29.9., ZDF, 17.35 Uhr: "plan b: Scharfblick und Fingerspitzengefühl"
Menschen mit Behinderung sind mehr als doppelt so häufig arbeitslos wie Menschen ohne Behinderung. Dabei müsste das gar nicht sein, wie Detlev Konnerth in seiner Reportage zeigt. Viele sind gut ausgebildet und möchten sich auf dem ersten Arbeitsmarkt, unter ganz normalen Bedingungen, beweisen. Und manche können Dinge, die sonst niemand kann. Konnerth zeigt Menschen mit besonderen Fähigkeiten und Unternehmen, in denen die Inklusion bereits gelingt.
Die Berlinerin Steffi Gedenk zum Beispiel ist von Geburt an fast blind. Dafür sind all’ ihre anderen Sinne extrem gut ausgeprägt, besonders ihr Tastsinn. Dem verdankt sie sogar ihren Beruf. Die 38-Jährige arbeitet als Medizinisch-Taktile Untersucherin in der Brustkrebsfrüherkennung und kann so helfen, Leben zu retten. Mittlerweile bildet sie andere blinde Frauen in dieser speziellen Untersuchungstechnik aus. Auch die Firma Auticon stellt Mitarbeiter wegen ihrer besonderen Fähigkeiten ein. Bei dem IT-Beratungsunternehmen arbeiten Asperger-Autisten. Sie erkennen Details und Muster, wo andere nur Wirrwarr sehen, etwa in Programmiercodes. Ist in den langen Datenkolonnen nur ein Zeichen falsch gesetzt, sticht der Fehler für Auticon-Mitarbeiter Martin Neumann heraus wie ein "roter Fleck auf einer weißen Wand". Seine Fähigkeit kann Wirtschafts- und Finanzunternehmen teure Programmierfehler ersparen. Da Autisten oft Defizite im zwischenmenschlichen Umgang haben, helfen bei Auticon Jobcoaches, ein akzeptables Arbeitsumfeld für alle zu schaffen. Wie behinderte und nichtbehinderte Menschen gemeinsam wirtschaftlich erfolgreich arbeiten, zeigt der spanische Joghurtproduzent La Fageda in Katalonien. Von 310 Mitarbeitern sind 180 körperlich eingeschränkt, psychisch krank oder geistig behindert. Gründer und Psychologe Cristóbal Colón wollte so erreichen, dass auch psychisch kranke Mitarbeiter sich beweisen können. Der Erfolg gibt ihm recht: La Fageda erwirtschaftet einen Umsatz von über 20 Millionen Euro im Jahr. Die Mitarbeiter leben mit ihrem Lohn ein selbstbestimmtes Leben.
29.9., Arte, 20.15 Uhr: "’Die Wilden’ in den Menschenzoos"
Zwischen 1810 und 1940 sind in Europa, den USA und in Japan Menschen aus fernen Ländern als "primitive Wilde" ausgestellt worden. Über ein Jahrhundert lang wurden in Welt- oder Kolonialausstellungen, Zoos, im Zirkus oder in nachgebauten Dörfern von Ureinwohnern knapp 35.000 Personen vor mehr als anderthalb Milliarden Besuchern präsentiert. Mit Hilfe von bisher unveröffentlichtem Archivmaterial zeigt der Dokumentarfilm, wie durch die Menschenzoos der Rassismus populär und alltäglich wurde. Die Besucher kamen, um immer exotischere, immer furchterregendere Wilde zu sehen, die entsprechend in Szene gesetzt wurden. Kinder, Frauen und Männer wurden zur Schau gestellt, um eine Hierarchie der "Rassen" zu fördern und um die Kolonialisierung der Welt zu rechtfertigen. Die Autoren Bruno Victor-Pujebet und Pascal Blanchard erinnern an dieses vergessene Stück Menschheitsgeschichte und zeichnen das Schicksal von sechs solcher zur Schau gestellten Personen nach: Petite Capeline, Ureinwohnerin Feuerlands, Tambo, Aborigine aus Australien, Moliko, Kalina aus Französisch-Guayana, Ota Benga, Pygmäe aus dem Kongo, Jean Thiam, Wolof aus dem Senegal, und Marius Kaloie, Kanake aus Neukaledonien. Ihre Geschichte wurde dank der Arbeit von Historikern und mit Hilfe der Unterstützung ihrer Nachkommen rekonstruiert. Die Berichte über ihre Schicksale bilden das Phänomen der Völkerschauen in ihrem historischen Kontext ab: das Aufstreben und die Entwicklung der großen Kolonialmächte. Anhand von Analysen und Kommentaren sachkundiger Experten beleuchtet der Dokumentarfilm auch die Ursprünge des Rassismus am Übergang von einem angeblich wissenschaftlichen Rassismus zum Alltagsrassismus.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
29.9., Arte, 23.35 Uhr: "Philosophie: Kann man einen Roboter lieben?"
