"Auf das Leben!" erzählt von der jüdischen Sängerin Ruth Weintraub (Hannelore Elsner), die seit vierzig Jahren nicht mehr singt. Nach einer Zwangsräumung findet sich Ruth in einem anonymen Wohnghetto wieder. Nur durch Zufall verhindert der junge Jonas (Max Riemelt), dass sie ihrem Leben ein Ende setzt. Während Ruths Abwesenheit nistet er sich in ihrer Wohnung ein. Dort findet er einige Filmdosen und einen Projektor: Anfang der Siebziger hat ein Filmstudent einen Dokumentarfilm über Ruth gedreht. Zunächst zeigen die Aufnahmen ihre mitreißenden Darbietungen jiddischer Lieder, dann erzählt sie, wie sie als Kind in Polen vor jenem Konzentrationslager bewahrt wurde, in dem ihre Eltern starben; und wie sie kurz drauf in letzter Sekunde vor einem deutschen Erschießungskommando gerettet wurde.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Geschickt verknüpft Drehbuchautor Thorsten Wettcke Gegenwart und Vergangenheit, zumal es dank Ruths Erzählungen auch noch Rückblenden in der Rückblende gibt. Dank des ausgefeilten dramaturgischen Konzepts ist die Geschichte jedoch nie verwirrend. Weil sich Filmstudent Victor damals prompt in Ruth verguckt hat, wandelt sich "Auf das Leben!" unmerklich zur Liebesgeschichte. Als Ruth den Filmemacher vor laufender Kamera auf die Bühne bittet, stellt auch der verblüffte Jonas fest, was man als Zuschauer längst weiß: Er ist Victor wie aus dem Gesicht geschnitten. Der junge Mann ist ohnehin weit mehr als bloß ein Vorwand, um die Handlung ins Rollen zu bringen: Ähnlich wie Ruth will auch Jonas vor seinem Schicksal davonlaufen.
Uwe Janson hat unter anderem durch die Sat.1-Satiren "Der Minister" und "Die Schlikkerfrauen" von sich reden gemacht. Mit "Auf das Leben!" knüpft er an sein 1990 entstandenes Nachkriegsdrama "Verfolgte Wege" (sein Regiedebüt) an. Neben der kunstvollen Kombination der verschiedenen Zeitebenen beeindruckt sein jüngster Film nicht zuletzt durch die herausragende Kameraarbeit: Peter Joachim Krause sind Bilder von betörender Schönheit gelungen. Ruths grauenvolle Kriegserlebnisse sind dafür umso alptraumhafter. Nicht minder vorzüglich ist die Besetzung. Für Hannelore Elsner, die hier erstmals auch singt, ist die Ruth ebenso eine Traumrolle wie für die junge Ruth-Darstellerin Sharon Brauner; das Filmmusikalbum (erschienen bei Colosseum) enthält auch ihre jiddischen Lieder. Die Schlüsselfigur der Geschichte wird von Mathieu Carrière verkörpert, dessen prägnanter Auftritt allerdings so kurz ist, dass man nicht mal von einer Gastrolle sprechen kann.