TV-Tipp: "Tatort: Trautes Heim" (ARD)

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TV-Tipp: "Tatort: Trautes Heim" (ARD)
9.9., ARD, 20.15 Uhr
Die besten Krimis sind erfahrungsgemäß Filme, bei denen man mitdenken darf; und das keineswegs bloß in Bezug auf die Suche nach dem Mörder. Darin zeigt sich auch die große Qualität dieses "Tatorts" aus Köln.

Während in zweitklassigen Drehbüchern zwischendurch gern alles erklärt wird und in weniger guten Inszenierungen wichtige Details grundsätzlich noch mal in Nahaufnahme hervorgehoben werden, beschränkt sich "Trautes Heim" (eine Wiederholung aus dem Jahr 2013) in vielen Szenen auf Andeutungen. Einige Fragen werden nicht sofort, sondern erst später beantwortet, bei anderen muss man selbst aktiv werden.

Dieses dramaturgische Mittel macht den Film natürlich interessant, dient aber keineswegs dazu, die Spannung künstlich zu steigern: weil die Geschichte das gar nicht nötig hat. Obwohl der Krimi in seinem Kern klar umrissen ist, zeichnet sich das Drehbuch durch einen großen Handlungsreichtum aus. Das liegt vor allem daran, dass die Kommissare Ballauf und Schenk (Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär) nach der Entführung eines Jungen komplett im Dunkeln tappen. Der Reihe nach erklären sie praktisch jeden, der ihnen über den Weg läuft, zum potenziellen Täter erklären; außerdem konstruieren sie immer kompliziertere Komplizenschaften. Allerdings benehmen sich auch fast alle Beteiligten verdächtig, allen voran der Vater, Roman Sasse (Barnaby Metschurat), der in der Tat ein existenzielles Geheimnis hütet. Die Ermittler kommen ihm nur durch Zufall auf die Spur, als sich rausstellt, dass das Telefon des entführten Kindes auf einen ganz anderen Namen registriert ist. Auf den ersten Blick wirkt es überraschend, dass die Autoren Frank Koopmann und Roland Heep diesen ersten Knüller des Films bei ihrer "Tatort"-Drehbuch relativ früh offenbaren. Aber der Handlung gibt das noch mal einen Schub, denn die Enthüllung liefert den Kommissaren prompt weitere Verdächtige, zum Beispiel den Chef einer Alibiagentur; und dennoch dient sie der Wahrheitsfindung nur bedingt.

Christoph Schnee ("Mord mit Aussicht") setzt die Geschichte bildsprachlich unauffällig, aber handwerklich ausgesprochen seriös um. Auf vordergründige Spannungssteigerungen kann er getrost verzichten, die innere Spannung ist groß genug. Nervenkitzel bietet vor allem der Einstieg, als die Kidnapper kaltblütig einen Motorradfahrer ermorden, der die Entführung verhindern will. Nur deshalb kommt überhaupt die Polizei ins Spiel, denn Sasse hätte sie nicht informiert. Für Barnaby Metschurat ist die Figur dieses Wanderers zwischen zwei Welten, der beinahe buchstäblich auf verschiedenen Hochzeiten tanzt, gleich doppelt reizvoll. Entsprechend vielschichtig legt er die Rolle an: mal als souveräner Software-Entwickler, der alle Fäden in der Hand hält, mal als Getriebener, dem die Zügel längst entglitten sind.

Schade nur, dass Schnee nicht alle Darsteller auf dieses Niveau geführt hat. Einige der handelnden Personen benehmen sich derart auffällig, dass man sie als Zuschauer umgehend von der Liste der Verdächtigen streicht. Umso besser (weil sparsamer) agieren die beteiligten Kinder. Zum Handlungsreichtum gehört auch die Idee, dass Sasse für einen Sohn eine Science-Fiction-Geschichte aufgenommen hat, die zum Teil sogar mit den Ereignissen korrespondiert. Ein zügig erzählter und aufgrund seiner Rätselhaftigkeit ausgesprochen reizvoller Krimi aus Köln.