"Gibt es da was umsonst?" Ein Jugendlicher wundert sich. Er hängt mit seinen Kumpeln auf einer Mauer vor der Heilig-Geist-Kirche in Essen-Katernberg ab und beobachtet die Kinderwagen schiebenden Menschen, die an diesem sonnigen Sonntagnachmittag in das Gotteshaus strömen. Tatsächlich gibt es in der Kirche heute etwas umsonst, und zwar etwas ganz Besonderes: 70 Familien sind gekommen, um Gottes Segen für ihre Neugeborenen zu empfangen. Viele von ihnen haben auch Großeltern, Verwandte und Freunde mitgebracht.
"Willkommen im Leben, kleiner Segen!" heißt die Feier, die die evangelische und katholische Kirche in Essen seit Anfang vergangenen Jahres einmal im Quartal anbieten. Alle Kirchenmitglieder, die in den vier Monaten zuvor ein Baby bekommen haben, erhalten eine Glückwunschkarte zur Geburt und dazu eine Einladung, ihr Kind segnen zu lassen.
Schnell ist die Heilig-Geist-Kirche bist auf den letzten Platz besetzt. Es herrscht fröhliche und gespannte Unruhe, Babys glucksen und brabbeln, einige schreien. Aber das stört hier niemanden. Begrüßung, zwei Lieder, Gebet und eine kurze Predigt – dann kommt auch schon der wesentliche Punkt: die Segnung. Dazu versammeln sich die Familien um den Altar in der Mitte der Kirche, im Hintergrund leise Klaviermusik. Dieses Mal segnen die katholische Pastoralreferentin Astrid Jöxen, die evangelische Pfarrerin Julia Olmesdahl und drei ehrenamtliche Mitarbeiterinnen die Kinder.
Die einzelnen Segnungen dauern einige Minuten. "Das ist hier kein Fließband", sagt Astrid Jöxen. "Wir nehmen uns Zeit für jede Familie." Die Pastoralreferentin möchte bei jeder Familie erst einmal die Situation erfassen: Sie fragt nach dem Namen des Kindes und wechselt ein paar Worte mit den Eltern. Dann bittet sie diese, die Hände auf den Rücken oder Kopf des Babys zu legen und legt ihre eignen obenauf, bevor sie ein Segensgebet spricht.
"Wohltuend und stärkend" empfindet Narintorn Horthong die Segensfeier. Der Essener mit thailändischen Wurzeln und seine Frau Lisa sind mit ihrer Tochter Emma (5) gekommen, um die neun Wochen alte Charlotte segnen zu lassen. "Es ist immer gut, wenn man einen Segen mitnehmen kann", sagt Lisa Horthong und lacht. "Und für uns ist es besonders schön, diese Segnungsfeier für Charlotte zu haben, da wir unsere Kinder nicht taufen lassen."
Trennung von Taufe und Segen
Babysegnung statt Säuglingstaufe – ist das der Sinn des Angebots? Auf keinen Fall, auch wenn es vorkommt, dass manche Eltern es so sehen, meint die evangelische Pfarrerin Juliane Gayk, die gemeinsam mit ihrer katholischen Kollegin Astrid Jöxen die Segensfeiern ins Leben gerufen hat. Die Taufe und der Segen seien getrennt voneinander zu betrachten.
Die Segensfeier ist ein Angebot für Eltern, Danke für ihr Baby zu sagen und es unter Gottes Schutz zu stellen. "Wir wollen dazu beitragen, eine Willkommenskultur für neues Leben zu schaffen", erklärt Juliane Gayk, die auch an ökumenischen Segnungsfeiern für Schwangere beteiligt ist. Rund um das Ereignis Geburt bestehe bei Eltern ein großes Bedürfnis nach Begleitung und Unterstützung. Die Taufe sei davon abzugrenzen: "Sie ist für Christen das äußere Zeichen, dass sie zu Jesus Christus gehören und Mitglied der Kirche sind", sagt Juliane Gayk. "Ich vergleiche die Taufe gerne mit einer engen Freundschaft, die von beiden Seiten besiegelt ist. Beim Segen geht es um Gottes Schutz und Kraft, die jedem Menschen gilt. Bei der Babysegnung wird also Gottes Liebe über diesem kleinen Menschen ausgeschüttet." Und viele Eltern nähmen auch gerne beides in Anspruch.
###galerie|132108|Symbole der Taufe: Wasser, Licht, Segen und mehr###
Wer von den eingeladenen Familien zu den Segnungsfeiern kommt und welche Gedanken sie mitbringen, wissen die Organisatorinnen vorher nicht. Anmeldungen sind nicht nötig. Juliane Gayk erinnert sich an Eltern, die zwar Mitglieder in der Kirche sind, aber schon lange keinen Kontakt mehr zur Gemeinde hatten. An Eltern, die in ihrer Kirchengemeinde aktiv sind. Und auch an Eltern, die ansonsten kaum Bezug zu Religion habe. "Sie alle haben das Bedürfnis, Gott oder einer höheren Macht Danke zu sagen und um Schutz für ihr Kind zu bitten." Die Ausrichtung der Segensfeiern sei dezidiert christlich, stellt Juliane Gayk klar. "Aber wir sind froh, damit auch Anknüpfungspunkte zu schaffen für Menschen, die auf der Suche sind."
Bei der Auseinandersetzung mit den Unterschieden zwischen der Babysegnung und der Taufe hat Juliane Gayk die Erfahrung gemacht, dass darin auch große Chancen liegen, die Taufe aufzuwerten: "Wenn ich Eltern in Taufgesprächen erkläre, was Taufe tatsächlich bedeutet, werden manche zögerlich. Dann ist es auch völlig in Ordnung, wenn Eltern sagen: Wir wollen erst einmal den Segen."
Dass Lisa und Narintorn Horthong nur den Segen für ihr Baby wollen, hat nichts damit zu tun, dass sie eine zögerliche Haltung zur Kirche haben. Im Gegenteil. Die beiden sind in ihrer evangelischen Gemeinde im Essener Weigle-Haus verwurzelt. "Wir wollen unsere Kinder nicht taufen lassen, weil wir überzeugt davon sind, dass sie das später selbst entscheiden sollen", sagt Narintorn Horthong. Er selbst wurde 2010 als Erwachsener getauft, nachdem er sich ganz bewusst entschlossen hatte, Gott zu folgen. "Es war ein unglaublich wichtiges und berührendes Erlebnis für mich, die Taufe nach dieser Glaubensentscheidung zu erleben. Das möchte ich meinen Kindern nicht vorenthalten", sagt er.
Das Team hinter den Segnungsfeiern ist ökumenisch aufgestellt: Die Mitarbeitenden sind evangelisch und katholisch, arbeiten beruflich und ehrenamtlich in ihren Kirchen. Pastoralreferentin Astrid Jöxen sieht in der ökumenischen Ausrichtung auch die Stärke des Projekts: "Wir wollen nicht unsere Unterschiede herausstellen, sondern unsere Gemeinsamkeiten."
Die wichtigsten Informationen, Tipps und HIntergründe zur Taufe finden Sie im Taufbegleiter von evangelisch.de.