Kann man sich in einen Roboter verlieben? Was sagt es über einen Menschen aus, wenn er Gefühle für ein Wesen entwickelt, von dem er weiß, dass es in Wahrheit nicht existiert? Funktioniert das, weil die Maschine zwischenmenschlichen Austausch zum Verwechseln ähnlich simuliert? Kann die Künstliche Intelligenz menschliche Freundschaften ersetzen? Der sexuelle Akt mit einem Roboter ist durchaus möglich - aber echtes Verlangen und echte Lust? Kann die Maschine menschliches Verhalten bis hin zur Liebesbeziehung simulieren? Darüber spricht Raphaël Enthoven mit Laurence Devillers und Alain Bensoussan. Devillers ist Informatikprofessorin an der Universität Paris-Sorbonne und Forscherin im Informatiklabor für Mechanik und Ingenieurwissenschaften (Limsi) des Forschungszentrums CNRS. Dort leitet sie ein Forschungsteam für Gefühle und Sozialbeziehungen in gesprochenen Interaktionen. Ihre Forschungsfelder umspannen Mensch-Maschine-Interaktion, Gefühlserkennung, gesprochenen Dialog sowie emotionale und interaktive Robotik. Sie war an mehreren französischen und europäischen Projekten über emotionale und soziale Interaktion zwischen Mensch und Roboter beteiligt und thematisiert diese Frage in zahlreichen Veröffentlichungen. Mit dem Anwalt und Technologen Alain Bensoussan, der seinen Roboter mitbringt, wird die Frage erörtert, ob Roboter Rechte und den Status einer natürlichen Person erhalten sollen, wenn ein Mensch Gefühle für sie entwickelt hat.
29.9., Phoenix, 23.15 Uhr: "ZDF-History: Rettung der Zehntausend"
Das Pogrom vom 9. November 1938 gegen jüdische Deutsche schockierte die Welt. In Großbritannien taten sich Helfer zusammen, die sofort eine groß angelegte humanitäre Rettungsaktion organisierten. Die Insel wurde zum Zufluchtsort für jüdische Kinder aus Hitlers Reich.
Am Abend des 30. November 1938 verließ der erste Transport mit 196 Kindern den Bahnhof Berlin-Friedrichstraße. In Großbritannien hatten jüdische Organisationen und die Quäker bereits vier Tage nach dem Pogrom an Premierminister Chamberlain appelliert, deutsch-jüdische Kinder ohne bürokratische Hürden ins Land zu lassen. Kurz darauf billigte das Parlament den Plan. Per Radio suchte man nach Gasteltern für die Kinder aus der Fremde. Aus vielen Städten des Deutschen Reiches fuhren jetzt Züge in die Sicherheit - bis zum Kriegsbeginn Anfang September 1939. Achtzig Jahre nach dem November-Pogrom erzählt der Film Geschichten vom Überleben und vom Leben in einem fremden Land. Er zeichnet anhand von Einzelporträts typische, aber auch besondere Lebenswege nach. Bei Kriegsende wurde vielen der Geretteten klar, dass ihre Eltern in den Lagern ermordet worden waren. Doch trotz der vielfältigen Wunden, die Krieg und Trennung schlugen, schufen sich die meisten "Transportkinder" erfolgreiche Existenzen in ihrer neuen Heimat.
30.9., ARD, 17.30 Uhr: "Echtes Leben: Wer gehört zu Deutschland?"
Wenn Menschen mit Migrationshintergrund im Park halbe Hammel grillen, dann löst das bei vielen Passanten schweres Befremden bis offene Ablehnung aus. Ist das dann Rassismus? Oder ist es völlig in Ordnung, sich über solches Verhalten aufzuregen? Eine Frage, die derzeit heftig diskutiert wird. Auch weil sich viele der 18,6 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland beschweren, dass sie im Alltag immer wieder ausgeschlossen und diskriminiert werden. Und zwar auch dann, wenn sie sich längst integriert haben. Was die Frage aufwirft: Wann "gehört" man eigentlich zu Deutschland? Wann sind Menschen wirklich integriert? Philipp Engel macht sich auf die Suche nach Antworten und redet mit "Zugewanderten", "Neudeutschen" und "Ureinwohnern" über gelungene und misslungene Integration, über "Parallelgesellschaften", Ängste, Vorurteile, über unsere Bilder im Kopf und über die Frage: Wo und wann beginnt der Alltagsrassismus?
30.9., ARD alpha, 21.00 Uhr: "Auf ein Wort... Arbeit"
Wie kommt das Böse in die Welt? Was ist Wahrheit? Kann der Mensch die Wahrheit erkennen? Ist Gott allmächtig? Fragen, die sich jedermann stellt. In der Sendung "Auf ein Wort" diskutiert Michel Friedman mit renommierten Geisteswissenschaftlern und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens über Grundsatzfragen unserer Zeit. Der Moderator und Philosoph begibt sich mit seinen Gästen auf eine Gedankenreise, erkundet die Dialektik scheinbar eindeutiger Begriffe. Friedmans Gesprächspartner zum Thema "Arbeit" ist Michael S. Aßländer. Der Wirtschaftsethiker ist außerordentlicher Professor für Sozialwissenschaften am Internationalen Hochschulinstitut Zittau/TU Dresden, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik und Herausgeber des Suhrkamp-Bandes "Philosophie der Arbeit".
30.9., ARD alpha, 21.45 Uhr: "Streetphilosophy: Alles für die Liebe!"
In dieser Folge von "Streetphilosophy" versucht Jonas Bosslet das Geheimnis der Liebe zu ergründen: In den Zeiten von Social Media, Tinder und Online-Singlebörsen scheint romantische Liebe häufig ein Konzept von gestern zu sein; oder doch nicht? Was ist das für ein Bild von Liebe, das unsere komplexe Gesellschaft heute bestimmt? Und ist es eins, dem wir nachrennen sollten?
