Der Film erzählt eine im Grunde einfache Geschichte, die sich zwar mehr und mehr zum Psychothriller entwickelt, mit drei Stunden aber trotzdem entschieden zu lang ist: College-Dozentin Leah (Katherine Kelly) hat gute Aussichten auf eine Festanstellung im ehrwürdigen Cambridge, aber dann stürzt ihr gesamtes Leben quasi über Nacht in sich zusammen; und alles offenbar bloß, weil sie Studentin Rose (Molly Windsor) beim Betrug ertappt hat. Als sie die junge Frau dann auch noch während einer Vorlesung demütigt, sinnt Rose auf Rache. Als erstes macht sie sich an Leahs Verlobten Adam (Tom Goodman-Hill) ran, dann sorgt sie dafür, dass die hoffnungsvolle Karriere der Dozentin endet. Weil sich Drehbuchautorin Gaby Hull bei ihrer Geschichte offenbar durch die antike griechische Medea-Sage inspirieren ließ, gipfelt der Rachefeldzug schließlich in einen Mord, für den sich Leah verantworten muss.
Damit ist nicht zu viel verraten, denn "Cheat" nimmt das früh vorweg: Die Geschichte wird als lange Rückblende erzählt. Rahmenhandlung ist ein Gespräch zwischen Dozentin und Studentin im Gefängnis, weshalb im Pressematerial der ARD allzu überschwänglich die Rede davon ist, der Film sei "durch Zeitsprünge meisterhaft prononciert"; was immer das heißen mag. Aber dort steht auch, Regisseurin Louise Hooper habe die Geschichte "raffiniert inszeniert", und davon kann keine Rede sein, selbst wenn die Bildgestaltung (Ed Rutherford) sorgfältig ist und die Musik (Edmund Butt) markante Akzente setzt. Das Qualitätsniveau entspricht dem guten Durchschnitt des deutschen Fernsehfilms, und wie Zeitsprünge tatsächlich "meisterhaft prononciert" werden, belegen regelmäßig die "Spreewald-Krimis" (ZDF), in denen die verschiedenen Zeitebenen auf ungemein kunstvolle Weise miteinander verwoben werden. Außerdem verstößt die britische Produktion gegen ein ungeschriebenes Gesetz der Filmsprache: Rückblenden dürfen nicht lügen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die Handlung sorgt gerade im zweiten Teil (Pfingstmontag, 21.45 Uhr) für einige echte Überraschungen und ist durchaus abwechslungsreich, zumal die Psychotricks und die gezielten Provokationen der jungen Frau von ausgesuchter Bosheit sind; es dauert jedoch eine Weile, bis Buch und Regie in den ersten neunzig Minuten zur Sache kommen. Allerdings ist die deutsche Fassung stellenweise nur schwer zu ertragen, weil die Figuren lauter lebensferne Synchronsätze von sich geben und ständig diese typischen inhaltlich völlig unmotivierten Kunstpausen machen ("Wollen … wir darüber reden?", "Erläutern Sie … uns das doch mal"). Die Sprecherin von Molly Windsor irritiert zudem durch eine mitunter etwas seltsame Betonung. Echte Spannung kommt ohnehin erst in Teil zwei auf, wenn sich Regisseurin gelegentlicher moderater Thriller-Elemente bedient. Jetzt zeigt sich auch, dass Hull und Hooper die ganze Zeit mit dem Publikum gespielt haben.