Kaum hatte Maria Simon 2011 ihren Dienst als Olga Lenski angetreten, wurde sie schwanger und verschwand nach zwei Filmen in der Babypause, was Sophie Rois einen schrägen Auftritt als Schwangerschaftsvertretung verschaffte ("Die Gurkenkönigin"). Ein Jahr später – der Film ist eine Wiederholung von 2012- war Lenski wieder da, und der Sonntagskrimi trägt seither mit einer weiteren Ermittlerin, die Beruf und Baby unter einen Hut bringen muss, dazu bei, dass berufstätige Mütter Fernsehnormalität werden. Autor Clemens Murath vertieft diesen Aspekt allerdings nicht weiter, man kennt das ja auch aus den Sonntagskrimis mit Maria Furtwängler (als Charlotte Lindholm aus Hannover) oder der ZDF-Reihe "Unter anderen Umständen" mit Natalia Wörner.
Im Zentrum des Films steht also der Fall, aber auch der wird sehr unaufgeregt erzählt (Regie: Nicolai Rohde). Dabei hat es die Geschichte durchaus in sich: Jan und Dittsche haben zwei Mitschülerinnen mit einer Partydroge gefügig gemacht. Zumindest eine der beiden ist vergewaltigt worden. Ihre Leiche wird auf einem Schrottplatz gefunden. Da die beiden Jungs beim Streit mit dem Mädchen beobachtet worden sind, scheint der Fall klar, erst recht, als sich ein weiterer Augenzeuge findet: Der ukrainische Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma hat sie auf dem Schrottplatz gesehen. Aber Jans Vater ist Anwalt und entlarvt den Ukrainer, dem Lenski im Gegenzug für seine Aussage eine Aufenthaltsgenehmigung in Aussicht gestellt hat, als Schwindler, und pulverisiert die schöne Indizienkette. Lenski und Krause müssen wieder von vorn anfangen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Der Titel "Eine andere Welt" bezieht sich zwar auf die bewusstseinserweiternden Drogen, die die Mädchen durchaus freiwillig genommen haben, aber natürlich werden auch die Ermittler mit einer für sie fremden Welt konfrontiert, in der sich Kinder aus reichem Haus nehmen, wonach ihnen der Sinn steht. Die jungen Darsteller spielen das erschreckend gut; gerade Jannik Schümann (als Jan), schon in "Homevideo" ein ausgezeichneter Gegenspieler der Hauptfigur, ist auch hier treffend besetzt, zumal sein ansprechendes Äußeres in krassem Gegensatz zu Jans Kaltblütigkeit steht. Herbert Knaup veredelt den Krimi mit seiner Schauspielkunst, die stets so unangestrengt wirkt, zumal Jans Vater längst nicht so gefühllos ist, wie er als Jurist auftritt. Auch Maria Simon agierte sehr entspannt, so dass dieser "Polizeiruf" auf den ersten Blick eher unspektakulär wirkt; die Kamera (Simon Schmejkal) beobachtet still, wie sich die Dinge entwickeln, ohne je Partei zu ergreifen. Die Inszenierung ist sorgfältig, die Darsteller sind ausnahmslos gut geführt, wovon vor allem die jungen Mitwirkenden profitieren; auch Lotte Flack (als Hanna, die beste Freundin des Opfers) spielt ihre Rolle sehr glaubwürdig. Ähnlich prägnant besetzt sind die Nebenrollen, etwa mit Christina Große und Rainer Strecker als Hannas Eltern. Über allem aber thront der in sich ruhende Horst Krause, dessen Gelassenheit den gesamten Film zu prägen scheint und der das Verdikt über die Jungs ausspricht: "unschuldig schuldig".