Auf der Suche nach Antworten trifft Bosslet in Berlin auf Menschen, die ihre ganz eigenen Vorstellungen von Liebe verwirklichen: Sven und Flo zum Beispiel lieben sich, und das darf die ganze Welt sehen. Zusammen hat das bekannteste schwule Instagram-Pärchen Deutschlands gut 120.000 Follower. Egal ob morgens beim Frühstück im Bett, mittags beim gegenseitigen Bodypainting, abends in der Sauna mit Handtuch um die Hüften oder knutschend unter Palmen: Für ihre intimen und romantischen Einblicke werden sie von ihren Fans gefeiert. Mit der Philosophin Nora Kreft trifft sich Bosslet im Hochzeitsladen. Sie erzählt ihm von dem Philosophen Harry Frankfurt, der sagt, dass Liebe unserem Leben und der Welt eine Bedeutung gibt. Und von Erich Fromm, der zwischen reifer und unreifer Liebe unterscheidet. Danach begegnet Bosslet Daniel Hellmann. Der Künstler hat das Projekt "Full Service" ins Leben gerufen: Man darf sich alles von ihm wünschen, solange man sich auf Preis und Bedingungen festlegen kann. So kann man ein Liebesgedicht, eine sexuelle Handlung, eine Arie, eine Partie Schach oder einen Tanz von ihm kaufen.
30.9., ZDFinfo, 20.15 Uhr: "Die Wahrheit über den Holocaust"
Seit dem Tag der Befreiung am 27. Januar 1945 gilt der Name des Konzentrationslagers Auschwitz als Inbegriff für die Ermordung der europäischen Juden. Gut siebzig Jahre später wollen viele Menschen nichts mehr davon hören. Ein Großteil der jungen Leute aus Deutschland, Frankreich und Israel weiß nicht mehr Bescheid über die historischen Hintergründe. Dies ist die Herausforderung, eine neue globale Geschichte zu erzählen, mit internationalen Perspektiven. "Die Wahrheit über den Holocaust" schildert nicht nur den Mord an den europäischen Juden, sondern zeigt auch die Aufarbeitung nach dem Zweiten Weltkrieg, die lange und schwierige Vergangenheitsbewältigung in Deutschland, Europa und Israel. Die Reihe ist laut ZDF-Chefredakteur Peter Frey "ein Statement gegen jene, die bis heute die Vernichtung des europäischen Judentums verdrängen, relativieren oder gar leugnen." Die acht Folgen sind "ein Angebot an diejenigen, die wissen wollen, wie es wirklich war, vom Terror der Anfangsjahre über den nationalsozialistischen Massenmord bis zur Aufarbeitung nach dem Zweiten Weltkrieg. Wir wollen, dass die jüngere Generation nicht bei den Scharlatanen und Geschichtsverdrehern landet." ZDFinfo hat die Reihe gemeinsam mit Sendern aus Frankreich und Israel produziert.
1.10., ARD, 22.45 Uhr: "Die Story im Ersten: Rechtsrockland"
Themar 2017: 6.000 Neonazis aus ganz Europa marschieren in dem kleinen Südthüringer Ort auf. Es ist das größte Nazi-Festival in der Geschichte der Bundesrepublik. Vorbereitet wurde es von Thüringer Rechtsextremisten. Ostritz 2018: Fast 1.300 Rechtsextremisten kommen in die ostsächsische Kleinstadt. Gleich zwei Tage lang feiern die Neonazis ein Festival mit einschlägigen Bands, Tattoo-Wettbewerben und Kampfsport. Wieder wird die Großveranstaltung von einem Thüringer organisiert. Die Thüringer Neonazis haben sich längst in der Szene einen Namen gemacht. Europaweit gelten sie als Organisationstalente für Rechtsrockkonzerte. Die geschäftstüchtigen, so genannten Bewegungsunternehmer melden unter dem Deckmantel der Versammlungsfreiheit ihre Festivals an. So macht die Szene Geld: für Gerichtskosten, Immobilien und für den Aufbau ihrer Strukturen. Der Film von Johanna Hemkentokrax und Axel Hemmerling beschreibt dieses Erfolgskonzept: Die Neonazi-Szene ist im Aufwind und auch das Geschäft mit der rechtsextremen Musikkultur floriert. Seit Jahren steigt die Zahl der Neonazi-Konzerte. 259 waren es laut Bundesamt für Verfassungsschutz 2017. Ein genauer Blick auf die Konzertteilnehmer lohnt sich, denn im Hintergrund ziehen alte Kader und Szenegrößen die Fäden: die "Paten des Rechtsterrorismus". Sie sind zum Teil seit Jahrzehnten in der Szene aktiv; erst unauffällig, jetzt immer offensiver. Ihre Netzwerke sind international und funktionieren erfolgreich, in Deutschland und im europäischen Ausland. Der Einfluss der deutschen Neonazi-Netzwerker ist dort groß. Auch Gruppen wie "Combat 18", verantwortlich unter anderem für Bombenanschläge in London, sind wieder aktiv. Ihre Strukturen sind untrennbar mit dem Musikgeschäft verbunden. Und die Behörden sehen hilflos zu.
