Eigentlich ist der pensionierte Kurt noch zu jung, um schon betreut werden zu müssen, aber nach einem Schiffsunfall und mehreren Knochenbrüchen kann er sich vorübergehend nicht mehr selbst versorgen. Weil der Seebär nicht glücklich ist, wenn er kein Wasser unterm Kiel hat, und schon diverse Frauen vergrault hat, ist Roza die letzte Hoffnung der Pflegedienstleiterin. Die Polin ist zwar gerade dabei, die Hochzeit ihrer schwangeren Tochter vorzubereiten, erklärt sich aber bereit, für eine Woche einzuspringen. Da ahnt sie allerdings noch nicht, was sie erwartet. Kurt ist nicht nur permanent schlecht gelaunt, er reagiert auch geradezu allergisch auf alles, was mit Polen zu tun hat: Seine Familie stammt aus Masuren und ist 1945 enteignet worden. Wegen der ständigen Anfeindungen ist sie schließlich nach Hamburg ausgewandert; und Roza stammt just aus jener Gegend, in der Kurt seine Kindheit verbracht hat. Außerdem ist sie durch und durch Familienmensch und hat überhaupt kein Verständnis dafür, wie der deutsche "Kuhlschrank" mit seinen Angehörigen umspringt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
"Verliebt in Masuren" ist schon allein wegen seiner Doppeldeutigkeit ein schöner Titel, denn der kleine Kurt war durchaus glücklich; im schönsten Sommer seines Lebens hat er mit seinem Freund Jurek davon geträumt, die Weltmeere zu besegeln. Mit diesen Jugenderinnerungen wird er nun hautnah konfrontiert, denn als Rozas Ablösung nicht auftaucht, nimmt sie den "sturen alten Esel" kurzerhand mit zu sich nach Hause, wo sich der verwitwete Seebär mit seinen antipolnischen Ressentiments naturgemäß erst mal nicht viele Freunde macht. Als die "glücklich geschiedene" Roza schließlich rausfindet, dass die Wurzeln seines finsteren Gemüts keineswegs in der Kindheit liegen, sondern mit dem Unfalltod seiner Frau zusammenhängen, kann sie Kurt helfen, die Schatten der Vergangenheit endlich zu vertreiben und sich sogar mit seinem Sohn (Alexander Khuon) zu versöhnen. Damit wäre auch der Weg frei für eine spezielle Form der deutsch-polnischen Völkerverständigung, aber Kurt will endlich die Welt umsegeln und Roza ihre Heimat nicht verlassen.
Natürlich schwelgt der Film geradezu in der masurischen Landschaft. Mit seinen prachtvollen Bildern von Wasser und Himmel hat Kameramann Andreas Doub dafür gesorgt, dass der Film seinem Titel auch optisch gerecht wird. Die Bildgestaltung der polnischen Szenen ist ohnehin deutlich abwechslungsreicher ist als in Hamburg; dort beschränkt sich Doub bei seinen Schmuckbildern darauf, aus möglichst vielen unterschiedlichen Perspektiven zu zeigen, wie sich das Sonnenlicht in der Elbphilharmonie spiegelt. Aber die Komödie lebt ohnehin in erster Linie vom Mit- und Gegeneinander der beiden Hauptfiguren und ihren Darstellern. Gerade Lina Wandel, bekannt vor allem durch ihre Rolle als Titelfigur in der ARD-Krimireihe "Die Füchsin", versieht ihre Figur nicht nur mit einem authentisch klingenden Akzent, sondern auch mit viel subtiler Süffisanz, die wiederum wunderbar mit der Arbeit des Komponisten korrespondiert, denn Martin Rott hat seiner schönen Musik eine sympathische ironische Note gegeben. Hans-Uwe Bauer, der gern kantige Typen verkörpert, spielt den widerwilligen Sinneswandel des Kapitäns ähnlich überzeugend; die Dialoge der beiden Hauptfiguren, die sich nichts schuldig bleiben, sind angenehm bissig. Weil Rozas Tochter einen Deutschen heiraten wird, ist es auch glaubwürdig, dass die polnische Familie ein bisschen deutsch kann.
"Verliebt in Masuren" ist das erste Drehbuch der Schauspielerin (und Freizeitseglerin) Kerstin Römer, zumindest für einen Film; erste Erfahrungen als Autorin hat sie bei der ZDF-Telenovela "Wege zum Glück" gesammelt. Sie spielt außerdem die kleine Rolle der Pflegedienstleiterin, die eine Betreuerin für den "liebenswürdigen älteren Herrn" sucht. Regie führte Bruno Grass. Er hat unter anderem für die Degeto-Krimireihe "Mordkommission Istanbul" den ziemlich spannenden zweiteiligen Thriller "Im Zeichen des Taurus" (2016) inszeniert, aber auch die kurzweilige Familienkomödie "Harry nervt" (2013) mit Günther Maria Halmer als Weltenbummler und ähnlich egozentrischem Antihelden. Im damaligen Film war allein die Tochter auf der Seite der Titelfigur. Diesmal ist es Enkelin Paula, die als einzige ein Herz für den alten Griesgram hat, und weil die junge Alva Schäfer das auch sehr schön spielt, ist es umso bedauerlicher, dass Paula irgendwann sang- und klanglos aus der Geschichte verschwindet.