Ein Häufchen Knochenreste. Das ist alles, was von Emma nach einer Stunde übrig bleibt. Emma wurde gerade verbrannt. "Der Mops wurde kremiert", sagen die Mitarbeiter des Kleintierkrematoriums Portaleum dazu. Sie sind die einzigen, die in Berlin Haustiere verbrennen. Emmas Herrchen und Frauchen haben einen Termin, SEÄ steht im Kalender: Soforteinäscherung. Sie kommen dafür aus Potsdam in den Berliner Norden, ins Gewerbegebiet Pankow Nord. LKW donnern über die A10.
Drinnen läuft seichte Streichmusik mit Harfenintermezzi. Mareen Büchner, 34 Jahre, führt das Krematorium gemeinsam mit ihrem Vater. Die junge Frau zündet eine Kerze an und füllt mit Emmas Besitzern einen Vertrag aus. Er schweigt, sie antwortet: Emma. Mops. Weiblich. 9,1 Kilogramm. Zehn Jahre und eine Woche. "Das ist ja kein Alter. Hatte sie was?", fragt Mareen Büchner vorsichtig. Jetzt muss auch die Frau weinen. Der Mann reicht ihr ein Taschentuch mit Hello-Kitty-Aufdruck. "Einen Herz-Tumor", bringt sie hervor. Der hatte der Hündin auf die Lunge gedrückt, das Paar ließ sie einschläfern. Mareen Büchner versucht zu trösten: "Keine leichte, aber die richtige Entscheidung."
Tierhalter können tote Tiere beim Arzt lassen, der es an die Tierkörperbeseitigung weitergibt. Das kostet zwischen 20 und 100 Euro. "Tierliebhaber sind aufgeklärter, sie wollen nicht, dass aus ihrem Haustier Tiermehle und Fette werden", meint Mareen Büchner. Portaleum ist eines von mittlerweile 26 Tierkrematorien in Deutschland, neben 160 Tierbestattern und 120 Tierfriedhöfen. Die günstigste Variante im Portaleum für einen Hund wie Emma kostet 83,50 Euro: Gemeinschaftseinäscherung. Aber nur jeder Zwanzigste will das.
Die Krematoriumsmitarbeiter holen die Tiere oft beim Tierarzt ab und bringen sie erst einmal in den Kühlraum. Dort warten die Tierkörper auf ihre Verbrennung. Zwischen den anderen Mäusen, Katzen, Kanarienvögeln, Hunden, Kaninchen, Leguanen, Schlangen und was in deutschen Haushalten sonst noch so lebt.
Pfötchenabdruck aus Ton vom Keramiker
Die Blicke des Paares wandern von einer schrill-bunten Keramik-Urne über eine Marmorpyramide zu einer schlichten Holzdose. "Eigentlich brauchen wir was Divenhaftes", sagt die Besitzerin. Die Emma, die mochte nämlich nicht einmal nassen Rasen. Oder allein bleiben. Diva-Gehabe. An einem pinken Gefäß mit einer Strasssteintatze bleiben ihre Blicke hängen. "Aber sie war auch keine Tussi", sagt die Frau. Am Ende entscheiden sie sich für einen Keramik-Würfel mit kupferfarbener Glasur. Damit muss sich ihr Mann nicht vor den Fragen der Schwiegereltern fürchten: "Die halten uns für verrückt, wenn wir Asche im Wohnzimmerregal stehen haben."
Mareen Büchner bietet dem Paar eine Portaleums-Spezialität an: den Pfötchenabdruck aus Ton, gestaltet von einem Keramiker. "Ich würde alles nehmen, was ich irgendwie von ihr kriegen kann", sagt Emmas Besitzerin. Aber Emma liegt tiefgefroren im Auto, minus 20 Grad, das hatte Mareen Büchner vergessen. Deswegen geht das mit dem Abdruck doch nicht, zumindest nicht würdevoll. Umso wichtiger, dass sie die Urne nachher mit nach Hause nehmen können. "Wollen Sie die später beisetzen?" - "Auf keinen Fall, dann könnten wir nie wieder umziehen", sagt der Mann.
Tiere können für jemanden sein wie ein Kind
Nicht das Tier steht hier im Mittelpunkt, sondern die Beziehung zwischen Mensch und Tier. Beziehungsarbeit. Der würdige Abschied ist noch wichtiger als die Würde des Tieres. Auf dem Land haben die meisten eine andere Beziehung zum Tier, meint Mareen Büchner. Mehr Nutztier, weniger Kuscheltier. Kein Wunder, dass vor allem die Städter kommen.
Sie bringen Emma in einer weißen Plastikkiste. Die Frau drückt dem Mitarbeiter eine Dose mit Futter und einen Beißring in die Hand. Grabbeigaben. Mareen Büchner schreibt die Rechnung, der Mann zückt seine Karte: 463,50 Euro kostet Emmas Einäscherung samt edler Urne.
Die Mitarbeiter sind auf solche Kunden eingestellt und gehen mit Anliegen jeglicher Art verständnisvoll um. Einmal kam eine Kundin mit Atembeschwerden und der Urne ihrer Katze. Ob die wohl geöffnet werden könne? Die Katze kann nicht atmen. Kein Problem, Urne geöffnet, Atemproblem gelöst. Die Trauerbegleitung ist im Preis inbegriffen.
Krematorium vorgeheizt auf 850 Grad
Klappe auf, Emma rein, Metallplatte raus. Der Anblick bleibt den Besitzern erspart: Jetzt übernimmt das Feuer. Die Anlage ist vorgeheizt, auf mindestens 850 Grad. Es riecht kurz nach versengtem Fell. Eine Dreiviertelstunde arbeitet die Hitze am Tier, durch zwei münzgroße Bullaugen überprüft der Mitarbeiter, ob die Hündin schon ganz verbrannt ist. Dann füllt er die Asche in eine Metallkiste. Abkühlen.
Mit einer Zange sortiert der Mitarbeiter die Überreste des Beißrings aus, damit die Asche gleich nicht so dunkel ist. Dann füllt er die Asche in ein Tütchen und legt sie die Urne.
"Wenn Du und Dein geliebtes Tier sich treffen, gibt es eine Wiedersehensfreude, die nicht enden will."
Das Paar kommt von einem Spaziergang zurück. Im Übergabezimmer steht die Urne zwischen einer Kerze und zwei rosafarbenen Rosen. Daneben eine Karte: Emma ist am 21.2.2018 über die Regenbogenbrücke gegangen. Das Bild stammt aus einem Gedicht. Darin heißt es: "Wenn ein geliebtes Tier die Erde für immer verlassen muss, gelangt es zu diesem wundervollen Ort." Und später: "Und wenn Du und Dein geliebtes Tier sich treffen, gibt es eine Wiedersehensfreude, die nicht enden will."
Mareen Büchner sagt: "Ich verpacke Emma noch schnell, damit sie sicher nach Hause kommt." - "Vielen Dank", antwortet die Frau und versucht zu lächeln. Mit Emmas Einäscherung ist die Trauer ein wenig geschrumpft. Sie ist immer noch da und wird das Pärchen weiter begleiten. Sie gehen zum Auto, fassen sich an den Händen. Er trägt eine Portaleums-Tasche. Darin: Ein Häufchen Asche in einer Urne.