1.10., 3sat, 23.55 Uhr: "37 Grad: Mein Haus zieht mit"
Cool, individuell, wildromantisch: Leben auf dem Hausboot, im Camper oder Mini-Haus, das klingt nach Abenteuer und Freiheit. Doch wer lebt dauerhaft in einem so ungewöhnlichen Zuhause?
Doro Plutte begleitet drei Familien, die mobil wohnen. Menschen zwischen verrückten Ideen und großen Träumen. Die fünfköpfige Familie, die in einen Camper zieht. Das junge Paar, das ein Haus auf 25 Quadratmetern baut. Den Alltag einer Familie, die auf dem Wasser lebt. Das so ein Dasein mit gewissen Herausforderungen verbunden ist, zeigt das Beispiel von Jill: Sie ist hochschwanger. Eine Tochter haben sie und ihr Mann Ole schon, Kind Nummer zwei kommt in wenigen Wochen. Jill will das Kind zu Hause zur Welt bringen; "zu Hause" ist in ihrem Fall ein Boot. Seit drei Jahren wohnt das Paar in einem kleinen Hafen südlich von Hamburg. In der Großstadt fand es keine Wohnung. Also kauften sie sich einen heruntergekommenen Kahn und bauten ein Haus darauf. Komplett in Eigenregie. Jetzt wohnt die Familie in einem kleinen, roten Hausboot. Was romantisch klingt, ist besonders für Ole aber oft nur Plackerei. Immer geht etwas kaputt, muss der Steg erneuert oder der Rumpf gekittet werden. Und besonders mit dem zweiten Kind wird es bald eng auf dem Boot. Ob ein gewöhnliches Leben in einer Mietwohnung doch die bessere Lösung wäre? Familie Weiser gibt ihre Dreizimmerwohnung dagegen aus freien Stücken auf und zieht in einen Camper. Für die Eltern Julia und Erik bedeutet das vor allem ausmisten. In den nächsten Monaten wird das Leben der Weisers auf engstem Raum stattfinden. Schlafen, essen, arbeiten: alles in einem kleinen, gebrauchten Wohnmobil. Julia und Erik machen sich mit ihren beiden Kindern auf den Weg in Richtung Südfrankreich. Noch gehen die Kleinen nicht zur Schule, und als freischaffende Künstler sind die Eltern räumlich flexibel.
Warum also nicht einfach losfahren? Ausbrechen aus dem Gewöhnlichen und gemeinsame Zeit mit der Familie verbringen? Wenn da nicht das leidige Geld wäre. Daran mangelt es Weisers permanent. Für drei Monate ist ihr Wohnexperiment gesichert, aber dann muss irgendwoher finanzielle Unterstützung kommen, oder ihre Kunst muss Geld abwerfen. Drittes Beispiel sind das Paar Brendan und Sina, 25 und 20. Ein Leben lang das Eigenheim abbezahlen und gebunden sein, so wie es ihre Eltern getan haben: Darauf haben sie keine Lust. Aus den USA kennen sie das Konzept der "Tiny Houses": kleine Häuschen auf Anhängern, in denen es auf engstem Raum alles gibt, was es zum Leben braucht. Die Flexibilität und der Gedanke, auch mit wenig zurechtzukommen, begeistert das junge Paar. Sie haben das Haus komplett am Computer geplant und jedes Detail berechnet. Den Anhänger haben sie schon gekauft, jetzt kommt das Baumaterial, und dann soll es losgehen.
Mobil zu leben reizt immer mehr Menschen in Deutschland. Grund dafür ist zum einen der knappe Wohnraum in den Großstädten, zum anderen die Freiheit, die diese Lebensform verspricht: einfach mal den Wohnort wechseln, autark sein, unabhängig, flexibel. Die Dokumentation zeigt, welche Herausforderungen das Leben auf kleinem Raum birgt, und fragt, wie frei es sich wirklich lebt im Camper, Hausboot oder Tiny House.
2.10., ZDF, 22.15 Uhr: "37 Grad: Schmerz, lass nach!"
Etwa 15 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter chronischen Schmerzen, und die Zahl der Schmerzpatienten steigt stetig. Oft verändert die Krankheit ihr Leben grundlegend. Der Film von Katja Aischmann und Volker Schmidt-Sondermann stellt Menschen vor, die die Hoffnung nicht aufgeben, dass es einmal wieder ein Leben ohne Schmerzen geben wird.
