Erika Budde war begeistert. Der ehemalige Bischof nahm die Einladung der Seniorenkreisleiterin ohne Zögern und mit freundlichem Lächeln an. Jetzt steht er hochgewachsen kerzengerade am Rednerpult im Büchenbacher Gemeindehaus (Landkreis Roth) und berichtet Ernstes von der Lage im Nahen Osten. Der frühere bayerische evangelische Landesbischof Johannes Friedrich sieht aus wie immer - vielleicht leuchtet das Haar heute etwas heller weiß. Am Mittwoch (20. Juni) wird er 70.
Erst einige Tage zuvor ist Friedrich von einer politischen Studienreise aus Jerusalem zurückgekehrt. Die Lage dort hat ihn deprimiert, räumt er ein. Es fallen wieder Bomben im Nahen Osten. Sechs Jahre von 1985 bis 1991 war der Theologe in Jerusalem Propst der evangelischen Kirche in Jerusalem. Diese Zeit hat ihn stark geprägt. In Büchenbach erzählt er auch von der Angst vor irakischen Giftgasangriffen im ersten Golfkrieg. Seine Frau, ebenfalls Theologin, und die zwei kleinen Töchter waren damals zur Sicherheit nach Zypern geflogen.
Die Zeit als Propst in einer Stadt, in der die Christen in der Minderheit sind, hat Friedrich vor Augen geführt, wie wichtig Ökumene ist - und zwar nicht nur die von katholischer und evangelischer Kirche, sondern auch mit Orthodoxen und Anglikanern. Als Bischof konnte er wie sein Nachfolger, Heinrich Bedford-Strohm, gut mit dem Münchner Kardinal Reinhard Marx. Den Ökumenischen Kirchentag 2010 in München hat Friedrich einmal als den Höhepunkt seiner Karriere bezeichnet. Dass der bayerische Landesbischof 2001 als Catholica-Beauftragter der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) den Papst als einen "ökumenisch akzeptierten Sprecher der Weltchristenheit" bezeichnete, kam allerdings bei Protestanten nicht überall gut an.
Friedrich ist als Sohn eines Theologieprofessors in Westfalen geboren und in Erlangen aufgewachsen. Vor seiner Zeit als Propst in Jerusalem war Friedrich Studentenpfarrer in Nürnberg, nach seiner Rückkehr machte man ihn zum Stadtdekan in Nürnberg. 1996 wurde er in die Landessynode gewählt und ergriff dort mit die Initiative für die Vereinbarung "Zur Begründung eines neuen Verhältnisses von Christen und Juden", die die Synode 1996 verabschiedete.
1999 wurde Johannes Friedrich zum Landesbischof gewählt. Einer mit klarem Verstand und Übersicht, wie ihn Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler in einem Zeitungs-Gastbeitrag beschrieb. Sie war bereits zu seiner Zeit Ständige Vertretern des Bischofs. Breit-Keßler nennt Friedrich auch einen Mann, der Konflikte vermeidet und lieber nach Lösungen sucht, die allen etwas bringen.
Friedrich selbst betont in Interviews immer, wie sehr ihn Schwarz-Weiß-Denken ärgert. Die große Debatte in seiner Amtszeit um die Umbenennung von der nach Landesbischof Hans Meiser benannten Straßen war so eine Geschichte, bei der er sich mehr Differenzierung gewünscht hätte. Meiser war von 1933 bis 1955 Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Hintergrund der Debatte waren antisemitische Äußerungen von Meiser.
Anstrengungslos und fröhlich
Johannes Friedrich hat in seiner Amtszeit als Landesbischof die Kirche ins Gespräch gebracht. Er hat sich nicht nur zu Religionsfragen geäußert, sondern auch zu Ausländerpolitik oder zur embryonalen Stammzellenforschung seine Auffassung vertreten. Und medienscheu war Johannes Friedrich nie. Auch aktuell stellen ihm als Nahost-Experten Medienvertreter ihre Fragen. Ebenfalls untrennbar mit seinem Namen ist das Thema Bibel verbunden. Früher Vorsitzender der Deutschen Bibelgesellschaft, heute Vorsitzender des Verwaltungsrats des Bayerischen Zentralbibelvereins. In dieser Eigenschaft hat er weiter ein Auge auf das Projekt Bibelmuseum in Nürnberg.
70 Jahre sind ja wahrlich kein Alter, um die Hände in den Schoß zu legen. Aber Johannes Friedrich blickt vor seinem Geburtstag auch gerne einmal zurück: "Ich bin zufrieden mit dem Leben, wie es gelaufen ist", sagt er. Wegbegleiter erinnern gerne daran, wie Friedrich als Landesbischof anstrengungslos und bisweilen fröhlich pfeifend Sitzungen und Dokumentenberge hinter sich brachte. Alle Erdteile habe er als Landesbischof besuchen können, sagt er, "das ist doch toll".
Provinzialität war und ist Friedrich fremd. Aber nach zwölf Jahren Dienstzeit als Bischof einer der größten evangelischen Landeskirchen wünschte er sich dennoch ein Leben als einfacher Dorfpfarrer Friedrich. Jeden Sonntag auf die gleich Kanzel zu steigen, Konfirmandenunterricht zu geben und Verstorbene zu beerdigen, das reizte ihn jetzt. "Das war eine ganz andere Beziehung zu jedem Gottesdienstbesucher", freut er sich im Nachhinein auch über diese richtige Entscheidung.