In "Zeugenmord", dem zweiten Film aus der deutsch-österreichischen Koproduktion "Die Toten von Salzburg", ist die Gemengelage zwar etwas anders, aber alte Krimihasen werden den Autoren vermutlich dennoch auf die Schliche kommen: In einem Salzburger Krankenhaus werden zwei Männer ermordet. Der eine war der Fahrer eines bayerischen Staatssekretärs, der andere ein einheimischer "Bergputzer". Für Hubert Mur (Michael Fitz) von der Kripo Traunstein ist der Fall klar: Das Auto des Staatssekretärs hatte kurz zuvor einen Unfall, bei dem der Politiker gestorben ist. Der Mann war für die Ausfuhrgenehmigungen von Waffen zuständig und in Salzburg mit einem südafrikanischen Waffenhändler verabredet. Weil die Fotos von der Unfallaufnahme sowie andere Akten auf mysteriöse Weise verschwunden sind, ist Mur überzeugt, dass der Bundesnachrichtendienst seine Finger im Spiel hat und der Politiker Opfer eines Anschlags geworden ist. Mit dem Fahrer sollte der einzige Zeuge beseitigt werden; der Bergsteiger wäre somit ein zufälliger Kollateralschaden. Murs österreichischer Kollege Palfinger (Florian Teichtmeister) hat Zweifel an dieser Theorie, kann sie aber nicht belegen, zumal die Indizien ausnahmslos für die These des Deutschen sprechen; auf den Überwachungskameras ist zudem kurz vor der Tat eine Frau (Valerie Niehaus, quasi in einer Gastrolle) zu erkennen, die sich später als Sprecherin des Politikers entpuppt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Schon die Geschichte ist derart vielschichtig, wie das sonst nur bei Romanverfilmungen der Fall ist, aber Star des Films ist trotzdem nicht die Story. Regisseur Erhard Riedlsperger und seine Koautoren Klaus Ortner und Stefan Brunner haben die Diskrepanzen zwischen Hubert Mur und Peter Palfinger, der den deutschen Kollegen mal als "Weißwurscht-Derrick" schmäht, im Vergleich zum ersten gemeinsamen Fall noch weiter auf die Spitze getrieben. Der Deutsche ist ein Choleriker, der bei jeder sich bietenden Gelegenheit aus der Haut fährt, seinen Mitmenschen grundsätzlich mit profunder Unhöflichkeit begegnet und eine imposante Hartnäckigkeit an den Tag legt, wenn er sich mal in einen Fall verbissen hat. Der österreichische Major, seit einem Unfall querschnittsgelähmt, gibt sich deutlich gelassener, kann aber ebenfalls dünnhäutig reagieren; zumindest, wenn er und sein Bruder ein Auge auf die gleiche Frau geworfen haben. Die Auseinandersetzungen zwischen Peter und Sebastian Palfinger (Simon Hatzl) haben schon den ersten Film (2016) um ein gleichermaßen heiteres wie ernstes Element ergänzt. Das Wetteifern der ungleichen Brüder um die Gunst einer attraktiven Ärztin (Anna Unterberger), die Peter Hoffnungen macht, irgendwann nicht mehr auf den Rollstuhl angewiesen zu sein, hat einen Beigeschmack, denn Sebastian ist katholischer Priester. Der eine kann, darf aber nicht; der andere darf, kann aber nicht. Das erfahrene Krimipublikum weiß natürlich, dass Autoren die Beziehungsebenen der Ermittler gern nutzen, um den Fall zu spiegeln.
Ganz wesentlich für die unangestrengte Kurzweiligkeit des Films ist auch das weitere Personal, allen voran Erwin Steinhauer als Palfingers Chef Alfons Seywald. Der eitle Hofrat, der seinen Arbeitstag gern im Caféhaus verbringt, ist ein wenig die Witzfigur der Geschichte und dank seiner Schwäche für süße Backwaren ein gefundenes Fressen für den BND. Allerdings offenbart er auch unerwartet viel Rückgrat, als eine Politikerin ihm mittels eines "Hofratschlags" zu verstehen gibt, dass er seine Ermittler zurückpfeifen soll. Darauf hätte er sich vermutlich noch eingelassen, aber die Dame begeht den Fehler, die Aufforderung mit einigen Schmähungen seiner Mitarbeiter zu verbinden. Palfingers junge Partnerin Irene Russmeyer (Fanny Krausz) ist in der Tat weit mehr als bloß die Stichwortgeberin ihres Vorgesetzten. Zur sympathischen und gern auch mal hintergründigen Heiterkeit des Films gehört nicht zuletzt der schwarze Humor, mit dem der Major seine Behinderung wegzuscherzen versucht. All’ das ist derart gut gespielt, dass selbst Namensgags – die Ärztin heißt Doktor Doll – funktionieren. In einer der schönsten Szenen entlarven die Ermittler im Stammlokal des Hofrats die BND-Agenten; als "Pullacher Zipfel" (Mur) entpuppen sich überraschenderweise nicht die beiden Männer mit Sonnenbrille am Nebentisch, sondern zwei Hipster.