Die Leipzigerin Susanne (42) zum Beispiel war früher eine Powerfrau. Vollzeitstelle und Haushalt schaffte sie ohne Probleme. Doch dann tat ihr rechter Ellenbogen unerträglich weh, später das Handgelenk und auch die Schulter. Diagnose: Morbus Sudeck, eine schmerzhafte Weichteil- und Knochenveränderung. Die Schmerzen wurden so schlimm, dass sie überlegt, sich den Arm amputieren zu lassen. Seit sechs Jahren leidet sie jetzt unter dem komplexen Schmerzsyndrom. Die Krankheit und die Schmerzen haben ihr Leben und das ihrer Familie völlig verändert: Jobverlust, Wohnungswechsel, soziale Isolation. Auch Martina (53) musste ihre Arbeit aufgeben; sie hat zudem die meisten ihrer Freunde verloren. Der Grund ist eine chronische Schmerzerkrankung. Viele Jahre litt die Berlinerin unter unsäglichen Schmerzen am ganzen Körper. Irgendwann wurde es so schlimm, dass sie sich aus dem neunten Stock eines Hochhauses stürzen wollte, doch ihr Überlebenswille war stärker. Sie begab sich noch einmal in ärztliche Behandlung und lernte Menschen einer Selbsthilfegruppe kennen. Langsam fand sie einen Weg, mit ihren Schmerzen umzugehen und sie als Teil ihres Lebens zu akzeptieren. Drittes Fallbeispiel ist Selim. Er war 34 Jahre alt, als sich sein Nacken, seine Schultern und sein Rücken nach und nach schmerzhaft versteiften. Immer häufiger fehlte er bei der Arbeit. Nach einiger Zeit dann die Diagnose: Morbus Bechterew. Alles, was er liebte, war fortan unmöglich; kein Segeln mehr, keine Touren mit dem Mountainbike. Doch Selim will sich nicht geschlagen geben und nimmt den Kampf gegen die Schmerzen auf. Er lässt sich dauerhaft krankschreiben und wird aktiv. Zusammen mit seiner Freundin stellt er seine Ernährung um, beginnt mit Yoga und leichteren Sportaktivitäten. Er sucht Fachärzte auf, macht eine Schmerztherapie und begibt sich in eine Reha-Klinik. Innerhalb weniger Monate krempelt er sein Leben völlig um. Er will seine Schmerzen unbedingt besiegen und sich von der Krankheit nicht in die Knie zwingen lassen.
2.10., Arte, 23.10 Uhr: "Europas Muslime"
Über keine Religion wird so kontrovers diskutiert wie über den Islam. Passen seine Wertvorstellungen zu denen Europas? Gibt es gar so etwas wie einen europäischen Islam? Wie fühlen sich Muslime in Europa inmitten der Diskussionen, die derzeit so hitzig geführt werden? Im Sommer 2016 haben sich die Journalistin Nazan Gökdemir und der Islamkritiker und Schriftsteller Hamed Abdel-Samad schon einmal auf eine Reise durch Europa begeben, um mit den Menschen, den Muslimen selbst zu sprechen. Über ein Jahr später, nach Erlebnissen in Deutschland, Frankreich, Belgien und Spanien, haben sich die beiden nun erneut auf den Weg gemacht. Erste Station: Dänemark, das Land, in dem 2005 Karikaturen des Propheten Mohammed einen Flächenbrand auslösten. In Kopenhagen sprachen sie unter anderem mit Sherin Khankan, einer der ersten Imaminnen in Europa. Sie entdeckten den in Verruf geratenen Kopenhagener Stadtteil Nørrebro und sprachen mit dem umstrittenen Parlamentsabgeordneten Naser Khader. Es wurde eine Erkundungsreise in Begleitung von Personenschützern. Denn über den Schriftsteller Abdel-Samad wurde 2013 eine Fatwa verhängt, aufgrund von Morddrohungen reist er nur noch mit Bodyguards. Im Anschluss (0.55 Uhr) geht die Reise weiter nach Bosnien-Herzegowina, eines der Zentren europäischer Muslime. In dem vom Kosovo-Krieg noch immer geschundenen Land besuchen Gökdemir und Abdel-Samad die Gedenkstätte in Srebrenica, den Ort, an dem im Juli 1995 bosnisch-serbische Milizen 8.000 muslimische Jungen und Männer ermordeten. Sie haben eine konfrontative Begegnung vor der von saudi-arabischen Geldgebern finanzierten König-Fahd-Moschee in Sarajevo und treffen im Anschluss den Imam der Kaisermoschee, einer der einflussreichsten Geistlichen des Landes.
2.10., ZDFinfo, 21.00 Uhr: "Kreuzzug in die Hölle - Die Tempelritter"
Am 13. Oktober 1307 werden Tausende von Männern in allen Teilen Frankreichs festgenommen. Es ist der Auftakt zu einer Verhaftungswelle, die bald über ganz Europa hinwegrollen sollte. Das Ziel ist die Zerschlagung des Templerordens. Er ist eine der mächtigsten Organisationen, die das Mittelalter hervorgebracht hat und die noch heute ein großes Geheimnis umgibt.
Die Herrschaft der Ritter vom Orden des Tempels reichte vom Norden Europas bis nach Sizilien und von Portugal im Westen bis nach Jerusalem im Orient. Die Tempelritter waren der Stolz des Abendlandes. Die Männer, die an den weißen Umhängen mit dem Tatzenkreuz auf der Schulter zu erkennen waren, galten als das Symbol einer 200-jährigen Herrschaft, die die Feinde des Christentums das Fürchten gelehrt hatte. Seit zur Befreiung des Heiligen Landes von den Ungläubigen aufgerufen wurde, erlebten die Tempelritter einen steilen Aufstieg. Das christliche Europa hatte sich der neuen Doktrin mit unglaublicher Begeisterung verschrieben, die vielfach in blinden Fanatismus überging. In der durch die Kreuzzugsbewegung entstandenen neuen Ordnung zwischen Okzident und Orient suchten die Tempelritter ihre Position an den Scharnieren der Macht.
