele Aufnahmen schlicht zu schön sind.