"Dieses Teil hier, das war schon mit in Mutlangen", sagt Hans-Dieter Lüdemann. Er kramt in seiner Kommode und zieht eine grüne Umhängetasche heraus. Der Reißverschluss klemmt, der Gurt ist eingerissen. Verwaschen und verblichen, aber noch gut zu erkennen, prangt auf der Tasche das Friedens-Zeichen: ein Kreis mit drei Strichen, die nach unten weisen.
Das habe er vor 25 Jahren mit schwarzem Filzstift aufgemalt, erinnert sich der 58-Jährige. Die Mutlangener Protestaktionen gegen die Pershing-Raketen im Jahr 1983 waren die erste Friedensdemonstrationen, an denen Lüdemann teilnahm. "Auf meinem Parka hatte ich auch so ein Zeichen, aber den ich habe ich irgendwann weggegeben", sagt Lüdemann, der im niedersächsischen Landkreis Rotenburg/Wümme lebt.
Beginn der Ostermärsche
Die erste große Demonstration der Kampagne mit dem Peace-Zeichen begann am Karfreitag, dem 4. April 1958, und führte über 80 Kilometer von London nach Adlermaston, wo die britischen Atomwaffen entwickelt wurden. Sie begründete die Tradition der Ostermärsche.
1952 war Großbritannien nach den USA und der Sowjetunion zur dritten Nuklearmacht aufgestiegen, fünf Jahre später zündete das Land im Pazifik seine erste Wasserstoffbombe. Viele der rund 10.000 Protestierenden in Adlermaston trugen das "Peace"-Zeichen auf großen Holz- und Pappschildern vor sich her oder reckten es, aufgemalt auf Plakate, in die Höhe.
Die Bilder der Demonstration gingen um die Welt, der Adlermaston-Marsch wurde zum Fanal für die internationale Ostermarschbewegung. Zu deren Hochzeiten Ende der 60er und zu Beginn der 80er Jahre kamen in Deutschland Hunderttausende Teilnehmer zu den Kundgebungen.
Vietnamkriegsgegner und Hippies in den USA übernahmen das Friedenszeichen ebenso wie Atomwaffengegner in der Bundesrepublik und Skandinavien. Die Friedensbewegung hatte nun ein international aussagekräftiges Markenzeichen. Es galt als so wirkungsmächtig, dass die Regierung Südafrikas einem BBC-Bericht zufolge in den 70er Jahren ernsthaft erwogen haben soll, es zu verbieten.
Mit den Massenprotesten gegen die Militärinvasion der USA, Großbritanniens und einer "Koalition der Willigen" im Irak im Jahr 2003 fand die Verbreitung des Emblems wohl ihren Höhepunkt: Junge Leute und Kriegsgegner auf der ganzen Welt formten auf Wiesen und Plätzen menschliche "Peace"-Zeichen, bemalten damit ihre Gesichter oder - wie Hans-Dieter Lüdemann - ihre Kleidung und Taschen.
In Zürich errichteten Aktivisten das Symbol an den Hängen des Üetlibergs. Gleitschirmflieger aus dem Rhein-Main-Gebiet drapierten ihre knallbunten Paraglider nahe dem Frankfurter Flughafen zum Antikriegs-Emblem. Der Fernsehsender Viva ersetzte sein Logo durch das Zeichen, der US-Regisseur Michael Moore trug es bei der Oscar-Verleihung als Sticker am Revers.
Symbol der Freiheit für alle
Später soll der Erfinder, der während des Zweiten Weltkriegs den Kriegsdienst verweigert hatte und auf einer Farm arbeitete, noch eine andere Erklärung nachgeschoben haben. Danach standen die Balken im Kreis nicht nur für das N und das D, sondern auch für einen verzweifelten Menschen, der die Arme resigniert zu Boden streckt, weil ihn die nukleare Aufrüstung so sehr belastet.
Anders als die dänische Anti-Atom-Initiative in den 70er Jahren mit ihrer lachenden Sonne hatte Gerald Holtom für das "Peace"-Symbol kein Copyright angemeldet. Auch die "Campaign für Nuclear Disarmament" ließ das Zeichen nie als geschützte Marke eintragen, es sollte als "ein Symbol der Freiheit frei sein für alle". So viel Großzügigkeit machten sich andere zunutze - das "Peace"-Zeichen zierte zeitweise die Schachteln der Zigarettenmarke "Lucky Strike". Beim Parfüm "Peace, Love and Juicy Couture" schmückt es bis heute die Flakons.
Es gebe viele Sichtweisen, warum ein Atomkrieg bislang verhindert wurde, hat der US-amerikanische Historiker und Friedensforscher Lawrence Wittner vor einigen Jahren gesagt. Die Falken seien der Meinung, dass die Nuklearwaffen wegen der Abschreckung nicht benutzt wurden. Er selbst hingegen glaube, dass der öffentliche Druck die Atommächte vom Einsatz dieser Waffen abgehalten habe. Das Symbol aber und gleichzeitig die Inspiration für diesen öffentlichen Druck sei Gerald Holtoms Zeichnung.
"So tiefschürfend haben wir das damals gar nicht betrachtet", sagt Hans-Dieter Lüdemann und lächelt. "Wir haben das vor allem als Zeichen gesehen, an dem man die Leute erkennt, die auch gegen Atomwaffen und Kriege sind."