Bald übernahmen sie die militärische Hoheit in eroberten Gebieten, hatten Polizeigewalt über christliche Heiligtümer und kontrollierten die Handelswege. Die über Ländergrenzen hinweg operierende Organisation wurde zu einem starken und äußerst wohlhabenden Machtapparat, der allein dem Papst in Rom unterstand. Die Stärke und Unabhängigkeit der Templer rief Neider auf den Plan, allen voran den König von Frankreich. Nach der Rückeroberung des Heiligen Landes durch die Muselmanen geraten die Tempelritter unausweichlich in eine Interessenkollision zwischen dem Papst und der französischen Krone. Ein Machtkampf zwischen dem Heiligen Vater - Papst Clemens V. - und Philipp IV. von Frankreich, der den Beinamen "Der Schöne" trägt, entbrennt.
Der Film geht der Frage nach, wie es möglich war, dass die als äußerst tapfer und furchtlos angesehenen Elitesoldaten zu willenlosen Opfern in den Schauprozessen der heiligen Inquisition wurden? Wie kam es, dass viele von ihnen in schmutzigen Kerkern elend umkamen? Waren die Vorwürfe von Götzendienerei und widernatürlicher Unzucht erfunden, oder beruhten sie auf der Wahrheit? Bewiesen ist, dass die Templer geheime Praktiken unter Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Aufnahme neuer Mitglieder pflegten. Reichte das aus, um den Vorwurf der Ketzerei zu rechtfertigen? Bis heute wird über den Verbleib der Reichtümer gerätselt. Meldungen über vermeintliche Fundorte des Templerschatzes mobilisieren Schatzsucher in aller Welt.
Der Film aus der ZDF-Reihe "Terra X" rollt die Verfahren der Inquisition anhand historischer Akten wie auch aktueller Erkenntnisse noch einmal auf. Die Prozessprotokolle, die heute in Paris liegen, dienen der wortgenauen Rekonstruktion. Ankläger und Beschuldigte kommen zu Wort. Darüber hinaus werden Historiker und Experten befragt, wer welches Interesse mit dem Prozess verfolgte und was das Urteil bezweckte. Es ist während der Dreharbeiten gelungen, eine heute in Frankreich lebende Nachfahrin jenes von der Nachwelt "verfluchten" Papstes Clemens V. ausfindig zu machen. Diese Familienangehörige hat eine Erklärung für die Verstrickung ihres Vorfahren, der sich bei dem Prozess die Finger mit Blut besudelte. Und ein im Geheimarchiv des Vatikans entdecktes päpstliches Dokument wirft ein neues Licht auf die historischen Ereignisse: Wurde vor fast 700 Jahren ein gewaltiges Komplott geschmiedet, um die Organisation der Templer zu entmachten und die vielleicht größte Enteignung in der Geschichte des Abendlandes durchzuführen?
4.10., 3sat, 20.15 Uhr: "Gepflegt alt werden"
In den Niederlanden sind die Kommunen gesetzlich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass alte Menschen nicht ins Heim müssen. Tanja von Ungern-Sternberg geht in ihrem Film der Frage nach, ob die Kommunalisierung der Pflege auch in Deutschland eine Option ist. Die immer älter werdende Gesellschaft braucht ein solidarisches Miteinander. Die Betreuung und Pflege hilfsbedürftiger Menschen dabei marktwirtschaftlichen Regeln zu unterwerfen, hat zu einer Situation geführt, die viele mit "Pflegenotstand" beschreiben. In Deutschland fordern Senioren-Organisationen eine vergleichbare Politik wie in den Niederlanden.
In Rheinland-Pfalz kümmert sich etwa eine "Gemeindeschwester Plus" um die älteren Menschen vor Ort. Damit soll die Pflegebedürftigkeit verzögert, wenn nicht gar verhindert werden. Was bisher Modellprojekt war, soll aufgrund des großen Erfolges in die Verlängerung gehen. Doch was passiert, wenn die Belastung für die Angehörigen zu groß ist, etwa bei einer Demenz-Erkrankung? Alte und demente Menschen leiden vor allem an drei Übeln: Einsamkeit, Hilflosigkeit und Langeweile. Es gibt nicht das eine perfekte Konzept zur Betreuung zu Hause, im Heim oder in einer Demenz-WG. Experten aber wissen, dass Menschen, die mehr im Gestern als im Heute verhaftet sind, nah an ihrer Biografie weiterleben sollten und dass sinnvolle Arbeit besser ist als jede Beschäftigungstherapie. Die Betreuung von Demenzkranken geht dabei schnell an die Substanz der Angehörigen, sowohl psychisch als auch finanziell. Der Arzt und Versorgungsepidemiologe Wolfgang Hoffmann (Greifswald) kritisiert, dass es zwar viele Angebote in den einzelnen Kommunen gäbe, aber dass die Betroffenen oft nichts davon wüssten und dass sich die Pflegeprofis untereinander nicht austauschten. Es müsse ein ganzes Räderwerk von medizinischen Ambulanzen, Hausärzten, Gerontologen und Betreuungsangeboten ineinandergreifen, um der Pflege von Demenzkranken gerecht zu werden. Sozialökonomen wie Frank Schulz-Nieswandt sehen in der Kommunalisierung von Pflege dann eine Chance für eine bessere und gleichzeitig billigere Pflege von hilfsbedürftigen Menschen, wenn Kranken- und Pflegekassen mitfinanzierten, gleichzeitig aber die Kommunen nicht mit bürokratischen Vorgaben lähmten.
