Anker-Zentren verletzen Rechte von Minderjährigen

Anker-Zentren verletzen Rechte von Minderjährigen
Flüchtlingsorganisationen sehen den besonderen Schutz von Kindern und Jugendlichen in den vom Bund geplanten Asyl- und Abschiebezentren gefährdet.

Studien und Erfahrungen aus der Praxis zeigten, dass die Unterbringung in großen Sammelunterkünften insbesondere dem Wohl von Kindern entgegenstehe und elementare Rechte von Minderjährigen verletze, heißt es in einer am Donnerstag in Bochum veröffentlichten Pressemitteilung von Landesflüchtlingsräten in Deutschland, dem Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, Pro Asyl und der Initiative Jugendliche ohne Grenzen. Das von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) geplante Sondersystem der Anker-Zentren treibe die Isolation und Diskriminierung weiter voran.

Eine Situation der Angst

Bereits jetzt sei der Alltag der Kinder und Jugendlichen in Erstaufnahmeeinrichtungen und Transitzentren, die als Vorbild der Anker-Zentren dienen sollen, geprägt von beengten Wohnverhältnissen, fehlender Privatsphäre, dem Ausschluss von der Regelschule, unzureichender gesundheitlicher Versorgung sowie dem Miterleben von Gewalt, hieß es. Abschiebungen, zum Teil mitten in der Nacht, sorgten für eine Situation der Angst. Sachleistungsversorgung, fehlende Therapieangebote und mangelnde Hygiene in überlasteten Sanitärbereichen verschärften vielerorts die Situation.

In den von der Bundesregierung geplanten Zentren soll das komplette Asylverfahren abgewickelt werden. Flüchtlinge mit geringen Bleibeperspektiven sollen dort bis zu 18 Monate untergebracht werden, Familien bis zu sechs Monate. Auch die Alterseinschätzung von unbegleiteten Minderjährigen soll dort erfolgen. Eine bundesweite Pilotphase soll im Herbst starten. Langfristig könnte es bundesweit 40 bis 50 Anker-Zentren geben, in denen jeweils bis zu 1.500 Flüchtlinge untergebracht werden sollen.



Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge drohe damit eine Unterbringung in Einrichtungen mit fremden Erwachsenen bis zu ihrer Inobhutnahme durch die Jugendämter, erklärten die Organisationen anlässlich des Internationalen Kindertages (1. Juni). Dies widerspreche dem Minderjährigenschutz und sei mit geltendem Recht nicht zu vereinbaren. Standards, die in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe gelten, würden nicht berücksichtigt.

Normales Alltagsleben sollte das Ziel sein

Flüchtlingsräte, Bundesfachverband und Pro Asyl appellieren an die Bundesländer, sich nicht am Anker-Projekt zu beteiligen. "Landesaufnahmeeinrichtungen sind kein geeigneter Ort für Kinder", erklärte Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats NRW. Nach zum Teil traumatischen Erlebnissen auf der Flucht sei es wichtig, dass ihnen in Deutschland ein normales Alltagsleben ermöglicht werden kann. Die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen sollte deshalb Priorität haben, hieß es.