TV-Tipp: "Daheim in den Bergen: Schuld und Vergebung" (ARD)

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TV-Tipp: "Daheim in den Bergen: Schuld und Vergebung" (ARD)
4.5., ARD, 20.15 Uhr
Zwei erbittert zerstrittene Patriarchen, eine alte Schuld, dazu noch eine unerfüllte Liebe zwischen der Tochter des einen und dem Sohn des anderen: In einer Zeit, da es ein Heimatministerium nicht mehr allein in Bayern, sondern mittlerweile auch in Berlin gibt, liegt die ARD-Tochter Degeto mit "Daheim in den Bergen" selbstverständlich voll im Trend.

Die Geschichte des Zweiteilers könnte auch aus den Fünfzigerjahren stammen, als der Heimatfilm im Gefolge des Kassenknüllers "Der Förster vom Silberwald" (1954) einen regelrechten Boom erlebte und die Sehnsucht der Deutschen nach heiler Welt erfüllte. Angesichts eines Daseins, das von vielen Menschen als zunehmend unüberschaubar empfunden wird, sind Geschichten über Mikrokosmen sehr gefragt. Vermutlich spielen viele Filme von ARD und ZDF auch deshalb entweder auf Inseln oder in Bergdörfern: Jeder kennt jeden, alle wissen alles. Inhaltlich kann das durchaus reizvoll sein, filmgeschichtlich handelt es sich um einen Rückschritt, weil das Genre dank der modernen Heimatdramen etwa von Joseph Vilsmaier ("Herbstmilch", 1989) oder Hans Steinbichler ("Hierankl", 2003) schon mal viel weiter war. Vom Realismus dieser Filme sind die Degeto-Produktionen weit entfernt. Im ersten der beiden Teile von "Daheim in den Bergen" ist beispielsweise öfter die Rede davon, dass eine Familie an der Armutsgrenze lebt; zu sehen ist davon nichts.

Dass dieser Film, "Schuld und Vergebung", dennoch keine Zeitverschwendung ist, liegt an den Schauspielern sowie am Geschick von Buch und Regie, die Geschichte fesselnd zu erzählen, zumal es sich bei der Fehde zwischen den Familien Huber und Leitner nicht bloß um ein schlichtes Nachbarschaftsgeplänkel handelt: Die beiden Allgäubauern Lorenz Huber (Max Herbrechter) und Sebastian Leitner (Walter Sittler) waren einst beste Freunde; bis Lorenz eines Nachts Sebastians kleinen Sohn Peter überfahren hat. Damit endete auch die Jugendliebe zwischen Lisa Huber (Theresa Scholze) und Florian Leitner (Matthi Faust). In seiner Rachsucht hat sich Sebastian damals die Weidegrundstücke der Hubers unter den Nagel gerissen, die Lorenz als Sicherheit für ein Darlehen angegeben hatte; seither wirtschaftet sein Hof am Rande des Existenzminimums. Zwanzig Jahre nach dem Unfall kehrt Lisa in ihre Heimat zurück, um ihr Lebensziel zu verwirklichen, denn ihr Jura-Studium in München hatte nur einen Grund: Sie will vor Gericht erreichen, dass die Leitners den Hubers das Land zurückgeben.

Das Drehbuch von "Bergdoktor"-Autorin Brigitte Müller, die für die Degeto auch die Reihe "Die Eifelpraxis" schreibt, gibt diesen Hintergrund allerdings erst nach und nach preis. Deshalb wirkt der Film zunächst, als habe es bereits einen früheren gegeben, zumal die Episodenhandlung zunächst im Vordergrund steht: Ein kleines Mädchen hat nach einem traumatischen Unfall auch die Sprache verloren. Sie und ihr Bruder haben sich nach der Trennung der Eltern dafür entschieden, beim Vater zu leben. Frieda Richthofen (Alma Leiberg) ist überzeugt, ihr Ex habe die Kinder bestochen; eine Privatdetektivin (Rike Schmid) soll Beweise dafür finden. Dummerweise verliebt sie sich in Alexander Richthofen (Johann von Bülow), der sich zudem als liebevoller Vater entpuppt.

Karola Hattop hat vor allem die diversen jungen Darsteller ausgezeichnet geführt. Die Regisseurin hat bereits vor Jahren in "Wer küsst schon einen Leguan?" mit dem damals noch ganz jungen Frederick Lau bewiesen, wie gut sie mit Kindern arbeiten kann. Auch deshalb ist das Schicksal von Emilia die berührendste Ebene des Films, zumal sie geschickt mit der Vorgeschichte der beiden verfeindeten Familien verwoben ist: Peter, der Junge, der damals bei dem Unfall gestorben ist, hatte Trisomie 21; Sebastian bietet seither dank entsprechender Ausbildung tiergestützte Therapien für Kinder an. Clever reduziert ihn das Drehbuch konsequent auf diese Rolle. Über den anstehenden Prozess oder die Fehde mit den Hubers verliert er kein Wort. Auf diese Weise kann Walter Sittler den alten Leitner gleichzeitig als Gegenspieler wie auch als Sympathieträger verkörpern, zumal die Szenen, in denen er Emilia mit Hilfe eines Ponys zu neuem Selbstbewusstsein verhilft, zu den schönsten des Films gehören.

Die Fortsetzung, "Liebesreigen" (11. Mai), ist dagegen deutlich schwächer. Trug die Episodenhandlung im ersten Teil noch wesentlich dazu bei, dass der Film durchaus ansehbar und handlungsdicht war, so ist sie nun eindeutig das Manko: Die Geschichte mit den beiden Paaren, die früher über Kreuz liiert waren, ist konstruiert, die Figuren bleiben viel zu oberflächlich, weshalb selbst Schauspieler wie Anne Schäfer und Martin Gruber nicht das Format der Gastdarsteller aus "Schuld und Vergebung" erreichen. Die horizontale Ebene bietet ebenfalls keine Überraschungen mehr. Die Patriarchen spielen nur noch Nebenrollen, haben aber trotzdem die stärksten Szenen: weil Herbrechter und Sittler nicht viele Worte brauchen, um das Ende der Eiszeit zwischen den beiden Männern zu vermitteln.

Natürlich haben Hattop und Kameramann Konstantin Kröning dafür gesorgt, dass das Allgäu prachtvoll anzuschauen ist: Sonnenuntergang hinter Berggipfeln, malerischer Abendrothimmel und ein unberührter Natursee bedienen die Sehnsucht nach der unberührten Natur. Angesichts des eindeutig regionalen Charakters der Geschichte ist es umso verwunderlicher, dass sämtliche Mitwirkenden Hochdeutsch reden. Womöglich war der gewöhnungsbedürftige Allgäuer Dialekt den Auftraggebern nicht salonfähig genug; aber vielleicht gibt es auch ganz einfach nicht genug Schauspieler, die dieser Sprache mächtig sind.