4.10., 3sat, 21.00 Uhr: "scobel: Die Pflege-Agenda"
Im Anschluss an die Reportage über Wege aus dem Pflegenotstand diskutiert Gert Scobel mit seinen Gästen, unter anderem Bernhard Emunds, Sozialökonom und Ethiker, über die Zukunft der Pflege und das nötige Umdenken in der Gesellschaft. Alle sind sich einig, dass Pflege ganz oben auf die Agenda gehört. Es kann nicht sein, dass Pflegeberufe schlecht bezahlt und angesehen sind. Respekt und Bewusstsein müssen geschaffen werden. Strukturelle Veränderungen sind notwendig.
Die Lebenserwartung steigt, neurosensorische Erkrankungen nehmen zu. Es fehlen Pflegekräfte in den Krankenhäusern, im stationären Bereich der Altenpflege und auch im häuslichen Bereich. Die Belastung für Pflegekräfte wächst stetig; viele Menschen können ihren Beruf wegen der enormen psychischen und physischen Belastung nur in Teilzeit ausüben. Gleichzeitig leiden Pflegeberufe unter schlechtem Ansehen, vermeintlich schlechten Aufstiegschancen und schlechter Bezahlung. Dort muss ein Umdenken entstehen; nötig sind Ansätze in der Ausbildung und ihrer Finanzierung, in der Wertschätzung und der Praxis. Die Pflegegesetzgebung setzt die Prämisse, häusliche Pflege vor stationärer Pflege zu fördern. Was für die Betroffenen positiv klingt, hat stillschweigend akzeptierte Konsequenzen: Pflegekräfte aus Osteuropa ziehen in die Familien und arbeiten oft unreguliert rund um die Uhr. In anderen europäischen Staaten beginnt Alltagshilfe viel früher, mit niedrigen Hemmschwellen und kommunal organisiert. Auch in der Bundesrepublik sind solche Modelle vorhanden; die Runde geht der Frage nach, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, damit sie Schule machen.
4.10., WDR, 22.40 Uhr: "Menschen hautnah: Markus, 35 Jahre, Kind"
Markus lebt in Duisburg. Seine Wohnung ist vollgestopft mit Spielzeug, Werkzeug und vor allem mit Bewegungsmeldern, die Geräusche machen: Frösche quaken, Elvis singt, ein Schneemann schimpft. Und Markus lacht sich kaputt und spielt mit seinen Figuren, stundenlang. Dazu hört er am liebsten Kinderhörspiele und trinkt Kakao. Markus ist 35 Jahre alt; ein Autist, der wohl nie erwachsen wird und es auch nicht werden will. Ihm ist klar, dass die meisten Menschen dafür kein Verständnis haben, seine Eltern eingeschlossen. Markus sieht allerdings auch etwas ungewöhnlich aus mit seinem Laserpointer um den Hals und bunten Plastikfiguren in der Hand. Vor allem sein Vater findet, dass Markus nur wenig Vernünftiges zustande bringt; er wünscht sich, dass sein Sohn endlich erwachsen wird. Auch die Mutter, dass er vor die Tür geht und andere Menschen trifft, damit er nicht als Autist vereinsamt. Und so hat Markus die Liebe zu Menschen mit Down-Syndrom entdeckt, seine Downies. Sie nehmen ihn so, wie er ist, und hinterfragen seine Art nicht. Ramona ist seine engste Freundin, sie wohnt ein Stockwerk unter ihm und ist oft bei ihm. Die Freude am Spielen, die Geräusche, die Liebe, der Kampf um die Anerkennung des Vaters und die Frage, ob er eine Aufgabe in dieser Gesellschaft finden kann: Das sind die Themen, die Markus bewegen, auf seine ganz eigene Art und Weise. "Menschen hautnah" hat ihn ein Jahr lang begleitet.
4.10., WDR, 23.25 Uhr: "Vom Außenseiter zum Sternekoch"
In dem kleinen Städtchen Öhringen bei Heilbronn ist man stolz auf Serkan Güzelçoban. Der umtriebige Sternekoch mischt mit seinen Gourmet-Projekten immer wieder die Gastroszene auf. Doch mit seinem aktuellen Vorhaben sorgt er in seiner schwäbischen Heimat nicht nur für Aufsehen, sondern vor allem für Kopfschütteln. Güzelçoban will in der ehemaligen Orangerie in Öhringen ein Gourmetrestaurant eröffnen und dort inklusiv arbeiten: Sowohl in Küche und Service will er auch Menschen mit Handicap beschäftigen. Und Flüchtlinge. Seine Motivation zu Inklusion und Integration begründet der 32-Jährige mit seiner eigenen Biografie. Als Sohn türkischer Gastarbeiter geboren, wuchs Serkan Güzelçoban in dem Stuttgarter Problemstadtteil Heslach auf, ging dort auf die Hauptschule. Anschließend folgten mehrere Bewerbungen, genauso viele Absagen und eine lange Zeit des Nichtstuns – bis ein Gastronom ihm eine Chance gab und ihm ein Praktikum anbot. Er ergriff diese Chance und machte innerhalb kurzer Zeit eine große Karriere: Für seine Kochkünste holte er mit gerade 29 Jahren einen Michelin-Stern. Jetzt will er anderen vermeintlich "Chancenlosen" eine Chance geben. Aber: Spitzen-Küche und soziales Engagement – wird das funktionieren? Ilyas Meç hat Serkan Güzelçoban ein halbes Jahr bei seinem ungewöhnlichen Projekt begleitet. Der Film erzählt, wie die Zusammenarbeit in dieser bunten Konstellation klappt und wo sie an Grenzen stößt.
4.10., MDR, 22.35 Uhr: "Die schwerste Entscheidung meines Lebens"
Als Margitta Zellmer ihre Schwangerschaft beenden ließ, galt für sie DDR-Recht. Von 1972 an konnten Frauen in der DDR bis zur zwölften Schwangerschaftswoche ohne Strafe abtreiben. Eine Regelung, die politisch akzeptiert und gesellschaftlich nicht in Frage gestellt wurde. Einzig die Kirchen kritisierten dieses Recht. Der Protestant Wolfgang Böhmer, damals Gynäkologe und später Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, war einer der Kritiker. Er kämpfte dafür, dass das liberale DDR-Abtreibungsrecht nicht in die gesamtdeutsche Gesetzgebung übernommen, sondern verschärft wurde.
Nach langen, schwierigen Debatten fand der Bundestag 1992 einen Kompromiss: Danach ist ein Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Woche rechtswidrig, unter bestimmten Voraussetzungen jedoch straffrei. Jedes Jahr entschließen sich in Deutschland rund 100.000 Frauen, ihre Schwangerschaft abzubrechen. Gesprochen wird darüber selten. Die betroffenen Frauen schweigen aus Trauer, aus Scham und aus Angst an den Pranger gestellt zu werden. Kaum ein anderes Thema wird so emotional diskutiert, wie das Recht auf Abtreibung. Im Film erzählen zwei Frauen die Geschichte der schwersten Entscheidung ihres Lebens.
4.10., ZDFinfo, 20.15 Uhr: "Unter Beobachtung - Muslimische Männer in Deutschland"
Es ist eine Diskussion, die insbesondere seit dem Sommer 2015 unerbittlich in diesem Land geführt wird: Gehört der Islam zu Deutschland? Besonders unter Beobachtung stehen die muslimischen Männer. Viele Muslime wohnen seit Generationen in Deutschland, doch sind sie hier jemals angekommen? Und wann wurden aus ihnen "die Muslime"? Die Buchautorin Sineb El Masrar ("Emanzipation im Islam") und Regisseur Faruk Hosseini ("Radikal religiös", "Europas Muslime") haben muslimische Männer in Deutschland getroffen, sie in ihrem Alltag begleitet und vor allem diejenigen besucht, die mehr in sich vereinen als nur das Attribut Muslim.
In ihrem Film zeigen die beiden, wie diese Männer leben, was sie erleben und was sie bewegt. Realität trifft auf Klischees, Identitäten auf Nationalitäten. Wer fühlt sich deutsch? Wer fühlt sich muslimisch? Wer vereint beide Gefühle in sich? Muss das überhaupt ein Widerspruch sein? Die beiden Autoren sprechen unter anderen mit Dogan, einem Gastarbeiterkind der ersten Generation. Er ist so selbstverständlich Deutscher wie auch Muslim. Der Würzburger ging auf eine "Türkenschule", wie es für Gastarbeiterkinder in den Anfangsjahren oft üblich war, und fand über das Boxen und seine "deutsche Omi" einen besseren Zugang in die deutsche Gesellschaft als viele andere Jungs aus seiner Generation. Im Film trifft er seinen alten Kindheitsfreund Michael nach dreißig Jahren auf dem Spielplatz von damals wieder. Sie plaudern über alte Zeiten, die Flüchtlingsdebatte und den Aufstieg der AfD.
Außerdem stellen El Masrar und Hosseini den 34-jährigen Studenten Ahmad Omeirate vor. Er erzählt, was es bedeutet, den Nachnamen einer der berüchtigtsten arabischen Clans in Deutschland zu tragen. Seit seiner Jugend engagiert sich Ahmad im interkulturellen Dialog; er weiß, was es bedeutet, als Flüchtlingskind in einem Brennpunktviertel groß zu werden und von Rassismus betroffen zu sein. Der 19-jährige Afghane Zubiar M. kam erst vor einigen Jahren über die Balkanroute nach Deutschland. Nun wartet er in einer Rostocker Asylunterkunft auf ein neues, besseres Leben. Als Flüchtling steht er aufgrund der Berichte über Messerstechereien, Vergewaltigungs- und Tötungsdelikte einiger Geflüchteter wie so viele Muslime seiner Generation unter Generalverdacht. Zubiar erzählt von seinen Erfahrungen und berichtet, was ihn als dazu bewegt hat, so einen langen Fußmarsch auf sich zu nehmen. Er gehört zur neuen, kürzlich erst angekommenen Generation von Muslimen in Deutschland, und allein deswegen ist er im Gegensatz zu Ahmad und Dogan noch weit davon entfernt, sich als Teil dieser Gesellschaft zu fühlen. Seine Identität wird immer noch durch seine Herkunft und seinen Glaube bestimmt, was das Leben in einem säkularen Staat nicht leichter macht.